2024-06-14T14:12:32.331Z

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Die Plaudertasche der Wellerspitze: Lothar Dönges versorgt die Zuschauer bei den Spielen seines FSV Lahnlust Buchenau launig mit Informationen.	 Foto: Eberhard Dersch
Die Plaudertasche der Wellerspitze: Lothar Dönges versorgt die Zuschauer bei den Spielen seines FSV Lahnlust Buchenau launig mit Informationen. Foto: Eberhard Dersch

Von Pausenplauderei bis Entenrennen

CORONA: +++ Vor Corona ist nach Corona: Wie heimische Fußballvereine Nischen finden, um ein paar Euro zusätzlich in die Kasse zu kriegen +++

Hinterland. Sponsorenakquise, Gewinnung von Partnern oder schlicht der Kampf um mehr zahlende Zuschauer. Ein Feld, das allein von den Klubs im bezahlten Fußball beackert wird? Mitnichten!

Fernab vom Kampf der Bundesligisten um die Gunst der „Strategischen Partner“ oder der „Global-Player“ aus der Wirtschaft und jenseits vom Werben um die großen Fernsehgelder, suchen die kleinen Vereine Mittelhessens längst ihre Nischen. Dabei geht es freilich nicht um Millionen. Leichter haben sie es allerdings auch nicht. In den Städten und Dörfern wird es schließlich immer kostenintensiver, nachhaltige Jugendarbeit zu leisten, eine zeitgemäße Infrastruktur auf dem Klubgelände anzubieten oder gar leistungsstarke Spieler zu verpflichten. Ist der Rasentraktor defekt oder steht eine Überholung der Heizungsanlage an, dann gerät mancher ohnehin auf Kante genähte Klubhaushalt ins Wanken.

Die Verantwortlichen in Vorständen und Fördervereinen haben bereits vor „Corona“ Ideen entwickelt. Und sie werden diese Ideen nach der für die ganze Gesellschaft bedrohlichen Pandemie verfeinern müssen. Die Tage, an denen der Vorsitzende der lokalen Kicker mal eben einem Sponsor ein paar Scheine „abschwätzt“ oder in denen ganze Hundertschaften an Zuschauern auf den Sportplätzen ihren Obolus entrichten, sind vorbei. Die Anhänger wollen umworben und wieder neu gewonnen werden. Zu groß ist das Freizeitangebot außerhalb der Fußballplätze. Das Rennen bei Förderern macht der, der ihnen aufzeigen kann, dass sie bei ihrem „Invest“ zumindest ein klein wenig profitieren können. Welche Ideen haben die Klubs im heimischen Landkreis, wenn es darum geht, Zuschauer zu generieren?

„Über der Idee steht natürlich zunächst, dass man entsprechendes Personal zur Verfügung hat oder zumindest gewinnen kann. Dann braucht man Vordenker, die bei den obligatorischen Bedenkenträgern Überzeugungsarbeit leisten können“, weiß Lothar Dönges, über Jahrzehnte erfolgreich in der Vorstandsarbeit beim FSV Buchenau aktiv. Sein Verein war anno 1978 der erste Fußballverein im Hinterland, der eine Beschallungsanlage anschaffte und diese bis heute bei allen Heimspielen der ersten und zweiten Seniorenmannschaft nutzt.

„Der Plan war anfänglich, dass wir eine Willkommenskultur für unsere Anhänger und die Sportfreunde des Gegners schaffen“, erinnert sich Dönges, der seit 42 Jahren die „Stimme“ des FSV am Mikro ist. Rasch wurden die Pläne weiter gedacht. Seit vielen Jahren läuft nun in den Halbzeitpausen ein etwa zwölf Minuten langes Band, das in jeder Sommerpause aktualisiert wird. Nach den individuellen Wünschen lokaler und regionaler Förderbetriebe spricht der Verein deren Werbung auf. „Eine lohnende Sache für beide Seiten“, schmunzelt Dönges und wundert sich, dass dies bei vielen Vereinen in der Kreisoberliga, Gruppenliga oder gar Verbandsliga bis heute nicht umgesetzt wird.

Aufgefallen ist dem Schreiber dieser Zeilen bei Sportplatzbesuchen, dass die Eintrittskarten nicht selten über eine Standard-Abreißrolle ausgegeben werden. Werbung auf der Rückseite oder gar auf beiden Seiten, Gutscheine und aufgedruckte Nummern, über die sich ein Gewinnspiel veranstalten lässt, sind kaum zu finden. Mögliche Zusatzeinnahmen gehen verloren.

Gute Erfahrungen hat mancher Verein mit Zusatzleistungen gemacht, von denen der Zuschauer mit dem Kauf einer Eintrittskarte profitiert. „Eine Bratwurst gratis“, hieß es beim FC Ederbergland. „Eine Kiste Bier für jede Grenzgangsgesellschaft, die mit mindestens zehn Leuten kommt“, versprach der VfL Biedenkopf und registrierte, dass die Gesellschaft die Gratiskiste genoss und danach noch weitere Kisten orderte, die sie freilich selbst bezahlte. Beim TSV Michelbach bekommen die Damen, ob Anhänger des eigenen Vereins oder Fans der Gastmannschaft, mitunter eine Rose oder ein Glas Sekt gratis. Der FC Cleeberg baute auf seinem Kunstrasenplatz einen kleinen Unterstand, den Anhänger bei Regen aufsuchen können. Der VfL Biedenkopf schaffte zu diesem Zweck große Sonnenschirme an, die bei Regen einen trockenen Genuss des Fußballspiels ermöglichen.

