2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Auch im Amateurfußball wird im November nicht gespielt.
Auch im Amateurfußball wird im November nicht gespielt. – Foto: Foto: Joaquim Ferreira/imago images
VR Bank Bodensee-Oberschwaben

Vier Wochen Pause für den Amateursport

Alle Clubs müssen den Trainings- und Spielbetrieb ab Montag einstellen. Eine Entscheidung der Politik, die nicht überall gut ankommt und große Sorgen hervorruft. Die Stimmen.

Ravensburg / sz - Es bahnte sich den ganzen Mittwoch an und wurde dann auch gegen 17.30 Uhr von der Bundeskanzlerin Angela Merkel offiziell gemacht: Die neuesten Einschränkungen, die die Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen hat, betreffen auch den Amateursport. Ab Montag wird der Trainings- und Spielbetrieb für mindestens vier Wochen eingestellt. Nur noch Individualsport, etwa alleine joggen gehen, ist weiter erlaubt.

Handball: Noch bevor die Bundes- und Landesregierung eine Entscheidung über die Fortführung des Amateursports getroffen haben, hat das Präsidium des Handballverbands Württemberg (HVW) aus der explodierenden Corona-Situation die Konsequenzen gezogen: "Der gesamte Spielbetrieb im Verbandsgebiet wird ab sofort ausgesetzt", erklärte Präsident Hans Artschwager schon am Mittwochmorgen in einer Pressemitteilung. Gleichzeitig kündigte er an, sich zeitnah mit der Planung der nächsten Wochen und Monate zu beschäftigen. "Wir werden schnellstmöglich Alternativen entwickeln." Es mache keinen Sinn, weiterzuspielen, "wenn nur noch 25 Prozent der angesetzten Begegnungen ausgetragen werden". So wurde am vergangenen Wochenende schon in vielen Ligen nicht mehr gespielt, da bei Beteiligung von Mannschaften aus Risikogebieten beide Teams einen Antrag auf Absetzung stellen konnten. Nun kommt also eine einheitliche Lösung.

Bei der MTG Wangen hat der Beschluss niemanden umgehauen. "Die Entscheidung war erwartbar", trägt es der Wangener Handball-Abteilungsleiter Matthias Vetter mit Fassung. Damit spricht er die getroffenen Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene an. "Wir leben nicht auf dem Planet der Glückseligen. Die Corona-Zahlen sind schon nach oben gegangen", meint er. Aber auch mit der Nachricht vom HVW, bis 28. November den Spielbetrieb einzustellen, rechnete er. Letztlich ist das aus der Sicht von Vetter auch nur logisch. Nach der Regelung, die Spiele in Risikogebieten freiwillig stattfinden zu lassen, gab es doch sehr viele Absagen. "Spätestens in zwei Wochen hätte man sich überlegen müssen, ob das Sinn macht. Am vergangenen Wochenende sind nur circa zehn Prozent der Spiele ausgetragen worden." Zugleich bedauert er die Unterbrechung. "Wir waren im Oktober voller Vorfreude und der Spielbetrieb ist auch gut gelaufen, wir haben Hygienekonzepte entwickelt. Es war nirgends Thema, dass der Sport ein Treiber wäre. Schade, dass wir aufhören müssen. Wir wollen spielen und unserem Sport nachgehen", so Vetter. Er kann den Handlungsdrang der Politiker jedoch verstehen und wünscht sich für alle den gewünschten Effekt. "Ich hoffe, die Lage beruhigt sich. Das würde uns allen gut tun. Dann kommt erst der Sport."

Um die MTG, das versichert er, muss sich niemand sorgen. "Wir sind gut aufgestellt und werden die Saison überleben – auch, wenn wir nicht spielen", sagt Vetter, dem die Trainings- und Spielpause aber für den Nachwuchs leid tut. "Wir haben über 450 Kinder und Jugendliche, für die das eine Freizeitbeschäftigung ist", betont er. Und hier hätte er sich auch eine andere Lösung gewünscht. "Wir finden es schlecht, dass wir die Kinder ohne Alternative heimschicken müssen." Wenn denn dann irgendwann der Handball wieder durch die Hallen geworfen werden darf, hat Vetter zudem insbesondere einen Wunsch: "Es wäre schön, wenn wir die geschriebenen Hygienekonzepte mitnehmen können und maximal nur leicht anpassen müssen. Wir sind alles Ehrenamtliche, haben einen gigantischen Aufwand betrieben und uns brutal Mühe gegeben. Das war ein Fulltimejob", so Vetter, der aber das Gegenteil befürchtet: "Ich habe große Angst davor, dass wir die Konzepte neu schreiben müssen. Das wäre demotivierend."

