2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview
Wie in alten Zeiten: Marek Mintal hat die Victoria mit zwei Toren zum Aufstieg geschossen. F: Beni Hofmann
Wie in alten Zeiten: Marek Mintal hat die Victoria mit zwei Toren zum Aufstieg geschossen. F: Beni Hofmann

Mintal: "Ich habe keinen Bock, wie ein Indianer zu wechseln"

Großes Interview mit dem "Phantom" des 1. FC Nürnberg +++ Auch nächste Saison bei Victoria Erlangen

Sein Herz schlägt für den Club: Marek Mintal (38) ist Bundesliga-Torschützenkönig, DFB-Pokalsie­ger, Vereins-Legende und nun Jugendtrainer beim 1. FC Nürn­berg. Das in Franken heimisch gewordene Phantom aber lauert auch noch auf dem Platz. Ein Gespräch über Tore in der A-Klas­se, verwöhnte Nachwuchskicker und den Traum von der Bundesliga.
Herr Mintal, etwas enttäuscht waren wir schon. Alle dachten, Sie holen sich im Trikot der Victo­ria Erlangen die Torjägerkanone der A-Klasse?

Marek Mintal: Habe ich, zwei Spiele, drei Tore.

Über die komplette Saison betrachtet reicht das nicht.

Mintal: In zwei Spielen schaffst du nicht so viele Tore. Zeitlich konnte ich einfach nicht häufiger dabei sein.

Waren Ihre Teamkollegen des­halb enttäuscht?

Mintal: Nein. Das war von Beginn an so geklärt, weil ich noch die Aufgabe als U19-Trai­ner beim 1. FCN habe. Da ist es mir nicht möglich, immer selbst zu spielen.

Für die wohl wichtigsten Parti­en am letzten Spieltag beim TSV Frauenaurach und in der Auf­stiegsrelegation gegen den TSV Röttenbach II hat es ja gereicht.

Mintal: Die Saison bei uns in der U19 war zu Ende. Da hatte ich ein bisschen Zeit. Das war dann auch eine Vertrauenssache, bei Victoria dabei zu sein.

Inwiefern?

Mintal: John Fröhlich (der Ver­einsvorsitzende der Victoria Erlangen, Anm. d. Red.) hat mir in meiner Profikarriere enorm geholfen. Wir haben in diesen Jah­ren engeren Kontakt gehabt, auch und in schwierigen Phasen, wenn ich verletzt war. Dann ist die Idee entstanden, nach der aktiven Kar­riere bei ihm zu spielen.

Das hatten Sie ihm verspro­chen?

Mintal: Ja, das war vor Jahren. Ich bin froh, dass alles so geklappt hat, auch mit dem Auf­stieg am Ende.

Dank Ihnen. Sie haben Victoria Erlangen in die Kreisklasse geschossen. Ist man da eigentlich stolz drauf, als Bundesliga-Tor­schützenkönig und DFB-Pokalsie­ger?

Mintal: Für mich war sofort klar in meinem Kopf wenn ich dort hinkomme, dann helfe ich. Helfen heißt für mich, mach’ bitte die Tore und gewinn’ die Spiele - egal ob es zwei, vier oder zehn sind. Das war für mich der erste und der wichtigste Punkt. Aber wenn dann das letzte Spiel kommt, die Relegation gegen Röt­tenbach, dann sage ich mir: Ich will auch diesen Aufstieg schaf­fen, für die Mitspieler, für diese Mannschaft.

"Für jedes Tor konzentriert arbeiten"

Am Abend des Aufstiegs konn­ten Sie nicht mitfeiern. Die Kin­der mussten ins Bett. Haben Sie das mittlerweile nachgeholt?

Mintal: Ich hatte den Sohne­mann dabei und musste am nächs­ten Tag als Trainer auf dem Platz stehen. Feiern ist nicht mein Ding. Ich lasse mich auch nicht feiern, ich war nur zwei Spiele dabei. Die Feier ist für das Team.

War das erste Spiel in der A-Klasse für Sie ein Kultur­schock?

Mintal: Ich habe das erlebt, wenn wir mit dem 1. FCN in der Sommervorbereitung die Freund­schaftsspiele hatten. Spiele auf so einem Rasen, in einem kleinen Stadion oder auf Dörfern sind für mich keine Wunder. Egal wie der Rasen ist, Spaß muss da sein. Und den hatte ich.

Geht man mit Amateurfußbal­lern anders um als mit Profis?

Mintal: Der erste Kontakt ist immer wichtig, das erste Gefühl. Das erste Mal mit Victoria Erlan­gen in der Kabine hatte ich ein ganz normales Gefühl. Eines ist klar: Ich muss mich einfach anpas­sen an diese Idee, dieses Spiel, die­se Philosophie, diese Qualität. Ich hatte keine hohen Erwartungen.