Hessenweite Berühmtheit erlangt mittlerweile das Kuchenbuffet des SC Waldgirmes. Frauen aus dem etwa 3000 Einwohner zählenden Dorf backen für den Verein Kuchen, den dieser bei seinen Heimspielen verkauft. Acht bis zehn Kuchen und Torten kommen mindestens zusammen. Stück für Stück einzeln angerichtet und teilweise liebevoll mit dem Vereinsnamen dekoriert, gelangen in den Verkauf. Einige Bürger, denen im Prinzip nichts am Fußball liegt, entrichten den Eintrittspreise nur wegen des Kuchens. Es wird gemunkelt, dass alleine der Erlös aus dem Kuchenbuffet locker die Kosten für das Schiedsrichtergespann deckt. Und der Imagegewinn für den Verein tut ein Übriges.

Beinahe Kultcharakter haben auf den Sportplätzen Verlosungen in der Halbzeitpause. Mittels der aufgedruckten Nummern auf den Eintrittskarten sind Gutscheine oder Sachpreise zu gewinnen, die Sponsoren zur Verfügung gestellt haben. Auch hier profitieren wieder Spender (falls die Spende über eine Lautsprecheransage flankiert werden kann) und Gewinner.

Ausgetragen werden die Partien auf Rasen-, Kunstrasen- und Hartplätzen, die in der Regel den entsprechenden Straßen oder Flurnamen tragen. Nicht so bei allen Fußballspielen im Jugend oder Seniorenbereich der Sportfreunde Blau-Gelb Marburg. Wen es an den altehrwürdigen „Zwetschenweg“ zieht, der befindet sich nach zwischenzeitlicher Übernahme der Namensrechte der Anlage in der „Reddy-Küchen-Arena“.

Was passiert nach dem Spiel? Früher gehörte es zum Pflichtprogramm, dass Spieler und Zuschauer noch lange nach dem Abpfiff gemeinsam in oftmals nicht sehr einladenden Sportheimen stundenlang beieinander saßen. Heute sind die Klubheime und die sanitären Anlagen darin viel einladender geworden. Bereits 30 Minuten nach Abpfiff sind die Sportheime aber oftmals bereits fast leer. Der VfB Wetter hat längst gegengesteuert. Der Verein lädt beide Mannschaften nach dem Duschen zum Essen ein. „Das kann mal Würstchen mit Pommes sein, mal Nudeln mit Hackfleischsoße oder auch mal eine deftige Suppe. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Leute und vor allem der Gegner noch viel länger bleiben, als eigentlich üblich. Das kurbelt Stimmung und Verzehr gleichermaßen an. Wir rufen unsere Gegner jeweils ein paar Tage vorher an und laden sie ein“, berichtet Dieter Brössel vom Förderkreis der Wetteraner. Er bedauert allerdings, dass beim Rückspiel kaum einmal eine ähnliche Maßnahme des Gegners stattfindet. Mit dem gemeinsamen Genuss einer Mahlzeit von Gewinnern und Verlierern ist es in Wetter noch nicht getan. 30 Minuten nach dem Abpfiff schnappt sich Brössel das Mikrofon. Er bittet den Gasttrainer und den eigenen Coach an einen Bistrotisch im Vereinsheim zum Trainergespräch. Nach den Statements der Coaches stellt er selbst Fragen und dann dürfen die Anhänger Fragen stellen. Immer sachlich, niemals unfair. Die Veranstaltung ist seit Jahren Kult bei Fans, Spielern und Verantwortlichen. Das Trainergespräch präsentiert an jedem Spieltag ein anderer Sponsor. Es kostet kein Geld. Es wird durch Bekanntgabe von positiven Meldungen aus dem Vereinsleben angereichert, kann in jeder Spielklasse durchgeführt werden und wird doch kaum von Vereinen angeboten.

Außerhalb des regulären Spielbetriebs bei Jugend oder Senioren sind die Vereine cleverer geworden. Sie haben sich dem Zeitgeist angepasst. Man belässt es längst nicht mehr bei der jährlichen „Bratpartie“. Ein paar Tage vor Saisonbeginn folgt die offizielle Vorstellung der Spieler. Manchmal eingebunden in einen Dämmerschoppen mit musikalischer Begleitung. Der SSV Langenaubach bietet unter anderem ein Backhausfest, ein Erbsensuppenessen, eine XXL-Schnitzelparty sowie ein Oktoberfest an. Der SV Bauerbach lädt zum Gänseessen, der SV Eckelshausen veranstaltet ein „Entenrennen“ und ein Jugendtrainingslager mit Ex-Profis und der FC Kombach die „Dorfolympiade“. Viele weitere Vereine der Region glänzen diesbezüglich mit Ideen. Drei Effekte stellen sich ein: Erstens spülen alle Maßnahmen ein paar Euro in die Kasse des Klubs oder des Fördervereins. Zweitens registrieren sie, dass es sehr schwer ist, genügend ehrenamtliches Personal zur Durchführung zu rekrutieren. Und drittens betonen alle eine tiefe Befriedigung. „Dann nämlich, wenn es gelungen ist, als Gemeinschaft unter Gleichgesinnten etwas auf die Beine gestellt zu haben“, weiß Vorsitzender Alfred Reitz vom SV Eckelshausen.

In Kürze berichten wir detailiert über Maßnahmen der Vereine zur Einnahmensteigerung durch Sponsoring. Und über Werbeplattformen, die zu diesem Zweck angeboten werden.



Aufrufe: 029.3.2020, 08:00 Uhr
Rainer Maaß (Hinterländer Anzeiger)Autor