2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview der Woche

"Immer auf eine interessante Aufgabe gewartet"

Aydin Ay über die Zielsetzungen bei seinem neuen Team +++ Nach den ersten Gesprächen direkt ein gutes Gefühl gehabt +++ Zu SVG-Vergangenheit: "Bin im Reinen mit mir selbst"

Fast zweieinhalb Jahre war er ohne Trainerjob, nun ist Aydin Ay (33) zurück im Geschäft. Der frühere Übungsleiter des SV Gonsenheim (seit Juli 2011), der Ende August 2013 dort ziemlich überraschend zurückgetreten war, hat in der Winterpause den VfR Wormatia Worms II übernommen – gemeinsam mit seinem früheren Cotrainer am Wildpark, Niels Magin (34). Im Interview der Woche erzählt der ehemalige Regionalligaspieler, wie er die lange Zeit ohne Fußball verbracht hat, welche Ziele er sich in der Landesliga und darüber hinaus gesetzt hat und wie er über den SV Gonsenheim denkt.

Aydin, was sprach dafür, die Offerte der Wormser anzunehmen?

Ich habe immer auf eine interessante Aufgabe gewartet und hatte von dem Augenblick an, als die Wormser mich kontaktierten, ein sehr gutes Gefühl. Mich reizt diese Aufgabe, weil ich hier meine Ideen voll einbringen kann. Es ist, wie schon in Gonsenheim, wieder eine junge Mannschaft, die man entwickeln kann. Aber so eine Entscheidung ist auch immer personenbezogen. Der erste Anruf kam vom sportlichen Leiter Marcel Gebhardt, den ich schon lange kenne, ebenso wie Steven Jones, den Cheftrainer der Ersten. Und dass Niels wieder dabei ist, war natürlich auch ein ausschlaggebender Faktor.

Ihr wart in Gonsenheim bereits ein, zum Teil spielendes, Trainerduo und habt auch nach Eurem Aus am Wildpark sicher den Kontakt gehalten.

Ja klar, wenn man so eine intensive Zeit gemeinsam erlebt hat, bleibt man natürlich in Kontakt. Leider hat Niels es vergangene Saison mit dieser Mannschaft nicht geschafft, aufzusteigen, und musste dann seine Trainertätigkeit wegen seines Referendariats unterbrechen. Jeder weiß, das Referendariat sind keine Herrenjahre. Daher haben wir jetzt auch Maximilian Beck als spielenden Cotrainer mit hinzugeholt. Er ist schon jahrelang Jugendtrainer, kennt die Jungs gut und kann mir die Wege im Verein erleichtern.

Gab es in den vergangenen zweieinhalb Jahren Anfragen?

Ja, die gab es immer mal wieder, aber ich unterscheide zwischen Anfragen und Angeboten. Konkretere Angebote gab es nicht so viele, wie man sich das vielleicht vorstellt. Ich nehme an, dass ich Oberligatrainer war, hat viele aus niedrigeren Spielklassen abgeschreckt. Zwei, drei interessante Angebote gab es auch, aber das hat nie zu 100 Prozent gepasst. Ich hatte auch nicht den Druck unbedingt etwas machen zu müssen.

Andererseits werden die Trainer ja im Schnitt immer jünger, und so mancher macht mit Anfang 30 schon richtig Karriere. Hattest Du nie die Befürchtung, den entscheidenden Zug zu verpassen?

Druck habe ich nicht empfunden. Ich bin super gerne Trainer, aber ich bin weder finanziell noch von meinem Selbstwertgefühl her darauf angewiesen. Und man darf auch nicht vergessen, dass ich mit 29 Jahren schon Cheftrainer in der Oberliga war und dort einiges an Erfahrungen gesammelt habe. Und ich habe mich in den letzten zweieinhalb Jahren als Trainer und Persönlichkeit auch weiterentwickelt. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, wieder einzusteigen.

Weiterentwickelt in welcher Form? Hast Du weitere Lizenzen erworben?