Sie meinen, Ihren Teamkolle­gen gegenüber?

Mintal: Dass es nicht die glei­chen Mitspieler wie in der Bun­desliga sind, das wusste ich von der ersten Sekunde an. Darum musst du auch den ein oder anderen Fehler akzeptieren.

Das schaffen Sie?

Mintal: Ich muss auch aufpas­sen, wie ich spiele. Wie scharf ich die Bälle spiele zum Beispiel. Aber wenn man etwas will, dann schafft man das auch.

Anpassen heißt: Nicht zu schnel­le Pässe, nicht zu kompliziertes Spiel?

Mintal: Genau. Warum sollte ich meinen Mitspielern Schwierig­keiten machen? Am Anfang habe ich zwei, drei Fehlpässe gespielt und dann dachte ich, okay, jetzt mach’ das ein bisschen lockerer, mit weniger Kraft.

Wie haben die Gegenspieler Sie behandelt? Ein­mal Marek Min­tal umgrät­schen ist sicher der Traum aller Abwehrspieler.

Mintal: Ich hatte vorher keine Erfahrung mit dieser Liga, wie hart die Spieler sind. Klar ist auch, dass mal jemand foult. Das ist ganz normal in diesem Spiel. Aber auch für das muss ich vorbe­reitet sein, muss ich im Kopf ein­fach schneller denken und wis­sen, was eventuell kommen kann. Das heißt für mich: Am Ball blei­ben und schnell reagieren. Alle haben sich aber auch sehr korrekt verhalten.

Können Sie etwas mit dem Pro­fi-Geschäft vergleichen?

Mintal: Wenn man auf diesem Niveau spielt, schauen dich die Leute und die Mitspieler an. Fast alle Sachen musst du genau so machen wie als Profi. Für jedes Tor musst du konzentriert arbei­ten.

Fallen Tore in der A-Klasse leichter?

Mintal: Es ist anders. Du bekommst nicht so vie­le Chancen. Die Qualität der Mit­spieler ist geringer. Und trotz­dem: Hast du ein, zwei Chancen, musst du Minimum ein Tor machen. In Frauenaurach habe ich einen Schuss 50 Meter neben das Tor gesetzt, zum Schluss aber zumindest noch das 3:1 gemacht.


Treffsicher: Marek Mintal (li.) hat in 180 Ligaspielen für den Club 66 Tore erzielt. 2004/05 war er Bundesliga-Torschützenkönig. F: Daut

Irgendwann Cheftrainer

In der Relegation gegen Rötten­bach haben Sie ganz am Anfang eine große Chance vergeben...

Mintal: Richtig. Aber kurz vor der Halbzeit und in der Verlänge­rung habe ich zweimal verwan­delt. Zwei aus drei Chancen.

Dem Club sind Sie immer treu geblieben, beim 1. FC Nürnberg trainieren sie die A-Junioren. Warum?

Mintal: Nach der Karriere habe ich die Möglichkeit bekommen, mich hier weiterzuentwickeln, ein Teil des Trainerteams zu sein. Ich wollte immer gerne weiter beim Fußball bleiben.

Wollen Sie mal ein Bundesliga-Team als Cheftrainer betreuen?

Mintal: Gute Frage. Irgend­wann will ich das. Ob es gleich die erste Liga wird, kann ich nicht sagen. Aber einmal Cheftrainer zu sein, das möchte ich schon selbst probieren.

Die Nachwuchsleistungszen­tren (NLZ) nehmen Jugendliche immer früher in Ausbildung. Machen die Profiklubs mit NLZ die kleinen Vereine kaputt?

Mintal: Wir wissen, heute kom­men nur die Besten weiter, egal in welcher Sportart. Das war, ist und bleibt auch in Zukunft so. Die kleineren Vereine müssen ihre besten Spieler verkaufen, das ist im Dorfverein so, in der achten Liga, in der zehnten und auch in der Bundesliga. Wenn ein Kind gut ist, und will und träumt und die Möglichkeit hat, muss man ihm die Chance einfach geben.

Die Chance hat das Kind nur, wenn es den Heimatverein ver­lässt und in ein NLZ geht?

Mintal: Es gibt viele Wege. Auch ein Spieler, der länger im Heimatverein bleibt, kann später entdeckt werden. Aber es ist leich­ter, wenn das Kind schon im NZL ist.

Wie meinen Sie das?

Mintal: Nicht das Training ist leichter. Aber der Weg ist nicht so schwierig wie von einem Dorfver­ein zu einem guten Zweit- oder Erstliga-Verein.

Viele junge Fußballer sind mitt­lerweile gleich gepolt. Man hat den Eindruck, dass sich ihre Per­sönlichkeit kaum individuell ent­wickeln kann. Achten Sie auf so etwas als Nachwuchstrainer?

