2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview
– Foto: Dennis Bellof

Interview-Staffel: Steven Schmelter

+++ KOL Gießen/Marburg Nord +++ Neue Gesprächsserie +++ Weiter geht es mit Steven Schmelter vom FV Wehrda +++ Befragter nominiert nächsten Kandidaten +++

Was sich hinter der Serie namens „Interview-Staffel“? verbirgt, haben wir zu Beginn der Serie geklärt. Warum er sich im Trainingslager am Gardasee plötzlich die Hände wund schrieb und woran die Torschussübung mit Anatoliy Tymoshchuk letztendlich scheiterte, erfahrt ihr hier im Interview mit Steven Schmelter, der völlig überraschend in dieser Saison gegen Eckelshausen sein Comeback im Trikot des Kreisoberligisten FV Wehrda feierte. Den Staffelstab hat er jedenfalls bereits übergeben. Ach so, einzige Regel bei der „Übergabe“: Man darf nicht direkt zurück zum Vorgängerverein überleiten. So kommen hoffentlich alle mal dran.

Hallo Steven. Dann wollen wir mal.


Hallo. Tatsächlich bin ich sehr überrascht gewesen, dass mich Phillip nominiert hat, da ich gar nicht mehr so groß aktiv bin, weil ich beruflich sehr viel unterwegs bin. Ich habe Ende 2018 aufgehört, denn ich bin im Außendienst für technische Spezialprodukte fast überall in Deutschland, von Sylt bis zum Bodensee, unterwegs. Deshalb lohnt sich das Fußballspielen zeitlich nicht mehr so für mich. Im äußersten Notfall helfe ich allerdings gerne. Phillip meinte aber, dass ich vieles zu erzählen habe, sodass ich mich auf das Interview freue. (Lacht.)


Dann bin ich mal gespannt, was du so alles zu erzählen hast. Beim Blick auf euren Kader bei FuPa ist mir aufgefallen, dass alle vier Torhüter, wo du auch zugehörst, mindestens drei Einsätze haben. Gibt es bei euch keine feste Torwart-Hierarchie oder wie ist das zu erklären?


Ich hol noch einmal kurz aus und sage etwas zu meinem sportlichen Werdegang für dein Verständnis. Danach komme ich auf deine Frage zurück (lacht). Es gibt einmal die Zeit als aktiver Torwart und einmal die als Torwarttrainer. Ich bin im Kreis Marburg aufgewachsen und hatte meine Hochzeit von 2011 bis 2016 beim TSV/FC Korbach in der Verbandsliga Nord. Dort war ich auch Kapitän. Dann habe ich allerdings für mich gesagt, dass ich mein Studium intensivieren sollte, da ich mit dreimal Training in der Woche plus Spiel am Wochenende zeitlich sehr eingespannt war. Ich stand dann mit Harry Preuß, dem damaligen Trainer, und Sascha Nahrgang, dem damaligen Sportlichen Leiter, vom SV Bauerbach in Kontakt, sodass ich dann dort hin gewechselt bin. In der Gruppenliga stand ich dann jede Minute auf dem Feld, ehe die Anfrage vom FV Breidenbach aus der Verbandsliga kam. Und natürlich habe ich mir die Chance nicht nehmen lassen, mit dem Breidenbacher Jungen, Felix Baum, der gerade im Kreis weltbekannt und der Stürmer schlechthin ist, zusammenzuspielen. Harry Preuß ist dann zum VfB Marburg gewechselt und hatte mich dann angesprochen, da ich ja schon einmal mit ihm zusammengearbeitet hatte, sodass ich zum VfB Marburg gewechselt bin, wo ich Ende 2018 dann auch aufgehört habe. So viel zu meiner aktiven Torwartkarriere.

Dann gibt es ja noch die als Torwarttrainer (lacht), die ich aufgrund von Hendrik Lapp, dem jetzigen Trainer des SV Bauerbach, 2014 begonnen habe. Parallel zu meiner aktiven Laufbahn habe ich dann zwei Jahre bis 2016 Torwarttraining beim VfB Marburg gegeben, ehe ich erneut zwei Jahre lang die U16 und U17 vom VfB Gießen trainiert habe. Ich habe dort allerdings aufgehört, als sich der FC Gießen gründete und deutlich mehr Torwarttraining verlangte. Das habe ich zeitlich nicht hinbekommen, sodass ich zur Saison 2017/18 bei FV Wehrda das Torwarttraining übernommen habe.

Und jetzt kommen wir auch wieder zu deiner Frage (lacht). Es gab vor der Saison einen offenen Dreikampf zwischen Fabian Beilborn, Markus Bierau und Arian Shehu. Nach der Vorbereitung hat mich dann Sascha Nahrgang nach meiner Einschätzung gefragt, woraufhin ich Beilborn als den Fittesten zu dem Zeitpunkt fand, der dann auch als Nummer 1 gestartet ist. Dann waren er und auch Markus, der glaube ich etwas am Kreuzband hatte, verletzt. Arian hat dann für unsere zweite Mannschaft gespielt, sodass es gegen Eckelshausen zu meinem Comeback kam. Seitdem sind wir so verblieben, dass ich helfe, wenn Not an Mann ist, aber die drei es ansonsten unter sich ausmachen sollen.