Die Zeit, in der ich nicht Woche für Woche auf dem Platz stand, habe ich genutzt, um Dinge zu reflektieren, viele Spiele anzuschauen und die Entwicklung von Spielern und Mannschaften zu beobachten. Wenn man sich im Job von Spiel zu Spiel hangelt, bleibt kaum die Gelegenheit, eine solche, andere Perspektive einzunehmen. Aus beruflichen Gründen hatte ich bisher noch nicht die Zeit dazu, aber im Frühjahr werde ich die DFB-Elite-Jugend-Lizenz machen – den früheren B-Schein.

Du hast von der Zeit, Dinge zu reflektieren, gesprochen – war, im Rückblick, Dein Rücktritt in Gonsenheim die richtige Entscheidung oder doch etwas übereilt?

Ich will das gar nicht groß kommentieren. Was war, das war, ich hatte meine Entscheidung wohl überlegt getroffen. Und ich denke, für den Verein war es auch eine gute Entscheidung, wenn man die Entwicklung seither sieht.

Sind noch offene Wunden vorhanden oder bist Du mit allen am Wildpark im Reinen?

Im Fußball ist es immer so, dass man unterschiedliche Auffassungen hat. Ich bin im Reinen mit mir selbst, das ist mir das Wichtigste.

Mancher in Gonsenheim äußerte später die Kritik, unter Dir sei ein zu offensiver, zu wilder Spielstil vorgegeben gewesen. Wie lautet Deine Spielphilosophie nun in Worms?

Das ist mir ein bisschen zu kurz gegriffen. Wild haben wir nicht agiert, wir haben aber versucht, offensiven Fußball zu spielen. Dass das nicht immer funktioniert hat, ist mir auch klar, aber wir haben unter mir zweimal die Liga gehalten. Natürlich ist es einfacher, tief zu stehen, zu verteidigen und auf Fehler des Gegners zu warten. Meine Philosophie ist eine andere, wobei man als junger Trainer natürlich auch etwas engstirniger ist. Inzwischen sehe ich das etwas flexibler, aber ich werde schon offensiven Fußball spielen lassen. Es bringt ja auch nichts, eine U23-Mannschaft nur destruktiv agieren zu lassen. Die Spieler sollen sich entwickeln, und es bringt sie eher nach vorne, wenn sie agieren – und dabei auch Fehler machen dürfen.

Wie war Dein bisheriger Eindruck vom neuen Team?

Sehr gut. Meine Vorgänger haben hier sehr gute Arbeit geleistet. Was ich noch nicht so gut einschätzen kann, ist die Stärke der Liga. Aber die Mannschaft saugt alles auf, was man ihr an die Hand gibt. Das ist eine gute Basis, um eine erfolgreiche Rückrunde zu spielen.

Wie lange läuft die Vereinbarung zwischen Dir und dem VfR?

Erst einmal bis zum Sommer, um zu sehen, wie sich die Mannschaft entwickelt und ob die Zusammenarbeit klappt.

Welche Ziele hast Du Dir gesetzt?

Ich muss mir erst einen Überblick verschaffen. Das oberste Ziel ist, die Spieler für die erste Mannschaft in der Regionalliga zu entwickeln. Aber natürlich hängt die Leistungsentwicklung auch mit dem Erfolg zusammen. Den zweiten Platz wollen wir schon festigen.

Gibt es vom Verein die Zielvorgabe, aufzusteigen?

Das nicht, aber natürlich ist es der Wunsch des Vereins und auch der Mannschaft, aber das muss nicht sofort geschehen. Da spielen ja auch noch die anderen mit. Die Verbandsliga wäre natürlich gut, damit der Sprung in die Regionalliga nicht so groß ist.

Und welche Ziele verfolgst Du ganz persönlich noch als Trainer?

Ich habe schon in der Oberliga trainiert, es ist klar, dass ich dort wieder hin will. Diese Liga kenne ich sehr gut, da fühle ich mich wohl. Drei, vier Jahre Landesliga, das würde für mich keinen Sinn ergeben.

Aufrufe: 021.1.2016, 14:30 Uhr
Torben SchröderAutor