2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
– Foto: picture alliance/dpa

„Wer Spannung sucht, wird hier eher fündig als in anderen Ligen“

Gerrit Holtmann im Interview

Im Interview mit der NORDSEE-ZEITUNG hatte Gerrit Holtmann noch seine Torquote bemängelt. Doch im Heimspiel gegen die Würzburger Kickers ließ der aus Bremerhaven stammende Fußball-Profi des VfLBochum dann seinen ersten Saisontreffer folgen. Das Interview lest ihr hier:

Von Dietmar Rose
Für Gerrit Holtmann waren die ersten Wochen im Trikot des Fußball-Zweitligisten VfL Bochum ernüchternd. Im Auswärtsspiel beim Karlsruher SC sah der Bremerhavener die Gelb-Rote Karte, weil er sich bei seiner Auswechslung nach Ansicht des Schiedsrichters zu viel Zeit ließ, den Platz zu verlassen. Anschließend verlor der 25-jährige Offensivspieler seinen Stammplatz beim Revierclub. Dieses Tief ist inzwischen abgehakt, Holtmann spielt mit den Bochumern um den Erstliga-Aufstieg mit. Das ehemalige Talent des JFV Bremerhaven spricht im Interview mit Dietmar Rose über die Chancen des VfL, seinen Trainer Thomas Reis und einen emotionalen Höhepunkt im DFB-Pokalspiel gegen seinen Ex-Club Mainz 05.

Gerrit, das Rennen um die Meisterschaft in der 2. Liga verspricht so spannend zu werden wie seit Jahren nicht mehr. Glauben Sie, dass die Teams auf den ersten vier Tabellenplätzen die Aufsteiger unter sich ausmachen werden oder behalten Sie auch die Verfolger noch im Blick? In dieser Zweiten Liga ist grundsätzlich vieles möglich. Insofern muss man auch die Verfolger im Blick behalten, wozu auch noch Hannover, Heidenheim oder Paderborn zählen könnten. Man sieht ja, dass eine Serie von vier, fünf Siegen am Stück einen weit nach vorne katapultieren kann. Aber die ersten vier haben schon konstant gepunktet, und auch die unmittelbaren Verfolger aus Karlsruhe und Düsseldorf haben kürzlich schon solch angesprochene Serien hingelegt, so dass sie in Schlagdistanz sind.

Was spricht aus Ihrer Sicht für den VfL Bochum? Wir haben eine gute Mannschaft und einen guten Teamgeist. Zudem haben wir es geschafft, die Ausschläge nach unten so gering wie möglich zu halten. In der Liga haben wir bis dato noch nicht zweimal hintereinander verloren und haben es zudem geschafft, auch innerhalb der Spiele Rückschläge in Form von Rückständen wegzustecken und die Partien zu drehen. Deshalb wollen wir nach der Niederlage in Aue gegen Würzburg (Soonnabend, 13 Uhr/Sky, Anmerkung der Redaktion) wieder in die Erfolgsspur zurückkehren und die Punkte in Bochum behalten. Wir sind eine schwer zu bespielende Einheit, die selber in der Lage ist, das Spiel zu gestalten.

Die Bilanz der Zweitligisten in der Relegation ist ernüchternd. Wenn der VfL Dritter werden sollte: Reicht nach Ihrer Einschätzung die Qualität, sich in zwei Spielen gegen den Erstligisten durchzusetzen, der ja auch Hertha BSC heißen könnte? Wir haben bisher gut daran getan, uns immer nur auf die nächstgelegene Aufgabe zu konzentrieren. Daran werden wir auch nichts ändern. Insofern habe ich wie meine Teamkollegen derzeit nur die Partie gegen Würzburg im Blick. Wir werden am Ende sehen, was dabei herumkommt. Generell lässt sich aber festhalten, dass sich der Bundesligasechzehnte zuletzt gegen den Dritten der Zweiten Liga enorm schwergetan hat. In den letzten vier Relegationsspielen gab es meines Wissens keinen Sieg der Bundesligisten. Union Berlin ist gegen Stuttgart aufgestiegen, für Werder Bremen haben die Auswärtstore in Heidenheim knapp gereicht.

Sie haben letztmals 2016 bei Eintracht Braunschweig in der 2. Liga gespielt. Wie hat sich die Liga aus Ihrer Sicht entwickelt? Sie ist noch ein Stück weit enger zusammengerückt. Das sieht man derzeit an der Tabellenspitze: Vier Mannschaften mit der identisch hohen Punktzahl 42 gab es zum jetzigen Zeitpunkt der Saison noch nie in der 2. Bundesliga! Und dabei reden wir zwar vom hohen Favoriten HSV, aber auch von Fürth, Kiel und dem VfL Bochum. Die Mannschaften, die man dort hätte erwarten können – Düsseldorf, Paderborn, Hannover, Nürnberg, Heidenheim – sind zum Teil in ganz anderen Regionen unterwegs. Und dass viele der genannten Mannschaften in der Lage sind, gepflegten Fußball zu spielen, spricht auch für die 2. Bundesliga. Wer Spannung sucht, wird eher hier fündig als in anderen Ligen.

