2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview

Sören Brandy: „Ich will einfach ohne Zwänge kicken!“

2019 beendet Sören Brandy bei Arminia Bielefeld seine Profikarriere, jetzt kehrt er zu seinem Stammverein VfB Schloß Holte zurück. Der Stürmer spricht über Heimat und Siegprämien.

Haben Sie sich schon den gleichen Platz in der Kabine gesichert wie vor 25 Jahren?
SÖREN BRANDY (35): Nein, ich bin ja schon mit 10 Jahren vom VfB weggegangen und hatte damals noch kein Anrecht auf die Kabine der 1. Mannschaft. Aber ich werde sicher ein schönes Plätzchen finden.
Wie kam es zu Ihrer Rückkehr zum VfB Schloß Holte?
Das war ein Prozess. Ich bin 2019 mit einer Verletzung ins Vertragsende bei Arminia gegangen. Zuerst habe ich mir offengehalten, ob ich im bezahlten Fußball weitermache. Es gab auch Angebote aus der 3. Liga oder der Regionalliga, aber irgendwann war klar, dass ich mit meinem Knie nicht mehr auf hohem Niveau spielen kann. Ich habe dann mein Lehramtsstudium, das ich vor meiner Profizeit begonnen hatte, wieder aufgenommen. Ich hatte zudem immer Kontakt zu VfB-Co-Trainer Marcel Rogalla, der in der Jugend mein bester Kumpel war. Und als ich 2019 zur 100-Jahr-Feier wieder einmal beim VfB war, war das ein Gefühl von Heimat. Als es dann ernst wurde, haben sich Kossi (Trainer André Koslowski, d. Red.) und Mike (Obmann Mike Middeke, d. Red.) sehr um mich bemüht. Ich habe dann ein bisschen überlegt, ob mein Körper das noch mitmacht und dann zugesagt.

Geht es Ihnen darum, Ihren Körper fitzuhalten, oder nur um den Spaß?
Bisher habe ich es auch so geschafft, keine 10 Kilo zuzunehmen. Ich habe ja auch relativ lange Reha gemacht. Klar spielt aber auch der gesundheitliche Aspekt eine Rolle – zumindest eine kleine.

Haben Sie schon eine Siegprämie ausgehandelt?
Zwei, drei Bierchen nach jedem Spiel sind sicher frei. Das ist es, worauf ich mich mit am meisten freue: Einfach kicken ohne die Zwänge, die es im Profifußball gibt.



Wenn Sie an Ihre VfB-Zeit als Bambini oder E-Junior zurückdenken, was kommt Ihnen spontan in den Sinn?
Ich bin 400 Meter vom Sportplatz entfernt aufgewachsen. In jeder freien Minute habe ich die Pille auf den Gepäckträger gepackt, um mit meinen Freunden zum VfB zu fahren und auf dem Nebenplatz zu spielen. Der war damals noch aus Asche. Fallrückzieher habe ich dort trotzdem gelernt. Wenn ich heute am Sportplatz vorbeifahre, ist das einfach ein schönes Gefühl. Meine Mutter wohnt ja immer noch in Schloß Holte. Die freut sich übrigens auch, dass ich wieder beim VfB bin.

Es gibt ein Foto mit Ihrer E-Jugend-Mannschaft, auf dem Sie nach einem Pokal greifen. Können Sie sich noch an diesen Tag erinnern?
Es gibt ein, zwei Bilder, die ich vor Augen habe. Ein paar habe ich auch auf dem Handy. Das muss nach einem großen Turnier in Gronau gewesen sein, als wir ein paar Bundesligavereine rausgeworfen haben und Zweiter geworden sind. Wir hatten eine wirklich gute Mannschaft zusammen, die alles weggeschossen hat (die VfB-E-Junioren wurden 1994/95 ungeschlagen Kreismeister, d. Red.).

