2024-04-24T07:17:49.752Z

Interview der Woche

CL-Sieg in Berlin? "Bedeutenster und Schönster Tag für mich"

Torhüterin Desiree Schumann konnte 2015 den Champions-League Titeln in Berlin bejubeln, auch sonst legte die ursprüngliche Hermsdorferin eine bemerkenswerte Karriere hin.

Nachdem mir Niklas Schumann seine Schwester Desiree als Vorbild genannt hatte, bin ich auch mit ihr in Kontakt getreten und habe Sie gebeten, mir einige Fragen zu beantworten. Sie wechselte vor einigen Jahren von ihrem Jugendverein VfB Hermsdorf zu Turbine Potsdam und spielt mittlerweile beim FFC Frankfurt.

Ein Bericht von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartnerin: Desiree Schumann; Fotos: Kicker, 1.FFC frankfurt, DFB

„Desi“, vor einiger Zeit habe ich mit deinem Bruder gesprochen und er hat dich als eines seiner Vorbilder genannt. Deine Einstellung Professionalität zum Sport beeindrucken ihn. Fühlst du dich geschmeichelt?

Auf jeden Fall. Ich glaube ein größeres Kompliment hätte er mir kaum machen können. Deswegen habe ich ihn auch direkt angerufen, nachdem ich deine E-Mail gelesen habe und mich für seine Worte bedankt. Im Sommer konnten wir beide sogar ein gemeinsames Torwarttraining in Frankfurt absolvieren. Es war sehr interessant uns beide Mal im Vergleich zu sehen. Ich würde mir wünschen, dass ich über die gleiche Sprungkraft wie er verfügen würde :).

Nicht umsonst wird er Flummi gerufen. Aber du bist auch erst mit 12 Jahren vom Feld ins Tor gewechselt, mit 16 kam dann schon der Sprung zum Bundesligisten Turbine Potsdam. Wie konntest du deine Qualität so schnell steigern, dass am Ende der Anruf vom damaligen Trainer Bernd Schröder kam?

Das weiß ich manchmal selber nicht. Das ging damals alles sehr schnell. Ich wurde beim Länderpokal in Duisburg für die U15-Nationalmannschaft gesichtet. Ich denke das war auch der ausschlaggebende Punkt, warum Bernd Schröder sich kurze Zeit später bei mir gemeldet und sein Interesse bekundet hat. Ich habe Jahre später meine Mutter mal gefragt, ob sie schon damals das Gefühl hatte, dass ich es eines Tages schaffen könnte in der Bundesliga zu spielen. Sie hat die Frage bejaht. Ich selber hatte nie das Gefühl "besser" zu sein als meine Mitspielerin. Allerdings hatte ich schon damals den unbedingten Willen es eines Tages in die höchste Spielklasse zu schaffen und habe dafür auch sehr viel investiert.

Ihr wart die „Goldenen Generation“ beim Mädchen und Frauenfußball in Hermsdorf. Hast du noch Kontakte zu ehemaligen Mitspielerinnen bzw. war eine ähnlich erfolgreich wie du?


Einen richtig intensiven Kontakt habe ich leider mit keiner meiner ehemaligen Mitspielerinnen mehr. Allerdings sehe ich sie ab und zu, wenn ich beispielsweise meine Familie in Berlin besuche. Einige meiner ehemaligen Mannschaftskolleginnen waren sogar bei unserem Champions-League Endspiel in Berlin. Das war schon ein besonderer Moment, als ich sie auf der Tribüne entdeckt habe. Ich habe mich so sehr gefreut, dass ich später mein Endspieltrikot an Katrin Graubner verschenkt habe.

Nach einem Übergangsjahr bei der zweiten Mannschaft hast du 2007 dein Debüt gegeben. Was war das damals für ein Gefühl das Tor eines erfolgreichen Bundesligisten zu hüten

Ich erinnere mich noch ziemlich gut an mein erstes Bundesligaspiel. Wir haben zu Hause gegen Bad Neuenahr gespielt. Ich war vorher total aufgeregt, aber im Spiel hat sich die Aufregung zum Glück relativ schnell gelegt, sodass ich den Moment auch genießen konnte. Wir haben das Spiel am Ende mit 2:0 für uns entschieden und ich konnte mich sogar ein bisschen auszeichnen.

Meister 2008/2009, 2009/2010, 2010/2011, Champions League Sieger 2010 und U20 Weltmeister mit Deutschland 2010, das sind wirklich bemerkenswerte Erfolge. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Die erste Meisterschaft mit dem 1.FFC Turbine Potsdam werde ich wohl niemals vergessen. Nur knapp eine Woche zuvor hatten wir im DFB-Pokal-Endspiel in Berlin mit 7:0 gegen den damaligen FCR 2001 Duisburg verloren. Es war einer der bittersten Momente in meiner Karriere. Etwa drei Tage haben wir im Training kaum gesprochen - Jeder war mit sich selbst beschäftigt und hat die Niederlage nicht aus dem Kopf bekommen. Mitte der Woche haben wir uns dann alle zusammengesetzt und über das Geschehene gesprochen und uns gegenseitig Mut gemacht. Nur drei Tage später hielten wir gemeinsam Meisterschale in den Händen und konnten unser Glück selber nicht fassen. Wir hatten am Ende nur aufgrund des besseren Torverhältnisses (Ein Tor) gegenüber dem FC Bayern München die Meisterschaft gewonnen. Solche Momente zeigen dir, wie schnelllebig der Fußball ist und wie nah Sieg und Niederlage manchmal zusammen liegen und das sowohl im Sport, als auch im Leben. Es ist nur eine von vielem Erinnerungen, die ich aus der Zeit in Potsdam noch habe. Ich bin dort mehr oder weniger erwachsen geworden, habe mein Abitur an der Sportschule absolviert und Menschen kennengelernt, die mich auch heute noch in meinem Leben begleiten.