Den Saisonstart mit der Gelb-Rot-Sperre und einigen Spielen ohne Kadernominierung hätten Sie sich wohl anders vorgestellt. Was hat den Umschwung gebracht, dass Sie sich doch wieder einen Stammplatz erobern konnten? So kurios die Gelb-Rote Karte zustande gekommen ist, so blöd war sie auch. Ich war heilfroh, dass die Mannschaft diesen Bärendienst noch auffangen konnte und die drei Punkte mit nach Hause genommen hat. Beim nächsten Spiel, ausgerechnet in Braunschweig, lief es auch nicht so toll. Danach musste ich mir meinen Platz im Kader zurückholen, was ich letzten Endes auch geschafft habe. Der Trainer legt sehr viel Wert auf das, was er im Training angeboten bekommt. Zur Story gehört aber auch dazu, dass wir erst mit dem Sieg beim HSV als Mannschaft gesehen haben, was möglich ist. Es war auch das Spiel, wo ich nach meiner Pause zum ersten Mal wieder in der Startelf gestanden habe.

Stimmt der Eindruck, dass Ihnen die offensivere Rolle in Bochum entgegenkommt? In Paderborn und Mainz sind Sie ja auch oft in der Viererkette zum Einsatz gekommen. Gegen diesen Eindruck würde ich mich nicht wehren. Es ist schon so, dass ich von Hause aus Offensivspieler bin. Glücklicherweise musste ich in Bochum noch nicht auf der defensiveren Position spielen, auch wenn ich damit klarkäme, wenn Not am Mann ist und der Trainer mich dafür vorsehen würde.

Sind Sie mit Ihrer Saisonbilanz nach ihrem Wechsel im Sommer zufrieden? Sie haben noch keinen Ligatreffer erzielt, drei Tore vorbereitet, Ihre „Kicker“-Durchschnittsnote beträgt 3,28. Da ist noch Luft nach oben. Das weiß ich und das ist auch schon Gegenstand von Besprechungen geworden. Immerhin konnte ich durch mein Tor im DFB-Pokal in Mainz dazu beitragen, dass wir eine Runde weiterkamen. Aber dass ich noch erfolgreicher sein kann, sowohl als Torschütze als auch als Vorlagengeber, ist mir bewusst. Wobei ich jederzeit den persönlichen Erfolg hinten anstelle, wenn wir als Mannschaft punkten, am besten dreifach.

Der Zweitrunden-Erfolg im DFB-Pokal bei Mainz 05 war für Sie sicher ein emotionaler Höhepunkt. Was denken Sie über Ihre Zeit bei den 05ern? „Ein emotionaler Höhepunkt“ trifft es haargenau. Dass wir am Ende weitergekommen sind, war dann die Krönung des Ganzen. Die Zeit in Mainz hat mich definitiv weitergebracht, sowohl menschlich als auch fußballerisch. Ich bin den damals Verantwortlichen sehr dankbar, dass sie mir die Chance eröffnet haben, zum ersten Mal in der Bundesliga zu spielen.

Sie haben in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Trainern wie Torsten Lieberknecht, Martin Schmidt und Steffen Baumgart gearbeitet. Welche Rolle spielt VfL-Coach Thomas Reis für Sie? Unser Trainer Thomas Reis ist ein sehr geradliniger Mensch. Er hat in der vergangenen Saison eine Mannschaft übernommen, die es sehr schwer hatte in der Zweiten Liga. Und aus dieser Situation heraus hat er ein Team entwickelt, das um den Aufstieg mitspielen kann. Diese Leistung verdient Anerkennung. Die Geradlinigkeit, die er vorlebt, versuchen wir auch auf den Platz zu bringen, durch schnelles Umschalten.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Sportlich sind Sie beim VfL angekommen. Haben Sie sich auch schon in Bochum eingelebt? Das Einleben wurde ja durch die Corona-Pandemielage ein wenig verhindert. Ich kenne zwar schon die eine oder andere Ecke in Bochum, aber so richtig hat es ja noch nicht sollen sein. Auch nicht an meinem Wohnort Düsseldorf. Aber mit dieser Problematik hat man ja derzeit fast überall zu kämpfen. Und es ist angesichts der Gesamtlage, die ernst genug ist, auch nicht von Vorrang, ob ich mich nun eingelebt habe. Die Wohnung ist schön, wir sind zufrieden und nach wie vor gespannt, was das Leben hier zu bieten hat, wenn wir alle wieder zu einer relativen Normalität zurückkehren können.

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Aufrufe: 01.3.2021, 07:45 Uhr
Nordsee-Zeitung/ dirAutor