2024-04-16T09:15:35.043Z

Allgemeines
Benennt die Probleme der Regionalliga: Thomas Schikorra, Vorstandssprecher des VfB Lübeck, wirtschaftet unter schweren Bedingungen. cje
Benennt die Probleme der Regionalliga: Thomas Schikorra, Vorstandssprecher des VfB Lübeck, wirtschaftet unter schweren Bedingungen. cje

Regionalligisten im ständigen Kampf gegen die Pleite

Finanzen: Das schwere Überleben in der 4. Liga

Verlinkte Inhalte

In der vergangenen Woche haben wir an dieser Stelle festgestellt, dass der VfB Lübeck und der künftige SC Weiche Flensburg 08, die den Sprung in die 3. Liga anpeilen, bislang im Rahmen ihrer Möglichkeiten sportlich überzeugende Arbeit abliefern. Doch was heißt das eigentlich? Wie stellen sich die Möglichkeiten in Lübeck und Flensburg dar? Wie ist die finanzielle Basis? Und wie sieht die im Vergleich zu anderen Drittliga-Anwärtern oder gar zur 3. Liga selbst aus? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns im zweiten Teil unserer Serie. Der dritte in der kommenden Woche nimmt die Infrastruktur unter die Lupe.

Finanzen in der Regionalliga

Sowohl der VfB Lübeck als auch der ETSV Weiche arbeiten derzeit, ohne sich in Schulden zu stürzen. Das ist in der Regionalliga alles andere als selbstverständlich. Der VfB hat das bereits am eigenen Leib erfahren und zwei Insolvenzen hinter sich. Und auch beim Blick in andere Ligen tun sich hier und da finanzielle Abgründe auf. So meldete im Westen unlängst Alemannia Aachen zum zweiten Mal Insolvenz an, Kellerkind Sportfreunde Siegen beantragte aus finanziellen Gründen keine Lizenz mehr. In der Nordost-Staffel zieht sich der Lübecker Nachbar FC Schönberg 95 am Saisonende zurück, weil der Hauptsponsor sein Engagement einstellt.

„Bis auf die U 23-Vertretungen und zwei oder drei andere Vereine droht allen Clubs permanent die Pleite. Man hält meist nur irgendwie den Kopf über Wasser“, sagte Hajo Sommers, Präsident von West-Regionalligist Rot-Weiß Oberhausen, unlängst. Im Spannungsfeld zwischen den lukrativen Profiligen und ihren TV- und Sponsoren-Geldern überleben ambitionierte Vereine in der Regionalliga entweder auf der Schwelle zur Insolvenz oder aber durch die Unterstützung von einzelnen Förderern. Letzteres ist auch in Lübeck und Flensburg der Fall. Gäbe es nicht einige fußballverrückte Mitglieder im VfB-Aufsichtsrat und im Weicher Wirtschaftsrat, die auch private Gelder in den Sport investieren, wäre derzeit mehr als Regionalliga-Mittelmaß an beiden Standorten unmöglich, langfristig vielleicht nicht einmal das. „Wir bewegen uns in der schwierigsten Spielklasse“, sagt Weiches Geschäftsführer Harald Uhr. „Wenn man Ambitionen hat, schließt man jedes Jahr im Normalfall mit einem Verlust im operativen Geschäft ab.“

Auch um sich mittelfristig aus dieser Abhängigkeit zu befreien, ist der Aufstieg in Flensburg wie auch in Lübeck das erklärte Ziel. „Die Regionalliga ist für ambitionierte Vereine eine Todesliga“, erklärt Thomas Schikorra, Vorstandssprecher des VfB Lübeck. „Entweder man steigt irgendwann auf. Oder man muss die Investitionen zurückfahren.“ Kommt man von unten in die 3. Liga, ist angesichts von TV-Geld und großer überregionaler Präsenz für Sponsoren ein Überleben ohne Mäzenatentum möglich. „Ich habe beim Lizenzantrag einen Drittliga-Etat aufgestellt und kam auf 2,1 Millionen Euro“, sagt Uhr. „Damit bewegt man sich im untersten Rahmen. Aber das wäre refinanzierbar. Mehr nicht, denn man muss ja auch einkalkulieren, dass man wieder absteigen könnte.“

Auch aus diesem Grund schreckt Weiches Macher vor hohen Personalkosten im organisatorischen Bereich zurück und übernimmt selbst ehrenamtlich fast jeden Bereich der Planung. „Wenn ich Leute einstellen würde, ginge das auf Kosten der Kaderqualität“, erläutert er. „Außerdem hat man eine soziale Verantwortung. Wenn man jemanden einstellt, kann und darf man ihn nicht einfach so wieder entlassen.“

