2024-04-25T14:35:39.956Z

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F: Waldemar Inger
F: Waldemar Inger

"Kann Mentalität grundsätzlich schwer nachvollziehen"

Kurz vor dem Ligafinale sprechen wir mit VfB-Uerdingen-Coach Trainer Stefan Rex über die Lage im Abstiegskampf, Loyalität und die Situation im Krefelder Fußball

Stefan, der Abstiegskampf ist spannend wie selten. Ganz klar gefragt, wer schnappt sich den Relegationsplatz und wer bleibt drin?

Stefan Rex Ich glaube, dass die vorigen Wochen klar gemacht haben, dass jegliche Prognose keinerlei Sinn macht. Es waren schon so häufig Teams abgeschrieben, und Sonntag für Sonntag hat sich das Blatt gewendet.

Wirklich verdient hat es kein Team, denn alle haben sich mit Händen und Füßen gewehrt. Obendrein ist es auch so, dass sportlich jedes Team Respekt verdient hat, und da werde ich sicherlich keinen Tipp abgeben oder ein Team benennen, das absteigt. An der Stelle möchte ich auch TuRa Brüggen noch mal herzlich gratulieren. Was die Jungs um Trainer Jacob Scheller geleistet haben, ist herausragend.

Wie siehst Du eure Chancen?

Rex Wir werden alles versuchen am letzten Spieltag. Das liegt nicht mehr in unserer Hand. Die Stimmung beim Training am Freitag war trotzdem absolut positiv. Auch wenn wir definitiv zu wenig Punkte geholt haben in den letzten vier Begegnungen, hätten alle Spiele mit etwas Glück im Abschluss auch anders ausgehen können. Selbst gegen Repelen und Giesenkirchen war mehr drin. Gegen Budberg hat der gegnerische Torwart einen klasse Job gemacht. Und gegen TDFV vergibt erst Jonas Kremer eine Riesenchance und dann verschießt Chris Claeren einen Elfmeter. Zwei Jungs, die diesen Verein lieben und sicherlich nix extra machen. Vier Minuten später bekommst du einen Elfmeter rein, den Fabian Mertens sogar fast gehabt hätte. So ist nun einmal Fußball. Es zeigt aber auch, dass wir uns nie aufgegeben haben.

Ihr hatten zwischenzeitlich eine starke Phase in der Rückrunde, warum konntet ihr daran zuletzt nicht anknüpfen?

Rex Wir konnten genau in dieser Phase zum ersten Mal in der Saison relativ identisch auflaufen, was sich dann auch sofort bezahlt gemacht hat. Leider war es danach permanent notwendig, wichtige Leute ersetzen zu müssen. Der Knackpunkt war ein wenig das Spiel in Brüggen, wo wir eigentlich sehr gut drauf und endlich mal eingespielt waren und plötzlich Alex Haybach und Jonas Kremer ersetzen mussten. Da haben wir den Faden etwas verloren. Dann ging es weiter: Sören Höffler und Giulio Wies fehlten wochenlang. Michele Pernice fehlt inzwischen seit fünf Wochen, Jonas Kremer ist leider mehrfach in der Saison ausgefallen. Obendrein fehlt Abwehrboss Alex Haybach seit vier Wochen. Das ist für uns nicht mal eben aufzufangen. Auch wenn es die Mannschaft wirklich versucht, das nicht zu nah an sich ran zu lassen. Diese Ausfälle machen was aus, dass sieht man selbst bei Teams wie Repelen oder Tönisberg, die jeweils eine tolle Saison gespielt haben und wo ohne die Ausfälle vermutlich noch viel mehr drin gewesen wäre. Das liegt auch gar nicht ausschließlich an der Person des Spielers, sondern daran, dass man immer wieder und wieder alles umstrukturieren musste. Ein 1:1-Tausch ist da kaum möglich.

Warum sollte dein Team die Klasse dennoch halten?

