Fußball ist heutzutage ein hartes Geschäft. Das ist nicht erst seit vergangenem Samstag bekannt, als 53000 HSV-Fans Hakan Calhanoglu auspfiffen, weil dieser dem Club erst ewige Treue geschworen hatte, nur wenige Wochen später aber diese Ewigkeit relativierte und mit viel Drama nach Leverkusen wechselte. Doch auch bei den Amateuren wird munter hin- und hergewechselt, weil die Currywurst nach dem Spiel umsonst ist oder der Vorsitzende des Nachbarclubs mit einer kleinen Punkteprämie lockt.
Der VfL Nürnberg ist allerdings einer jener Vereine, der dieses Spiel nicht mitmachen kann und will. Umso entschiedener gehen die Herren im Kassenhäuschen des VfL das Eintrittsgeld eintreiben, diesmal von 75 Zuschauern, die das Kreisliga-Spiel gegen den 1. FC Kalchreuth sehen wollen. Selbst die verdutzten Spieler im Trainingsanzug des Gegners kommen da nicht ungeschoren davon und auch eine vorbeilaufende Dame, die normalerweise freien Eintritt hat, wird spaßeshalber gefragt, ob sie sich ausweisen kann, um ihr Geschlecht nachzuweisen. Auf einen Sonderpreis hofft ein Mann, der fünf Minuten vor Ende der ersten Halbzeit kommt, vergebens, mit Verhandlungsgeschick kann er den Preis dann aber doch um einen Euro drücken.
„Andere Mannschaften können Spieler mit etwas Geld anlocken, wir versuchen das über Beziehungen und die Jugendarbeit aufzufangen“, sagt Spielertrainer Roman Drescher und ergänzt: „Es ist aber schon ein Unterschied zwischen der A-Klasse, wo unsere zweite Mannschaft spielt, und der Kreisliga. Und der Sprung aus der A-Jugendkreisgruppe zu den Herren ist auch nochmals deutlich höher“.
Als Entschuldigung für die zuletzt schwachen Auftritte seiner Elf möchte Drescher diese Problematik aber nicht verstanden wissen. Trotzdem: Dass es diese Saison so schlecht laufen würde, hätte der Trainer nach seinem ersten Jahr, das auf einem gesicherten zehnten Tabellenplatz abgeschlossen wurde, nicht gedacht. „Der Kader ist eigentlich sogar besser als letztes Jahr, wir schlagen uns aber immer wieder selbst“, sagt der ehemalige Club-Jugendspieler, für den der Verein an der Salzbrunner Straße die erste Trainerstation ist. Aktuell steckt der 29-Jährige mit dem VfL nämlich mitten im Abstiegskampf.
Im Spiel am Sonntag gegen den Tabellendritten Kalchreuth erkämpfte sich die Mannschaft immerhin ein 1:1-Unentschieden, nachdem es zuletzt ein doch sehr bedrohliches 0:5 gegen Raitersaich und eine 6:0-Klatsche beim Post SV gesetzt hatte. „Nach den zwei Niederlagen war das auf jeden Fall ein Schritt nach vorne“, sagt Drescher. Den Kalchreuther Führungstreffer durch Timo Heck glich der VfL durch einen sehenswerten Distanzschuss von Johannes Winterhalter in der 68.Minute aus. Mit etwas mehr Glück wäre am Ende, nach einer Roten Karte gegen Kalchreuths Branko Mircetic, sogar noch der Sieg drin gewesen. Aber Agostino Luongo scheiterte kurz vor Schluss ebenfalls per Distanzschuss am gut aufgelegten Kalchreuther Keeper Arthur Ockert. Ein Punkt immerhin — aber kein Befreiungsschlag.
Die branchenüblichen Mechanismen des Profigeschäfts wenn die Ergebnisse nicht stimmen, sind übrigens auch längst in die Kreisligen geschwappt. Drescher weiß das. Und der Abstieg in die Kreisklasse wäre nach vier Jahren Kreisliga „für den Verein schon schlimm“, wie es Abteilungsleiter Willi Windirsch formuliert. Uneingeschränkte Treueschwüre vermeidet er daher kurz nach Spielende: „Ein paar Partien haben wir ja noch. Wir müssen schauen wie es bis zur Winterpause aussieht. Das Heimspiel nächste Woche müssen wir unbedingt gewinnen“, sagt er. Drei Punkte — egal wie, lautet die Devise, egal, ob in der Bundes- oder in der Kreisliga. Auch die geforderten Tugenden sind die gleichen: „Schön spielen ist da nicht gefragt“, weiß Drescher, „Hauptsache du gewinnst am Ende.“