2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: VfB Lübeck

Franzi Wildfeuer folgt Bibiana Steinhaus auf der FIFA-Liste

VfB-Aufsteigerin im Interview

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Nach dem Aufstieg der Liga-Mannschaft im Sommer 2020 feiert der VfB Lübeck zu Jahresbeginn 2021 gleich den nächsten Aufstieg. Mit Franziska Wildfeuer, dem Aushängeschild der Schiedsrichter-Abteilung des VfB, wird mit dem Jahreswechsel erstmals eine Unparteiische aus Schleswig-Holstein auf der FIFA-Liste geführt.
Die 27-jährige VfB-Schiedsrichterin hat als eine von nur vier weiblichen deutschen Referees damit die höchste Leistungsstufe im Frauenfußball erreicht und ist auf der internationalen Liste gleichzeitig die direkte Nachfolgerin von Bibiana Steinhaus, die ihre aktive Laufbahn im September beendet hatte. Wir sprachen mit „Franzi“ über ihre Nominierung, ihre Karriere und künftige Ziele.

Hallo Franzi, herzlichen Glückwunsch zur großen Ehre. Wie hast Du von der Nominierung erfahren?

Ich wusste schon seit einiger Zeit, dass ich vom DFB für die FIFA-Liste vorgeschlagen worden bin. Bis zur Bestätigung durch die FIFA dauerte es diesmal aber länger. Das hatte auch mit Corona zu tun, weil einige Länder noch mehr Zeit benötigten, um ihre Kandidaten auszuwählen. So habe ich am Ende per Mail erst kurz vor den Feiertagen von der Bestätigung erfahren, das war für mich dann noch ein besonderes Weihnachtsgeschenk.

Als Schiedsrichterin ist es ja nicht so einfach, sich Ziele zu setzen, weil man immer auch ein wenig von Beurteilungen abhängig ist. Ab wann war die FIFA-Liste für Dich das Ziel?

Ich bin ein großer Freund von Zielen, weil man sich sonst als Sportlerin nicht weiterentwickeln kann. Von daher habe ich mir zu Beginn des letzten Jahres für mich selbst schon das Ziel gesetzt, in den nächsten zwei, drei Jahren zu gucken, ob es mit diesem Schritt klappen kann. Ansonsten hätte ich mir wohl Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht andere Prioritäten im Leben und auch in der Schiedsrichterei setzen soll. Dass durch das Karriereende von Bibi jetzt überraschend so schnell ein Platz im FIFA-Bereich frei geworden ist, war für mich persönlich dann auch ein wenig Glück.

Welche Überlegungen stehen rund um so eine Nominierung im Fokus?

Ich musste mir erst einmal darüber klar werden: Will ich das eigentlich? Dafür muss nämlich vor allem das Fundament stimmen, privat und beruflich. Ich habe inzwischen das Glück, als selbstständige Physiotherapeutin flexibel zu sein und habe in einer Privatpraxis in Bad Schwartau die Unterstützung von Ärzten und Patienten, mit denen ich zusammenarbeite. Daheim habe ich das Glück, dass meine Frau selbst fußballbegeistert ist und lange aktiv gespielt hat. So ist es möglich, dass wir Trainingseinheiten auch gemeinsam absolvieren können und dass sie auch an der Videoanalyse meiner eigenen Spiele interessiert ist und auch mal einen Tipp geben kann. Wir haben vor kurzem geheiratet, haben ein Kind. Und wenn ich nach Hause komme, habe ich das Gefühl angekommen zu sein. Das ist die Basis und Motivation für mich. Abgesehen von Corona war es ein richtig gutes Jahr für mich.

Was sind jetzt die ersten Schritte für Dich auf der FIFA-Ebene?

Erst einmal gibt es einen zweitägigen Lehrgang, auch wenn der unter Corona-Bedingungen per Video durchgeführt wird. Dazu gehört vorher noch ein Englisch-Test und ein Fitnesstest, der auch etwas anders ist als der, den wir beim DFB immer machen. Ich habe diesen neuen FIFA-Test vor einigen Tagen bereits auf dem Kunstrasen der Lohmühle schon mal ausprobiert. Wann es die ersten Spieltermine für mich gibt, weiß ich noch nicht. Durch Corona weiß man ja auch nicht, ob die vorgesehenen Termine bestehen bleiben.

Ein wenig hast Du ja auch auf internationaler Ebene schon mitmischen dürfen. Was waren bislang Deine Erfahrungen?

Als Bundesliga-Schiedsrichterin fährt man ja hier und da schon als vierte Offizielle oder als Assistentin mit zu internationalen Spielen. Anfang Dezember hatte ich noch das Glück, als vierte Offizielle bei der WM-Qualifikation in Dänemark gegen Italien dabei zu sein und in der Champions League beim Spiel Juventus Turin – Olympique Lyon. Das war wichtig, um noch einmal die Abläufe kennenzulernen, die ja schon anders sind als in der Bundesliga. Im Frühjahr, unmittelbar vor Corona, war ich auch in Spanien schon bei einem internationalen Turnier dabei. Am Ende gehört immer auch etwas Glück dazu, aber auch ein Gesamtbild aus Leistungen, Persönlichkeit und Fitness.


