2024-05-08T14:46:11.570Z

Allgemeines
Tobias Heuberger (rechts) und Sebastian Stadlmayr (Mitte) leiteten den Schiedsrichterlehrgang in der JVA Kaisheim, an dem auch die Sportbeamten (von links) Thomas Stöckle, Jürgen Bauch und Michael Lang teilnahmen.  Foto: Lang
Tobias Heuberger (rechts) und Sebastian Stadlmayr (Mitte) leiteten den Schiedsrichterlehrgang in der JVA Kaisheim, an dem auch die Sportbeamten (von links) Thomas Stöckle, Jürgen Bauch und Michael Lang teilnahmen. Foto: Lang

Vom Regelbrecher zum Regelhüter

Die Schiedsrichtergruppe Nord organisiert einen ungewöhnlichen Lehrgang in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim +++ Acht Insassen und drei Vollzugsbeamte beschäftigen sich dabei intensiv mit dem Regelwerk

Nach mehrjähriger Pause wurde in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim wieder ein Schiedsrichter-Lehrgang durchgeführt. Bereits in der Vergangenheit wurden Lehrgänge von der Schiedsrichtergruppe Nordschwaben für Gefangene angeboten, um einen Beitrag zur Resozialisierung zu leisten. Nachdem das Projekt zwischenzeitlich eingeschlafen war, wurde es nun auf Anfrage von Michael Lang, der für den Sport in Kaisheim zuständig ist, unter der neugewählten Gruppenführung um Obmann Tobias Heuberger wiederbelebt.

Im Rahmen des diesjährigen Lehrgangs wurden acht Häftlinge und drei Beamte an vier Schulungstagen in das teilweise recht komplexe Regelwerk eingeführt. Neben theoretischen Einheiten wurden auch viele Videoszenen analysiert und bewertet, um eine einheitliche Regelauslegung zu erreichen. Während die Einschätzungen im Bereich Handspiel anfangs weit auseinander gingen, näherten sich die Regelauslegungen mit zunehmender Schulungsdauer immer weiter an. Gleiches gilt für den Bereich der persönlichen Strafen. Hier wurde den Teilnehmern aufgezeigt, welche Bedingungen für eine gelbe oder rote Karte erfüllt sein müssen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die teilweise Abschaffung der Doppelbestrafung im Strafraum gelegt und auf die korrekte Sanktionierung von klassischen Fußvergehen. Die Referenten Tobias Heuberger und Sebastian Stadlmayr fanden dabei sehr interessierte und aktive Zuhörer vor. Insassen und Beamte beteiligten sich gleichermaßen und so entstanden produktive Diskussionen. Beinahe erstaunt waren Heuberger und Stadlmayr über den großen Fleiß und Ehrgeiz der Teilnehmer, denn fast jeder nutzte seine Freizeit, um im Regelwerk nachzublättern und sich vorzubereiten. Deshalb war es kaum verwunderlich, dass die Prüfung mit guten bis sehr guten Punktzahlen bestanden wurde.

„Für die Gefangenen ist dieser Lehrgang eine tolle Möglichkeit, um einmal die Perspektive zu wechseln“, freut sich Michael Lang über das Zustandekommen des Lehrgangs. Ein Regelbrecher werde zum Regelhüter und bekomme Verantwortung zugesprochen. „Wenn Häftlinge nach ihren Haftstrafen erfolgreich in die Gesellschaft integriert werden sollen, brauchen sie Anlaufstellen wie zum Beispiel Vereine oder eine Arbeitsstelle“, sieht auch Heuberger darin eine Chance, „denn ohne eine Aufgabe oder Beschäftigung droht ein Rückfall in alte Verhaltensmuster.“ Die Schiedsrichterei, da sind sich Lang und Heuberger einig, könne hier einen großen Beitrag leisten. Immerhin müsse man als Referee Verpflichtungen eingehen und zugeteilte Spiele übernehmen, pünktlich vor Ort sein, korrekt und höflich gegenüber Vereinsverantwortlichen auftreten, administrativen Aufgaben abwickeln und vieles mehr. Durch den Besuch der zahlreich angebotenen Veranstaltungen könnten zudem erste Kontakte geknüpft werden. Es bleibe zu hoffen, dass möglichst viele Gefangene nach ihrer Haftstrafe zur Pfeife greifen. Selbstverständlich sei das nicht, erklärt Heuberger, denn den Teilnehmern bei einem JVA-Lehrgang werde lediglich das Bestehen der Prüfung bescheinigt – ein offizieller Ausweis werde nicht ausgestellt. Jeder Einzelne müsse sich nach Freilassung überlegen, ob er sich mit dieser Bestätigung bei der zuständigen Schiedsrichtergruppe melden und das Hobby aktiv ausüben wolle.

„Selbst wenn wir durch diesen Lehrgang keinen neuen Schiedsrichter für unsere eigene Gruppe gewinnen können, ist das Projekt aus meiner Sicht eine gute Sache. Immerhin muss die Schulung konsequent durchgezogen und die Prüfung bestanden werden“, so Heuberger weiter. Da man das auch beim BFV so sieht, werden derartige Lehrgänge gefördert, sodass für die ausrichtenden Gruppen keinerlei Kosten anfallen. Nachdem auf beiden Seiten ein sehr positiver Eindruck geblieben sei, werde die Zusammenarbeit zwischen Schiedsrichtern und JVA auch in den nächsten Jahren bestehen bleiben. Im Sommer tragen die jeweiligen Mannschaften ein Freundschaftsspiel gegeneinander aus – in einer besonderen Atmosphäre.
Aufrufe: 025.5.2018, 19:23 Uhr
Rieser Nachrichten / pmAutor