Rex Weil diese Mannschaft aufgrund des extremen Umbruchs von Beginn an die schwierigsten Umstände hatte und trotzdem noch immer eine Chance auf den Klassenverbleib hat. Dafür belohnt zu werden hat sie verdient. Viele Spieler haben Ligen durch ihren Wechsel zu uns übersprungen oder mussten sich aus langen Verletzungen zurückkämpfen. Ich habe einen großen Respekt davor, dass sich die Truppe immer wieder auffängt. Zehn Monate Abstiegskampf sind kein Spaßbesuch im Freizeitpark. Da ist das Frustrationslevel permanent vorhanden. Es gab nie eine entspannte Phase, um sich ohne extremen Druck entspannt finden zu können. Die Jungs, die es durchgezogen haben, haben sich aber nie aufgegeben. Und das, obwohl die Teamstruktur aufgrund der vielen Sommer- und Wintertransfers natürlich sehr neu und nicht völlig vertraut untereinander ist. Davor ziehe ich den Hut, und aus diesen Gründen glaube ich auch an diese Jungs.

Wie geht man als Trainer mit der Anspannung im Abstiegskampf um?

Rex Ich bin so unglaublich lange im Trainerzirkus dabei, ich kann da für meinen Teil gut mit umgehen. Und das gilt auch für die Personen, die unmittelbar mit mir arbeiten. Jetzt ist es so, dass wir von Beginn keine Illusionen hatten und uns klar war, dass die Saison eine große Herausforderung wird. Mit Ewald Gedigk als Co-Trainer und meinem Präsidenten Holger Dick sind wir alle drei zusammen ein extrem erfahrenes Gespann und nicht naiv. Wir sind auch mal nach einer Niederlage kurzzeitig niedergeschlagen, weil wir wirklich viel investieren an Kraft und Zeit, aber dann werden die Arme wieder hochgekrämpelt und weiter geht es. Man beschäftigt sich aber auch nicht viel mit sich selbst, weil es um die Jungs und das Ziel geht. Das Einzige, was mich nervt, ist die Tatsache, dass nicht jeder Fußballer die richtige Einstellung zum Sport hat. Aufzugeben, vor Herausforderungen oder Konkurrenzkampf wegzulaufen, ist inzwischen keine Seltenheit mehr. Ich habe in den vorigen Wochen mit sehr vielen Kollegen darüber gesprochen, und dies ist einfach ein besorgniserregender Trend. Daran gehe ich echt kaputt. Ich stelle mich selbst auch mit hohem Fieber an die Seitenlinie und käme nie auf die Idee, mittendrin in Urlaub zu fahren oder so. Ich sage immer aus Spaß, dass ich selbst an meiner eigenen Hochzeit mittags ein Spiel coachen würde, und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass dies so wäre. Daher kann ich mit dieser Mentalität schwer leben. Das hat aber im Grunde nix mit dem Abstiegskampf zu tun, sondern ist grundsätzlich etwas, was ich schwer nachvollziehen kann.

Solltet ihr absteigen, was bedeutet das für den VfB?

Rex Das es auch eventuell nicht reichen könnte in dieser Saison, war uns allen in der sportlichen Führung früh bewusst. Wir sind darauf vorbereitet und die Planungen laufen schon lange für beide Ligen. Es macht einen zwar schon traurig, weil wir viel versucht haben, aber wir gehen erhobenen Hauptes. Wir haben es nach der Reform der Ligen länger geschafft, uns gegen den Abwärtstrend zu wehren, als fast alle anderen Krefelder Vereine. Wir hatten zwei Landesligaaufstiege, haben sechs der letzten acht Stadtmeisterschaften gewonnen und durften für die Sport Bild eine Doku mit Lothar Matthäus drehen. Das alles war mit den überschaubaren Möglichkeiten, die der VfB als kleiner Verein hat, alles andere als selbstverständlich. Je stärker die umliegenden Städte wurden, umso schwieriger wurde es, auf dem Niveau zu bleiben. Das war vor allem nach dem jüngsten Landesligaaufstieg vor vier Jahren immer stärker zu bemerken.