Du kommst ja ursprünglich aus Niederbayern. Wie hast Du mit der Schiedsrichterei angefangen?

Auf meinem Schiedsrichter-Ausweis steht, dass ich mit 12 Jahren angefangen habe. Aber eigentlich habe ich damals nur den Lehrgang gemacht, aber noch vier Jahre lang bei den Jungs bei der SpVgg Ruhmannsfelden in der C- und B-Jugend selbst Fußball gespielt. Anfangs war ich also immer nur bei den Lehrabenden dabei. Als ich dann in eine Frauenmannschaft hätte wechseln müssen, hatte ich keine Lust dazu. Einerseits weil ich immer nur mit den Jungs gespielt hatte, andererseits weil ich in eine andere Stadt hätte wechseln müssen, wo ich niemanden kannte. Das hat mich damals abgeschreckt. Also bin ich in Ruhmannsfelden geblieben. Der Vater von einem Freund war da anfangs die treibende Kraft, um die Schiedsrichterei in den Mittelpunkt zu stellen. Er war auch später noch einige Zeit als Assistent in meinem Gespann. Ich habe schnell Spaß an der Aufgabe gefunden und bei einer Beobachtung auch den Kreisschiedsrichterobmann begeistert. So bin ich mit 15, 16 Jahren richtig in die Szene eingetaucht. Dann ging es auch schnell vorwärts. Bis ich im Oktober 2015 nach Lübeck kam, war ich dann schon in der Herren-Landesliga und in der 2. Frauen-Bundesliga angekommen.

Und in Lübeck ging es schnell so weiter, Du warst ja schon 2017 vor allen Männern die Schiedsrichterin des Jahres in Schleswig-Holstein.

Ja, aber zu Anfang ging es gar nicht so schnell, wie ich es erhofft hatte. Rückblickend war es gut für mich, dass ich noch zwei Jahre lang nur in der Landesliga gepfiffen habe. Damals war ich noch ungeduldiger und habe schnell gedacht, dass ich das ja schon alles kann. Ich habe inzwischen mehr Gelassenheit und gelernt, jedes Spiel als eine neue Herausforderung zu sehen. Dabei hat mir auch das Coaching-Programm des DFB sehr geholfen. Dann ging es auch wieder schnell mit den Aufstiegen in die Frauen-Bundesliga, in die Oberliga und im letzten Winter dann in die Regionalliga. Ich bin auch dem VfB dankbar, denn wenn ich einen Wunsch habe, kann ich damit immer kommen. Gerade im letzten Jahr gab es rund um die Corona-Situation einige Dinge, die für mich zu regeln waren, bei denen mich der Verein gut unterstützt hat.

Wie siehst Du Dich als Schiedsrichterin? Was sind Deine Stärken?

Wie schon gesagt, ist es wichtig für mich, jedes einzelne Spiel als neue Herausforderung zu sehen. Sich jedes Mal die Akzeptanz neu erarbeiten zu müssen. Ich habe Spaß daran, konzentriert und wie in einem Tunnel nur noch das Geschehen auf dem Platz wahrzunehmen und die unterschiedlichen Charaktere kennenzulernen und zu lenken. Darauf freue ich mich jetzt auch international. Dabei bin ich ein Freund von guter Kommunikation: Man kann vieles schon mit einer vernünftigen Ansprache in die richtige Richtung lenken.

Was sind für Dich die bisherigen Höhepunkte Deiner Laufbahn?

Ich war international als Assistentin bei einem Länderspiel in Moskau dabei, das war eine große Erfahrung. Und bei einem Länderspiel England – Brasilien war ich als vierte Offizielle dabei, da waren 30.000 Zuschauer in Middlesbrough. Das war schon eine ganz besondere Atmosphäre. Sehr gefreut habe ich mich auch im Sommer, dass ich das Eröffnungsspiel der Frauen-Bundesliga leiten durfte. Und dass ich so schnell in die Regionalliga der Herren aufsteigen durfte, hatte ich so auch nicht erwartet.

Du hast gesagt, dass Du Dir gerne Ziele setzt. Was sind jetzt die nächsten?

Als erstes geht es darum, alles abzuarbeiten, was die FIFA-Nominierung jetzt mit sich bringt. Vor allem geht es darum, sich weiterzuentwickeln, sich auch die eigenen Spiele immer noch mal anzuschauen und Dinge zu verbessern. In der Regionalliga der Herren wünsche ich mir noch mehr Spiele, denn durch die Corona-Situation hatte ich seit meinem Aufstieg im Januar 2020 nur eine Handvoll Einsätze. Dabei wünsche ich mir natürlich auch Schritt für Schritt wieder mehr Normalität. Es ist ein komisches Gefühl, wenn die Zuschauer fehlen und man alles auf dem Platz hört. Vor allem aber hoffe ich, dass ich mit meinem Weg auch mithelfen kann, noch mehr junge Menschen für den Weg als Schiedsrichter zu begeistern. Die Aufgabe, Spiele zu leiten, ist eine tolle Herausforderung, wir haben eine gute Gemeinschaft unter den Schiedsrichtern und mit guten Leistungen und etwas Glück kann man auch schnell vorwärts kommen.
Aufrufe: 04.1.2021, 10:00 Uhr
Christian KurthAutor