2024-04-25T14:35:39.956Z

Analyse
Kein Spieler, sondern der Trainer ist für den Courier der beste VfR-Mann der Hinrunde: Thomas Möller formte aus dem Nichts eine schlagkräftige Truppe, die in der SH-Liga auf Platz 11 überwintert. Foto: Schmuck
Kein Spieler, sondern der Trainer ist für den Courier der beste VfR-Mann der Hinrunde: Thomas Möller formte aus dem Nichts eine schlagkräftige Truppe, die in der SH-Liga auf Platz 11 überwintert. Foto: Schmuck

Droht dem VfR Neumünster eine Zitterpartie?

Neun-Punkte-Abzug verschlechtert eine eigentlich ordentliche Zwischenbilanz

Die Fußball-Geschichtsbücher hat der VfR in den nun knapp 106 Jahren seines Bestehens eigentlich zur Genüge gefüllt. Und doch gibt es an der Geerdtsstraße jedes Jahr etwas Neues, das dann auch wieder garantiert in die Annalen eingehen wird. Die laufende Saison liefert dabei sogar jede Menge Stoff. Denn nach dem Regionalligaabstieg in der Vorserie verließen bis auf Deniz Grothe, der 2014/15 einmal für 13 Minuten eingesetzt worden war, alle (!) Spieler den Verein.

Trainer Thomas Möller, der am 7. April des Vorjahres für Uwe Erkenbrecher gekommen war, stand vor der Herkulesaufgabe, ein völlig neues Team zusammenstellen zu müssen. Mit dem neuen Co-Trainer Sven Boy, wie Möller ein Ex-Zweitligaprofi und zuvor im Marketing der Schwartauer Zweitligahandballer tätig, bastelte er Tag und Nacht an einer Mannschaft, über der zu allem Überfluss auch noch ein Damoklesschwert schwebte, das am 12. November 2015 mit voller Wucht zuschlug: Wegen abermaliger Nichterfüllung des Schiedsrichtersolls waren Rasensport vor dem ersten Anstoß vom Kreisfußballverband (KFV) neun Punkte abgezogen worden. Der Verein legte Protest ein, scheiterte aber vor knapp zwei Monaten vor dem Sportgericht des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes (SHFV).

Wenigstens blieb Lila-Weiß der sportliche Super-GAU erspart, wurde doch vom selben Gericht ein Urteil des KFV aufgehoben: In erster Instanz war die Reserve (aktuell ungeschlagener Tabellenführer der Kreisliga) vom Spielbetrieb ausgeschlossen worden und darf nun doch weitermachen, nachdem sie zuvor ,,auf Bewährung" mitgewirkt hatte. Der Courier blickt auf den bisherigen Saisonverlauf des VfR in der Schleswig-Holstein-Liga zurück.

Die Lage
Real hat der VfR 31 Zähler geholt, das würde Platz 6 bedeuten. Der Neun-Punkte-Abzug sorgt allerdings dafür, dass Rasensport mit 22 Zählern nur auf Rang 11 zu finden ist - einen Platz vor dem Ortsrivalen PSV, der bei einer weniger absolvierten Partie drei Punkte weniger und das um 24 Treffer schlechtere Torverhältnis aufweist. Lediglich vier Zähler trennen Lila-Weiß vom 14. Rang, der eventuell nicht zum Klassenerhalt berechtigen wird. Vor dem ersten Regelabstiegsplatz haben die ,,Veilchen" fünf Punkte Vorsprung.

Die Stärken
Die mannschaftliche Geschlossenheit ist immens. Mit einer 1a-Menschenführung haben Möller und Boy ein Team zusammengeschweißt, in dem jeder für den anderen da ist. Vom ersten Anpfiff an wurde von der Multikulti-Elf - eingesetzt wurden Kicker aus sieben verschiedenen Nationen - ehrlicher Fußball geboten. Auch hat der VfR eine Heimstärke entdeckt, die ihn sehr gut in die Saison kommen ließ (sechs Spiele, fünf Siege).

