2024-04-23T06:39:20.694Z

Kommentar
– Foto: Jörg Struwe

Erfolg hat seinen Preis

Auch im Amateurfußball nehmen finanzielle Möglichkeiten Einfluss auf die sportliche Konkurrenzfähigkeit, Vereine am Scheideweg

Fußball und Geld. Das gehört mittlerweile irgendwie zusammen. Im Profi- und zumindest auch an den richtigen Adressen im Amateurfußball. Dass es im Breitensport mittlerweile Geld zu verdienen gibt, ist ein sensibles Thema. Nur selten wird darüber öffentlich gesprochen, häufiger dafür in Stammtischrunden. Hauptsache nicht zitierfähig. Mittlerweile befinden sich einige Vereine am Scheideweg, wo sich andere schon für eine Richtung entschieden haben. Ein Kommentar.

Es war ein kleiner Nebensatz, den Hartmut Mattfeldt, Cheftrainer des TSV Elstorf, gegenüber dem TAGEBLATT sagte, der die Gerüchteküche im Landkreis zum Brodeln brachte. Mit einem „absolut unmoralischem Angebot“ habe sich der TuS Harsefeld seinen Mittelfeldlenker Max Hartmann geschnappt. Ein Einwurf, der viel Interpretationsspielraum offenlässt. Zu Mal es nur schwer vorstellbar ist, dass der ehemalige Regional- und Oberligaspieler ohne besondere Rahmenbedingungen 2018 zum zweiklassentieferen TSV gewechselt war.

Doch nicht nur Mattfeldt, sondern auch sein Trainerkollege Torsten Haase äußerte sich im Podcast seiner VSV Hedendorf/Neukloster zum Thema Geld im Amateurfußball. „Alles, was anderen Vereine im Landkreis machen, machen wir hier nicht“, erklärt der 53-Jährige. „Bei uns gibt es nichts zu verdienen. Wir wollen jungen Leuten Landesliga-Fußball anbieten.“ Neben einer „geilen Sportanlage“ und einem „geilen Umfeld“ gebe es demnach für die Spieler „nur“ ein Essen nach den Heimspielen und eine Sportausstattung. Klare Worte. Selten wurde öffentlich so direkt über monetäre Überzeugungskraft im Amateurbereich gesprochen. Auch wenn ich nicht verschweigen möchte, dass es auch in Hedendorf nie nachgewiesene Gerüchte gab, dass wenige Spieler in der Vergangenheit für ihre sportlichen Dienste entlohnt wurden. Eine Ungleichheit, die für Zündstoff gesorgt hätte.

Wer eine Spitzenposition will, muss bereit sein zu investieren

Dieser „Hedendorfer Weg“, der nun eingeschlagen wurde, kann in der Landesliga nur konkurrenzfähig sein, wenn sich die Feldstraße zu einer festen Adresse für die angesprochenen talentierten Nachwuchsspieler aus der Region entwickelt. Und das dauerhaft. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Top-Landesligaspieler, der den Verein vorher nicht kennt, auf einen monatlich dreistelligen Betrag verzichtet, um für Currywurst & Pommes und ein paar Fußballschuhe an die Feldstraße zu wechseln. Das hätte ich vermutlich nicht anders gemacht. Zumindest nicht in dem unrealistischen Szenario, wenn mir jemand diesen Betrag X für meine fußballerische Leistung gezahlt hätte.

Wer sich perspektivisch also eine Spitzenposition in seinem Landkreis erarbeiten möchte, der muss schon in der Gegenwart dafür bereit sein, einen finanziellen Aufwand zu betreiben. Und das ist völlig legitim. Das Interesse am Lokalsport ist groß. Wenn das Geld da ist, kann es auch eingesetzt werden. Seitdem es neben Regionalzeitungen auch noch Plattformen wie FuPa oder Sporttotal gibt, ist der Amateurfußball und seine Reichweite noch attraktiver geworden. Fußball ist ein Geschäft. Schon lange im Spitzensport, langsam aber auch in der Basis. Die Grenze des Breitensports hat sich verschoben. Denn ein Verdienst bedeutet auch Verpflichtungen. Das Ende des Hobbys. In der sechsten, siebten Liga.

Die Vereine veräumen Merchandising-Möglichkeiten

Die Vereine selbst versäumen es hingegen nahezu im Kollektiv, die Vorteile der Digitalisierung oder Merchandising-Produkte selber zu vertreiben, anstatt Dritte daran verdienen zu lassen. Das Budget, das teilweise mittelgroße Taschengelder für Spieler ermöglicht, stammt hingegen meist von lokalorientierten Sponsoren oder privaten Clubs und ist nicht „selbstverdient“.

Die entscheidende Frage ist letztlich aber immer, wie dieses Geld eingesetzt wird. Ein Verein muss sich irgendwann die Frage stellen, ob er sich für den sportlichen Erfolg entscheidet und seine eigenen Werte bzw. seine Identität mindestens riskiert. Ein Spieler muss immer noch zum Gesamtkonstrukt passen und sich mit dem Verein identifizieren. Die pure, individuelle, fußballerische Qualität ist sekundär.

Die Entscheidung muss jeder Verein für sich treffen

Denn ist nicht eigentlich das Vereinsleben das Wichtigste? Die Chemie unter den Teams? Und nicht, dass im Worst-Case ein eigener Verein im Verein entsteht? Eine Ligamannschaft, die unabhängig von den restlichen Teams existiert? Fußball ist mein Hobby. Mein Ausgleich. Meine Leidenschaft. Das sind die Werte, die mir wichtig sind – unabhängig von der Ligazugehörigkeit der ersten Mannschaft. Ich fürchte, es gibt keinen Mittelweg. Es gibt nur entweder – oder. Eine Entscheidung, die einige Vereine schon getroffen haben, auf viele mehr jedoch noch zu kommen wird.

Aufrufe: 022.7.2020, 09:35 Uhr
Moritz StuderAutor