Die Zuschauereinnahmen

Mit den Geldern, die der normale Zuschauer ins Stadion bringt, lässt sich ein Regionalliga-Etat nicht finanzieren. Auch nicht beim VfB Lübeck, wo der Zuschauerschnitt mehr als doppelt so hoch liegt wie in Flensburg. Der Verkauf von Dauer- und Tageskarten zu den Regionalliga-Punktspielen macht rund 15 Prozent des Lübecker Etats aus. Weil auch der Verkauf der VIP-Karten und Logen hinzu kommt, erhöht sich der Wert noch einmal um rund 100 000 Euro. In dieser Saison sorgte zudem noch das DFB-Pokal-Spiel gegen St. Pauli für eine satte Zusatzeinnahme, wobei die Zuschauereinnahmen weitgehend von den Sicherheitskosten „aufgefressen“ wurden.

Mit einer signifikant größeren Zuschauerresonanz ist erst dann zu rechnen, wenn der VfB auch in der heißen Saisonphase um den Aufstieg mitspielt. „Die Leute kommen in Lübeck nur, wenn es etwas Besonderes gibt“, glaubt Schikorra und erinnert an zahlreiche Anfragen beim St.-Pauli-Spiel oder auch an den überraschenden Ansturm beim Regionalliga-Aufstiegsspiel 2014 gegen FT Braunschweig, als plötzlich 7000 Fans kamen. Ein richtiger Sprung wäre somit eine Klasse höher zu erwarten: Für die 3. Liga hätte der Verein vorsichtig einen Schnitt von 3500 Besuchern angesetzt, der angesichts von zahlreichen attraktiven Gegnern und riesiger Medienpräsenz vollkommen realistisch erscheint.

In Flensburg ist die Situation noch schlechter. „1000 Zuschauer bräuchte der ETSV auch in der Regionalliga, um halbwegs über die Runden zu kommen“, rechnet Uhr vor. „Bei uns sind es zurzeit nur gut die Hälfte. Man muss auch einen Grund haben, um zu investieren – die Leute müssen das annehmen.“ Ein Versuch, die Zuschauerzahlen zu steigern, soll mit der Installation einer überdachten Sitzplatztribüne gemacht werden. Erfahrungswerte, ob zumindest Drittliga-Fußball in Flensburg angenommen würde, gibt es nicht.

Die Werbeeinnahmen

Hier ist der zentrale Aspekt für nahezu jeden Regionalliga-Etat zu sehen. Ambitionen lassen sich nur über Sponsoren untermauern. In Lübeck hat man es geschafft, in den vergangenen Jahren nach der zweiten Insolvenz im Dezember 2012 nach und nach kleine Steigerungen zu vollziehen. „Hier und da haben wir mit den Nachwirkungen der Vergangenheit zu kämpfen“, weiß Schikorra. „Wir müssen uns das Vertrauen nach und nach verdienen.“ Der Verein hat in den letzten vier Jahren alles realistisch Mögliche dafür getan. 110 große und kleine Sponsoren tragen inzwischen zum Erfolg des Vereins bei. „Es wäre schön, wenn sich auch mal die Großen der Lübecker Wirtschaft zeigen würden“, sagt VfB-Aufsichtsratschef Dietmar Scholze.

„Wir bewegen uns voran, wenn auch in kleineren Schritten als wir uns wünschen würden“, ergänzt Schikorra. In dieser Beziehung ist man in Weiche glücklicher. „Mit der Entwicklung unseres Sponsorenpools bin ich sehr zufrieden“, betont Uhr. Rund 50 Mitglieder hat der Kreis der Förderer. „Allein in dieser Saison haben wir rund 100 000 Euro zusätzlich eingeworben.“ Inzwischen seien beim ETSV auch Sponsoren außerhalb Flensburgs dabei, beispielsweise aus Nordfriesland.Wirklich wettbewerbsfähig sind der VfB (rund 350000 Euro) und Weiche (rund 380 000 Euro) durch ihre Sponsoren allerdings im Spitzenfeld der Liga nicht. Das ist nur durch andere Zuwendungen möglich. Gönner wie die Aufsichtsräte Oliver Bruss und Ralf Dümmel helfen dem VfB seit Jahren, den Etat ausgeglichen zu halten. In dieser Saison fließen geschätzte 300 000 Euro an Spenden aus den privaten Taschen. Indirekt erhöht sich so der Zufluss an Sponsorengeldern auf 650 000 Euro.