Vielen Dank für deine Ausführlichkeit. Ich habe von deinen Sympathien zum FC Bayern gehört. Wie hat dich Oliver Kahn als Torwart in deiner eigenen Spielweise geprägt?


Ja das stimmt. Damals war man weit weg von Manuel Neuer und dem modernen Torwartspiel. Mitspielen war damals kein Thema. Gerade Oliver Kahns Präsenz und seine Charakteristika waren für einen so kleinen Jungen wie mich damals sehr imponierend. Er hat ja dieses „Chef im Ring sein“ quasi verkörpert, weshalb ich auch unbedingt in der Jugend ins Tor wollte. Er war in der Jugend einfach mein Idol. Man wollte natürlich auch so wie er der Platzhirsch sein. Präsenz und Chef zugleich zeigen und sein. Das sind auch zwei Sachen, die ich meinen Jungs beim Torwarttraining auch immer beibringen wollte, da ich finde: Was früher gut war, muss jetzt nicht unbedingt schlecht sein. Ich nenne es gerne „die gesunde Arroganz“, also keine Überheblichkeit, aber eben mehr als Selbstbewusstsein. Das man eben an sich und seine Stärken glaubt und selbst der Beste ist. Das hat Kahn perfektioniert.


Kommen wir zur nächsten Frage, den Übergang hast du mir durch deine Fan-Liebe sehr leicht gemacht. Wie kam es in deinem Italienurlaub zu einer mehr oder weniger freiwilligen Autogrammstunde?


(Lacht.) Das hat der Phillip erzählt? Das weiß er noch? Der ist ja gut (lacht). Das war 2010 am Gardasee. Bayern München hatte da zu der Zeit immer ihr Trainingslager. Damals war Louis van Gaal noch der Trainer und Christian Nerlinger der Sportdirektor des Rekordmeisters. Und die Spieler des FC Bayern hießen Andreas Ottl, Danijel Pranjić und Anatoliy Tymoshchuk. Die deutschen Nationalspieler waren nämlich noch bei der WM in Südafrika. Ich habe diesen Urlaub zu meinem 20. Geburtstag geschenkt bekommen und wie es der Zufall wollte, waren wir im selben Hotel wie die Profis untergebracht. Als wir dort dann ankamen, hieß es, sie seien ausgebucht und unsere Reservierung würde untergegangen sein, weshalb sie uns in denselben „neuen“ Trakt, wo die Spieler des großen FC Bayern München schliefen, unterbrachten. Morgens bin ich dann aus meinem Zimmer gegangen und vor jedem Zimmer lagen die Trainingsanzüge der Spieler, aber leider nicht vor unserem (lacht). Aber aufgrund desselben Traktes hatten wir gemeinsam Mittag oder auch Abendessen, sodass wir mit den Spielern schon in Kontakt kamen. Ich muss sagen, die waren alle sehr entspannt und mit Ivica Olić konnte man echt viel Spaß haben. Die Spieler haben einen Platz weiter, in Trentino, trainiert, sodass man von dem Hotel immer erst einmal ein kleines Stückchen fahren musste. Da wir allerdings in der Suite im FCB-Trakt untergekommen sind, haben wir blaue Bändchen bekommen, die uns den Zugang zur Pressetribüne, wo dann die ganzen Pressevertreter von ARD usw. standen, erlaubten. Neben dem Trip zum Gardasee hatte ich ein Trikot mit meinem Nachnamen, sprich Schmelter, und der Nummer 1 sowie die passende Hose und Stutzen geschenkt bekommen, die ich natürlich dann auch beim Zuschauen des Trainingslagers trug. Ich bin dann mit meiner kompletten Torwart-Ausrüstung, also dem weißen Trikot wie es sonst Michael Rensing hatte, der Hose und den Stutzen plus Flip-Flops zum Training gegangen. Dann stand ich also neben den Presseleuten auf der Tribüne, ehe sie nach dem Training auf den Platz zu den Spielern durften. Ich bin dann auch mit auf den Platz gegangen, als dann die Security-Leute kamen, wobei einer auf Englisch meinte, dass ich doch ein Spieler bin. Ich habe dann das natürlich bejaht und plötzlich stand ich neben den Bayern-Spielern auf dem Feld. Anatoliy Tymoshchuk kannte mich ja noch vom Essen, sodass ich dann zu ihm ging und ihn fragte, ob er mir ein paar Bälle auf das Tor schießen könne. Wegen meinen Flip-Flops und der Sicherheit konnte er es allerdings nicht machen, sonst hätte er es gerne gemacht, meinte er. Wir sind dann weg gegangen vom Trainingsplatz, als dann auf einmal eine ganze Traube an italienischen Kindern auf mich zu kam und ein Autogramm von mir wollte. Damals war es noch nicht so weit mit den Smartphones, weshalb man nicht einfach nach mir googeln konnte. Ich denke aber, dass sie mich für einen Spieler aus der 2. Mannschaft gehalten haben, da ja in dem Trainingslager viele auch von denen des FC Bayern dabei waren, die man sonst nicht so wirklich auf dem Schirm hatte. Erst wollte ich nicht unterschreiben, aber als dann die Eltern kamen und mir einen Stift in die Hand drückten und ich mich gar nicht mehr wehren konnte, unterschrieb ich mit Schmelter 1. Es wurden immer mehr und dann kamen auch noch Fotos dazu. Also für zwei bis drei Minuten war das echt schön und auch lustig, aber danach war das schon sehr anstrengend. Deshalb kann ich die Profis auch verstehen, wenn jeder ein Autogramm oder Bild von einem möchte. Ich bin trotzdem freundlich geblieben, aber dass ist dann auch irgendwann nicht mehr also leicht. Und das Verblüffende ist: ich war gar kein Spieler (lacht).