Als Sie in der D-Jugend zum FC Gütersloh gegangen sind und später mit 17 Jahren bereits bei den Männern in der Oberliga gespielt haben – hat man da eine Profikarriere vor Augen oder ist das zu weit weg?
Klar, jeder Jugendliche träumt doch davon, Profi zu werden. Mit 14 oder 15 Jahren werden dann aber oft andere Dinge interessanter und man ist abgelenkt. Ich hatte aber immer den Fußball im Blick. Trotzdem hatte ich eine gute Jugend, in der ich nicht auf alles verzichten musste. Bei mir war es eher so: Wenn meine Kumpels Samstag, Sonntag und Montag auf Pollhans waren, bin ich eben nur montags hingegangen. Ich bin auch nicht den klassischen Weg durch ein Nachwuchsleistungszentrum gegangen. Als ich 2006 bei Holstein Kiel meinen ersten Profivertrag unterschrieben habe, war ich auch schon 21.

Insgesamt waren Sie 13 Jahre Profifußballer. Fast jeder aus dem Profigeschäft sagt, dies sei die schönste Zeit überhaupt gewesen. Geht es Ihnen auch so?
Dafür bin ich vielleicht noch nicht weit genug weg. Ich habe noch regelmäßig mit ein paar Jungs von Arminia zu tun, soweit das in Coronazeiten möglich ist. Für mich hat gerade ein neuer Lebensabschnitt begonnen, vielleicht kann ich in zehn Jahren etwas dazu sagen. Klar, die Profizeit war schon cool. Oft weiß man das gar nicht richtig zu schätzen. Man hat ein geiles Leben mit allen Höhen und Tiefen. Bei mir waren es mehr Höhen. Wenn der Körper irgendwann nicht mehr so mitmacht, werden aber auch die Täler größer.



Sie halten in der 2. Bundesliga einen sehr speziellen Rekord . . .
Ja, das stimmt. Ich habe 2015/16 bei Union Berlin in den ersten fünf Saisonspielen jeweils Gelb gesehen und war im sechsten Spiel gesperrt. Und am 7. Spieltag gab es für mich wieder Gelb. Ich weiß gar nicht, ob ich darauf stolz sein kann. Aber ich glaube schon, denn dieser Rekord steht für meine Spielweise. Ich bin kein Filigrantechniker, sondern eher ein arbeitender Fußballer. Ich bin auf dem Platz emotional, ohne unfair zu sein und habe viel mit den Schiris gequatscht. Irgendwann war ich bei denen als "Aggressive Leader" bekannt und habe schneller Gelb gesehen.

Peilen Sie diesen Rekord auch in der Bezirksliga an?
Nein. Aber ich glaube, dass die Umstellung sehr groß wird und mich ein komplett anderes Spiel erwartet. Ich will vor allem Spaß haben, aber wenn ich auf dem Platz stehe, will ich natürlich auch gewinnen. Der VfB hat eine junge Truppe, der ich meine Erfahrungen weitergeben will. Unfaire Mittel wären da fehl am Platze.

In der Bezirksliga erwartet Sie ein heißes Stadtderby gegen Schwarz-Weiß Sende.
Ja, darauf freue ich mich. Ich kenne diese Derbys noch von früher und von den Spielen, in denen mein Bruder Torben für Sende gespielt hat. Und ich kenne viele der Jungs, die in Sende unterwegs sind.

Torben hat in der vergangenen Saison 18 Tore für Sende geschossen. Wollen Sie diese Marke toppen?
Die Frage nach den Saisontoren ist mir oft gestellt worden und ich habe sie nie beantwortet. Für mich ist wichtig, Spaß zu haben und der Mannschaft zu helfen. Auch wenn das im Profifußball eine Floskel ist: Ich war immer ein Teamplayer und habe es nie darauf angelegt, viele Tore zu schießen. Wenn ein Mitspieler besser steht, spiele ich lieber quer, als das Tor selbst zu machen.

Ihr Markenzeichen sind die relativ kleinen Schienbeinschoner und die rutschenden Stutzen. Brauchen sie demnächst größere Schoner, weil sie in der 7. Liga mehr auf die Socken bekommen?
Ich kann immer noch ganz gut hochspringen, wenn der Gegenspieler zur Grätsche ansetzt. Was das Thema Schoner betrifft, habe ich in der 2. Liga einiges erlebt. Viele hatten noch kleinere, manche sind mit Pommesschalen in den Strümpfen aufgelaufen, andere haben ihre nach dem Anpfiff ins Seitenaus geworfen. Ich habe es nie gemocht, meine Stutzen ganz hochzuziehen. Damit habe ich mich immer eingeengt gefühlt.
Aufrufe: 06.1.2021, 11:00 Uhr
Markus VossAutor