Wie genau meinst Du das?

Rex Kein Krefelder Team hat diese Saison bis zum Ende um den Aufstieg in die Bezirksliga oder Kreisliga A mitspielen können. All diese Plätze gingen an Teams außerhalb unserer Stadtgrenzen. Rund um Krefeld haben sich mit Teutonia St.Tönis und dem TSV Meerbusch zwei Vereine derart stark aufgestellt, dass selbst ihre Zweite stärker ist, als viele Erste Mannschaften von Krefelder Vereinen. Der Kreis Moers ist was den Spielermarkt angeht eng an Krefeld herangerückt, und das gilt auch für Viersen. Aktuell sind Krefelder Vereine unglaublich schwer in der Lage, dort mitzuhalten. Erstens fehlt in Krefeld das entsprechende finanzielle Engagement, und zweitens sind viele Anlagen in einem extrem schlechten Zustand. Der Krefelder Fußball ist aktuell leider eine graue Maus, und das wird auch in den anderen Kreisen so wahrgenommen.

Trotz allem bist Du in 23 Jahren Trainerdasein ja immer in Krefeld bzw. aktuell seit langem beim VfB geblieben. Warum hat es Dich nicht woanders hingezogen als Trainer?

Rex Zunächst einmal bin ich gebürtiger Krefelder, und dies ist und bleibt meine Heimat. Daher liegt mir der Fußball in dieser Stadt sehr am Herzen. Weiterhin bin ich damit aufgewachsen, dass man einem Verein seine Treue und Loyalität schenkt. In meinem Fall ist das aktuell der VfB Uerdingen. Mein Vater hat sein ganzes Leben nur für einen Verein die Schuhe geschnürt, nämlich den VfR Fischeln. Von der Jugend über viele Jahre in der Ersten Mannschaft, wie später auch in der Traditionself. Bis heute geht mein Vater zum Stammtisch der Fischelner. Mein Bruder, der aktuell Kapitän beim SV St.Tönis ist, hatte ebenfalls nur wenige Stationen. Das ist in unserer Familie einfach typisch. Für mich war es vollkommen normal, dass man nicht immer wechseln muss, nur weil mal was nicht rund läuft. Es läuft in keinem Verein immer rund und natürlich auch nicht beim VfB. Aber es gibt auch viele Leute, die mir dort viel bedeuten. Allen voran ist Präsident Holger Dick ein großartiger Partner und auch Freund. Der Verein hat ihm wahnsinnig viel zu verdanken und ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, ihn irgendwann im Stich zu lassen. Aber wie gesagt, ich bin so auch erzogen worden. Und ehrlich gesagt finde ich das ein gutes Vorbild, was mein Vater uns da gegeben hat. Das soll nicht ausschließen, dass es mich mal woanders hinführt, bislang habe ich diesen Impuls aber nicht gehabt.

Wie könnte man die Situation in Krefeld denn schlagartig verbessern?

Rex Schlagartig gar nicht. Das ist ein Prozess, der vermutlich zehn bis 15 Jahre dauert, wenn das überhaupt ausreicht. Durch die maroden Anlagen hat ja auch vor allem der Nachwuchs sehr gelitten. Die notwendige Zeitspanne, bis wir mal wieder vier oder fünf Bezirksligisten in Krefeld haben und parallel zwei Landesligisten, kann ich im Moment wirklich nicht greifen. Und das ist unglaublich schade, weil wir mal eine tolle Stadt im Amateurfussball waren. Aktuell ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Teutonia St.Tönis und der TSV Meerbusch von Oberliga bis Kreisliga A alle Ligen mit Teams besetzen können. Das darf man auch nicht falsch verstehen. Was man in diesen beiden Vereinen an Arbeit geleistet hat, verdient jeden Respekt. Ich möchte damit nur deutlich machen, dass nur wenige Kilometer von Krefeld entfernt die Uhren völlig anders laufen.

Aufrufe: 01.6.2019, 23:55 Uhr
VfB UerdingenAutor