Das ist wirklich eine lustige Geschichte, die dir sicherlich keiner mehr nehmen kann. Bleiben wir beim Thema Humor. Wenn du eine Süßspeise wärest, welche wärest du und warum?


Auf jeden Fall ein Spaghetti-Eis, weil es einfach unfassbar lecker ist. Mit ganz viel Soße und noch viel mehr Streuseln. Ich bestelle das immer bei meinem Eismann in Cappel, wo man die Soße, und es ist viel Soße, vor lauter Streuseln nicht sieht (lacht). Mehr ist mehr ist das Motto. Ich habe auch immer versucht, on top, also nie zufrieden zu sein. So war es auch beim Fußball, selbst wenn ich zu null gespielt habe, habe ich nach Verbesserungen geschaut. Umso mehr umso besser.


Heute ist es aber sehr “bayernlastig“. Erst Kahn, dann deine unfreiwillige Autogrammstunde als Bayerns „neue“ Nummer 1 und jetzt das Thema der Woche: Manuel Neuer hat seinen Vertrag verlängert, die Kaufoption des vom FC Barcelona geliehenen Coutinho wurde nicht gezogen. Wie siehst du die Entwicklung der Bayern in Bezug auf die Kaderzusammenstellung? Und wen würdest du zur neuen Saison kaufen?


Jetzt wo es wieder losging, beim Spiel gegen Union Berlin und auch gegen Eintracht Frankfurt, hat man schon gemerkt, dass ein Franck Ribéry oder ein Arjen Robben, also eben das unberechenbare, fehlt. Also eben die Magic Moments, nach dem Motto: Gib denen den Ball und dann passiert schon etwas. Man muss aber sagen, dass die Entwicklung mit Hansi (Hans-Dieter; d. Red.) Flick, der eher als Co-Trainer überall bekannt war, sehr gut ist und der Erfolg gibt ihm ja auch definitiv Recht. Ich würde aber schon sagen, dass ein Leroy Sané durch seine unberechenbaren Aktionen den Kader des FC Bayern steigern würde. Mein zweiter Kandidat wäre Kai Havertz von Leverkusen, weil er einfach super flexibel ist. Der kann auf der Sechs, der Zehn, aber auch auf den Außen spielen. Für die Entwicklung wäre der ganz große Coup auf jeden Fall schön, also wenn es mal wieder mit dem Champions League Finale klappt. An sich sehe ich die Entwicklung positiv, wobei die anderen Vereine wie der BVB, Leverkusen oder auch Gladbach auch nicht auf dem Baum schlafen. Unter Niko Kovac war allerdings ein Abwärtstrend im Fußballerischen zu erkennen. Nach dem 7:2 gegen Tottenham haben alle Juchu geschrieben, aber danach ist es spielerisch abgeflacht, weshalb der Schritt zu Flick gut war. Dennoch denke ich, dass zwei Neuzugänge dem FCB gut zu Gesicht stehen würden und auch wichtig für die Entwicklung sind.


Jetzt haben wir aber ganz schön viel gesprochen. Ich hoffe du hast noch genügend Puste für deine Nominierung. Wen nominierst du, den wir deiner Meinung nach mit Fragen durchlöchern sollten?


(Lacht). Ich nominiere den Hendrik Lapp, wenn man auch Trainer nominieren darf. Er ist der jüngste Cheftrainer der Verbandsliga, sodass er auch deshalb einiges zu erzählen hat. Außerdem habe ich ihm einiges zu verdanken, da ich durch ihn mit dem Torwarttraining angefangen habe.

Aufrufe: 028.5.2020, 13:10 Uhr
Louis LambertAutor