In Flensburg sorgen Uhr selbst und andere Mitglieder des Wirtschaftsrats für diesen Ausgleich des Etats.Zum Vergleich: Spitzenreiter SV Meppen kann – ohne private Gönner – in diesem Jahr mit knapp einer Million Euro Werbeeinnahmen planen. „Dort ist der Verein sichtbar das sportliche Aushängeschild der Region und hat in den vergangenen Jahren in Ruhe eine Basis aufbauen können“, vergleicht Schikorra. In der 3. Liga liegt schon ein durchschnittlicher Aufsteiger bei rund zwei Millionen Euro aus dem Topf der Sponsoren. „In unseren Gesprächen, die wir im Rahmen des Drittliga-Lizenzantrags geführt haben, war zu spüren, dass die 3. Liga sofort ein ganz anderes Interesse auslöst“, erzählt Schikorra. „Das gilt sowohl für aktuelle Sponsoren als auch für solche, die sich derzeit nicht bei uns engagieren.“ Uhr hat Ähnliches festgestellt.

Die Kosten des Kaders

Neben den Ausgaben für die Rahmenbedingungen, die je nach Struktur des Vereins sehr unterschiedlich ausfallen (und in der letzten Folge der Serie genauer unter die Lupe kommen), sind die Kosten für den Spielbetrieb der wichtigste Faktor auf der Ausgabenseite. Nur ein Blick auf diese Zahlen machen letztlich Etats verschiedener Vereine in etwa vergleichbar. In Lübeck steigerte der VfB für die laufende Saison die sportlichen Personalkosten erstmals wieder auf über eine halbe Million Euro. Darin sind Gehälter aller Spieler und des Trainerteams sowie die Abgaben zu Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft enthalten.

In Flensburg werden dafür laut Uhr nur rund 300 000 Euro veranschlagt. Offenes Geheimnis ist allerdings, dass einige Spieler, die überwiegend noch einem normalen Job nachgehen, teilweise (direkt oder indirekt) über Sponsoren bezahlt werden. Konkurrent Meppen gibt für seinen Kader geschätzte 800 000 Euro aus. In den Regionalligen West, Südwest und Nordost sind bei Spitzenteams Millionensummen üblich. Beim West-Krösus Viktoria Köln mit seinem Mäzen Franz-Josef Wernze wird sogar von einem Personaletat von bis zu vier Millionen gesprochen, mit dem man in der 3. Liga im oberen Drittel läge. In der bundesweiten Profiliga liegen selbst Aufsteiger meist bei zwei Millionen Euro Kaderkosten. In diesen Bereich würde Weiche auch bei einem Aufstieg nicht vorstoßen, sondern sich im untersten siebenstelligen Bereich bewegen. Beim VfB hatte man im Lizenzantrag ebenfalls nur knapp über eine Million Euro eingeplant.

Die neue Etatplanung

Beim VfB Lübeck versucht man, den Weg in Richtung 3. Liga durch eine Erhöhung des Etats zu untermauern. Wie hoch diese ausfällt, lässt Schikorra offen. „Es wird eine Steigerung geben“, erklärt er. Eine erneute Qualifikation für den DFB-Pokal würde das einfacher machen. „Wir können derzeit nicht mit Pokalgeld planen, auch wenn wir noch im Wettbewerb sind. Den Wegfall einer solchen Einnahme müsste man erst einmal auffangen“, sagt der VfB-Vorstandssprecher. Ansonsten sei angedacht, durch eine Kaderverkleinerung Kosten umzuverteilen. Fakt ist jedoch: Auch mit dem Geld, das im kommenden Jahr für den Kader zur Verfügung steht, bleibt Lübeck im bundesweiten Vergleich bestenfalls ein Außenseiter im Aufstiegsrennen.

Das ist auch in Flensburg so, wo die Liga GmbH mit einem Etat von 600 000 Euro plant, wovon 515 000 Euro auf die erste Mannschaft und 85 000 Euro auf die Oberliga-Mannschaft (derzeit noch Flensburg 08) entfallen. „Von der 3. Liga sind wir damit noch ein großes Stück entfernt“, weiß Harald Uhr und vertraut auf seinen Trainer Daniel Jurgeleit, der schon zuletzt aus geringen Mitteln viel machte. „Er hat in den sportlichen Dingen freie Hand und in den letzten Jahren die richtigen Entscheidungen getroffen.“ Den Weg der kontinuierlichen Weiterentwicklung wird man in Flensburg auch nach der Fusion nicht verlassen.
Aufrufe: 013.4.2017, 07:30 Uhr
SHZ / Christian JessenAutor