Die Schwächen
Lange Zeit waren nicht wirklich Schwächen auszumachen, ehe in den fünf Spielen vor der Winterpause (nur ein Sieg und der auch noch mühevoll mit 4:3 beim Schlusslicht FC Reher/Puls) ein Substanzverlust spürbar wurde. Die Mannschaft kassierte nun ,,ohne Ende" Gegentore, war abschließend mit einem 1:4 beim Aufsteiger Oldenburger SV noch allerbestens bedient. Zuletzt war Rasensport nicht mehr in der Lage, sich aus schwierigen Situationen zu befreien.

Die Neuen

Angesichts des total neu zusammengewürfelten Kaders verbietet es sich per se, in dieser Rubrik eine Bewertung der Transferpolitik vorzunehmen. Nur so viel: Mehrere Spieler schlugen voll ein. Zu Korsettstangen avancierten besonders Torwart Yilmaz Caglar, die Verteidiger Franck Momo und Enmanuel Rivera, Mittelfeldmann Paulinus Igbokwe sowie die beiden Offensivkräfte Ugur Dagli und Selcuk Tidim. Erfreulich: Gleich acht (!) Spieler bestritten alle bisherigen 18 Partien; darunter auch Defensivmann Philipp Lorenzen, der aus der eigenen A-Jugend kam und den neuen Weg der ,,Veilchen" verkörpert.

Die Sorgen
Der Kader ist viel zu klein, die Bank bietet herzlich wenige Alternativen. Der VfR kann froh sein, dass mit der aus Heide geholten Galionsfigur Sebastian Sältz (Kreuzbandriss) und dem talentierten Bulgaren Iliq Katalski (Bänderriss im Sprunggelenk) nur zwei Leistungsträger länger verletzt ausfielen. Haupttorschütze Tidim (zehn Treffer) zog sich nach dem letzten Spiel einen Innenbandanriss im Knie zu und nahm diese Blessur in die Pause mit. Kaum auszudenken, wenn sich der 23-Jährige eine solche Verletzung mitten in der Saison geholt hätte.

Das Umfeld
Mit zwei ,,Neuen" im Vorstand (2. Vorsitzender Bernd Hagen für Siegfried Guder, Schatzmeister Thorsten Wandelt für Olaf Schließeit) kamen interessante Leute, doch ging mit ihnen das beim VfR bekannte Bäumchen-wechsle-dich-Spiel auf den Führungspositionen munter weiter. Da es sich bei Hagen und Wandelt um ,,Spezis" des 1. Vorsitzenden Gerd Grümmer handelt, besteht die Hoffnung, dass in fröhlichen Runden der Club in eine sichere Zukunft geführt werden wird. Besonders von Bauunternehmer Hagen verspricht man sich bei Rasensport eine Menge. Schließlich soll ja der A-Platz gedreht und eine Tribüne errichtet werden. Nach dem Abbau der alten Stahlrohrkonstruktion gibt es aktuell nur Stehplätze - der zweifelhafte Charme eines viel zu weitläufigen Uralt-Stadions aus den 1950er-Jahren ist zurück. Positiv war zuletzt die Nachricht, dass der Verein Verbindlichkeiten in Höhe von rund 150 000 Euro auf nun 212 000 Euro abgebaut hat.

Fazit und Prognose
Der VfR muss aufpassen, nicht noch ein blaues Wunder zu erleben. Die Mannschaft hat lange über ihre Verhältnisse auf Topniveau gespielt und in entscheidenden Momenten das Glück auf ihrer Seite gehabt. Ein guter Start nach der Winterpause ist vonnöten, soll die Serie nicht noch zu einer Zitterpartie mutieren. Grundsätzlich ist Rasensport stark genug, um mindestens fünf Teams hinter sich zu lassen. Spannend bleibt auch das ortsinterne Rennen mit dem PSV. Seit 1951 sind die ,,Veilchen" in Fußball-Neumünster ununterbrochen die Nummer 1. Lila-Weiß kann gerne darauf verzichten, am Ende der Saison als neuer Kronprinz hinter den ,,Polizisten" in die Annalen einzugehen.
Aufrufe: 07.1.2016, 11:30 Uhr
SHZ / Arne SchmuckAutor