Fußball: Auch im Amateurfußball wird der Ball spätestens ab Montag vorerst nicht mehr rollen. Ob der Spieltag am kommenden Wochenende noch ausgetragen wird, ist offen. Der Württembergische Fußballverband (WFV) war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Geht es nach Fabian Hummel, sollte auf jeden Fall noch einmal gespielt werden, bevor es in den Lockdown geht. "Wenn man die Saison anschließend irgendwie zu Ende bringen möchte, sollte man alle Spiele, die möglich sind, noch durchziehen", meint der Manager des Fußball-Oberligisten FV Ravensburg.

Dass der Spielbetrieb aber unterbrochen werden wird, überrascht Hummel nicht. "Leider musste man damit rechnen, dass es so kommt." Natürlich könne er nachvollziehen, dass alles getan werde, um wichtige Bereiche wie die Wirtschaft und die Schulen am Laufen zu halten. Aber für ihn sei Freizeitsport ebenso systemrelevant wie Kulturveranstaltungen. "Es gibt auch ein Leben außerhalb des Berufs. Wenn die Menschen nur noch zu Hause sitzen dürfen, wird die Akzeptanz für die Einschränkungen sicher nicht steigen."

Er habe dafür plädiert, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten und auf Zuschauer zu verzichten. Dabei beruft er sich auf eine Studie des Deutschen Fußballbunds (DFB), wonach das Infektionsrisiko während des Sports sehr gering sei. "Wir haben alles Mögliche getan und Hygienekonzepte entwickelt, um das Risiko so gering wie möglich zu halten." Hummel kritisiert, dass die Vereine und ihre vielen ehrenamtlichen Helfer nun die Leidtragenden seien, dafür dass in der Gesellschaft die Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen immer mehr zurückgegangen sei. "Diejenigen, die mit viel Engagement in den letzten Monaten versucht haben, das gesellschaftliche Leben mit dem Amateursport am Leben zu halten, werden nun wieder eingeschränkt, weil viel zu viele die Regeln nicht eingehalten, beziehungsweise nicht eingesehen haben. Das ist sehr schade."

Eishockey: So sieht es auch Bernd Wucher, Vorsitzender des Eishockey-Oberligisten EV Lindau. Er geht zwar davon aus, dass die Eishockey-Oberliga mit ihren professionellen und semiprofessionellen Spielern dem Profisport zugerechnet wird und die Saison wie geplant am 6. November starten könnte, der Spiel- und Trainingsbetrieb der Jugendmannschaften aber wieder eingestellt werden muss. "Was tun wir unseren Kindern damit an? Für was haben wir seit Mai an den Hygienekonzepten gearbeitet? Für mich ist das die größte Katastrophe, die ich in 40 Jahren als Sportler erlebt habe", sagt der EVL-Vorsitzende sichtlich frustriert. "Der Sport ist so wichtig, um den Kindern Abwechslung von diesem bedrückenden Thema zu bieten."

Wucher macht sich nicht nur Sorgen um den Nachwuchs, sondern auch um den Fortbestand der Vereine. Er sieht die Gefahr, dass einige Eishallen ohne ausreichende Belegung nicht über den Winter weiterbetrieben werden. Zudem fehle den Profimannschaften, auch wenn sie spielen dürfen, wichtige Einnahmen, wenn die Zuschauer ausbleiben. "Das, was jetzt kommt, könnte für viel Clubs der Todesstoß sein. Die ganze Tragweite können wir noch gar nicht absehen." Ob die Oberliga unter diesen Voraussetzungen wirklich in acht Tagen in die Saison starten wird, sollen Gespräche der Clubs mit dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB) in den nächsten Tagen klären.

Die DEL2 um die Ravensburg Towerstars stellte hingegen gleich am Mittwochabend klar, dass die Liga nach wie vor am 6. November starten soll – zumindest den ganzen November über aber ohne Zuschauer. "Für alle ist die aktuelle Situation keine einfache. Wir sind in erster Linie froh, dass der Spielbetrieb im Profisport erhalten werden kann", sagte DEL2-Geschäftsführer René Rudorisch. "Das ist keine Selbstverständlichkeit, vor allem bei der Abhängigkeit von zuschauerabhängigen Einnahmen. Dennoch sehen wir den Start als wichtig an, im Sinne der Sportart, aber vor allem auch für unsere zahlreichen Spieler und Familien."

Aufrufe: 028.10.2020, 19:51 Uhr
Schwäbische Zeitung / Martin DeckAutor