Mintal: Das kommt auf den Trainer an. Jeder arbeitet mit den Jungs auf einem anderen Level. Mir geht es auch um den Charakter, die Entwicklung, was die Spieler wollen. Manche sind nur fokus­siert auf Fußball.

Wie ist das bei Ihnen im Team?

Mintal: In der U19 gibt es man­che, die sind so befreit, locker, ruhig. Andere sind enorm konzen­triert und denken immer: Ich muss, ich muss, ich muss. Das kann auch vom Berater oder den Eltern kommen.

Wie gehen Sie mit einem Spie­ler um, der so extrem verbissen ist?

Mintal: Wenn ich merke, der Spieler will etwas in seiner Karrie­re erreichen, dann mache ich viel. Aber du hast auch welche, die den­ken, sie sind die Besten und wis­sen bereits alles. Da bin ich ein bisschen vorsichtig und halte mich zurück. Natürlich möchte ich auch ihnen weiterhelfen. Aber wenn ich merke, es ist immer das Gleiche und es kommt nichts zurück, dann sage ich: Gehe dei­nen Weg, wenn du das meinst oder deine Eltern das meinen. Du kannst nicht mit 24 Leuten im Team guter Freund sein.

Als Trainer ist man nie der gute Freund, oder?

Mintal: Wenn ein Spieler spielt, dann ist der Trainer gut. Wenn ein Spieler nicht spielt, dann ist der Trainer böse. Das ist so, bei den kleinen Spielern, bei den Junioren und bei den Profis.

"Ich hasse soziale Netzwerke"

Geht es in der Ausbildung auch um den Umgang mit sozialen Netzwerken? Dort kann sich jeder Nachwuchs-Kicker selbst darstel­len – oder blamieren. Gerade an der Schwelle zum Profi birgt das ein gewisses Risiko.

Mintal: Für diese Frage bin ich empfindlich. Ich hasse diese Netz­werke, Instagram, Facebook, in denen die Spieler und Kinder sich wichtiger machen. Das nervt mich. Die andere Seite ist aber, du musst das eventuell machen, weil es auch die anderen machen. Das ist eine Kettenreaktion. Aber es stört mich, wenn ein Spieler sich im Internet so selbst beurteilt und schreibt, wie super er war und wie hübsch seine Freundin ist. Da werde ich ein wenig aggres­siv. Das ist alles nur für die Show.

Verbieten kann man das als Trainer nicht?

Mintal: Es gibt auch ein paar Spieler, die sich dafür nicht inter­essieren. Doch etwas zu verbie­ten, das funktioniert nicht. Höchs­tens für ein paar Stunden. Die Spieler machen sowieso das, was sie denken.

Talentierte Jugendfußballer werden von Beginn an extrem gefördert, trainieren auf Top-Plät­zen und in super ausgestatteten NLZ. Würde ihnen nicht auch ein Besuch, sagen wir in der A-Klasse gegen Frauenaurach, guttun?

Mintal: Die Spieler sind schon so aufgewachsen, dass sie nicht bereit sind, so einen Rückschritt zu machen. Die fragen sich: Warum sollte ich das machen? Manche Spieler sind dann ent­täuscht, beleidigt, sauer. Bei dem einen oder anderen wäre es tat­sächlich nicht schlecht, wenn er so etwas erlebte. Es ist auch wich­tig, mal hinzufallen und dann wie­der aufzustehen.

Kann man das als Jugendtrai­ner herbeiführen?

Mintal: Ab und zu musst du durchgreifen, hart bleiben.

Wie greift Trainer Mintal durch?

Mintal: Manchmal muss ich auch lauter werden, schreien. Aber alles hat seine Grenzen. Ich darf auch nicht vergessen, in wel­chem Alter die Jungs sind. Man­che sind sensibel. Die einen brau­chen mehr Zucker, andere mehr Pfeffer.

Wissen Sie, wann Ihr Vorbild, Roberto Baggio, seine Karriere beendet hat?

Mintal: Puh, keine Ahnung.

Aufgehört hat er im Alter von 37 Jahren. Sie sind 38.

Mintal: Fast schon 39!

Hängen Sie noch ein Jahr bei der Victoria dran?

Mintal: Ich bleibe bei John. Ich habe keinen Bock, wie ein India­ner jedes Jahr immer woanders­hin zu wechseln. Das macht kei­nen Sinn. Wie oft ich nächstes Jahr wieder dabei bin? Diese Fra­ge ist noch offen. Wo spielt die Vic­toria denn dann?

In der Kreisklasse.

Mintal: Ist das schon ein besse­res Niveau?

Ein bisschen.

Mintal: Das heißt, das wird anstrengend sein. Ich habe jetzt schon Angst (lacht). Der Spieler­pass aber bleibt in Erlangen.

Aufrufe: 02.8.2016, 10:36 Uhr
Katharina Tontsch (Erlanger Nachrichten)Autor