Nach der dritten Meisterschaft bist du 2011 zum Ligakonkurrenten FFC Frankfurt gewechselt, gab es bestimmte Gründe für den Wechsel?

Der Wechsel von Potsdam nach Frankfurt hatte vor allem sportliche Gründe. In Potsdam hatte ich damals eine starke Konkurrenz und ich habe mich nicht mehr so weiterentwickelt, wie ich es mir gewünscht habe. Ich habe dem 1.FFC Turbine Potsdam viel zu verdanken, aber letztlich musste ich mir eine neue Herausforderung suchen, um vielleicht auch aus der Komfortzone rauszukommen, die ich mir dort geschaffen hatte. Der 1.FFC Frankfurt hat mir diese Möglichkeit gegeben und ich habe den Wechsel bis heute nicht bereut.

Mit dem neuen Team konntest du die Champions League Trophäe 2015 in Berlin in die Höhe strecken. Ein besonderer Moment für dich als Berlinerin

Es war sicherlich einer der bedeutendsten und schönsten Tage meines bisherigen Lebens. Wenn du die Champions-League in deiner Heimatstadt gewinnst und deine ganz Familie und deine Freunde im Stadion sind, um diesen Moment mit dir zu teilen, gibt das dir etwas, was du dein ganzes Leben nicht vergessen wirst. Das Spiel war ja schon so sehr dramatisch, aber für mich als Berlinerin war es vermutlich noch dramatischer. Ich konnte es kaum fassen, als die Schiedsrichterin das Spiel abgepfiffen hat. Da waren so viele Emotionen in mir. Ich habe später ein Video gesehen, auf dem ich genau nach dem Schlusspfiff einfach auf die Knie falle und zum Himmel hinaufschaue. Ich konnte mich selber gar nicht mehr richtig daran erinnern, aber ich habe einfach so viel Glück und Dankbarkeit empfunden, dass es mir glatt die Füße unter dem Boden weggerissen hat.

Neben dem CL- Sieg 2015 konntest du beim FFC jedoch nur einmal den DFB-Pokal gewinnen, an die erfolgreichen Zeiten bei Turbine Potsdam konntest du nicht anknüpfen – Woran lag und liegt das?

Ich denke, dass die Liga und vor allem auch der internationale Frauenfußball in den letzten Jahren einen gewaltigen Sprung gemacht haben. Früher gab es Spiele, bei denen du dir schon vorher ziemlich sicher sein konntest, dass du sie gewinnen würdest. Heute ist das anders - sowohl die Allianz Frauen Bundesliga, als auch die internationalen Wettbewerbe sind einfach viel ausgeglichener. Du musst um jeden Punkt hart kämpfen. Allgemein betrachtet ist das natürlich eine sehr erfreuliche Entwicklung, vor allem auch für die Zuschauer und Unterstützer des Frauenfußballs. Für die eigenständigen Frauenfußballvereine, die keinen Männerverein als finanziellen Unterstützer haben, wird es allerdings zunehmend schwieriger. Auch wenn im Frauenfußball nach wie vor nicht mal annähernd die Summen fließen, die im Männerfußball mittlerweile Gang und Gebe sind, sehen sich die eigenständigen Frauenfußballvereine zunehmend damit konfrontiert, dass mittlerweile auch im Frauenfußball Geld zu einem wichtigen Faktor geworden ist.

Auch wenn du nun schon langjährige Stammtorhüterin beim Spitzenclubs in der Bundesliga bist- wieso hat es nie mit der Nationalmannschaft funktioniert?

Natürlich ist es das Ziel eines jeden Spielers oder jeder Spielerin für ihr jeweiliges Land aufzulaufen. Ich hatte das Glück, dass ich in den jeweiligen U-Nationalmannschaften viele Länderspiele und auch internationale Turniere bestreiten konnte. Aber letztendlich sprechen wir hier von Leistungssport und besonders auf der Torhüterposition werden in der Regel nun mal nur 3 Spielerinnen nominiert. Wir haben in Deutschland viele gute Torhüterinnen, die alle einen Anspruch auf die Nationalmannschaft haben. Einige von ihnen haben es am Ende auch geschafft. Dass ich es leider nie bis ganz nach oben geschafft habe, ist für mich mittlerweile total in Ordnung. Natürlich setzt auch das einen Prozess voraus. Früher habe ich mich oft verglichen und war zu verbissen. Heute sehe ich die Dinge entspannter. Ich habe sowohl mit meinen jeweiligen Vereinen, als auch mit den U-Nationalmannschaften Momente erlebt, die mir niemand mehr nehmen kann und die mich glücklich machen.

Welche Ziele hast du für die nächste Saison?

Wir haben in Frankfurt in dieser Saison einen stark verjüngten Kader. Für viele Spielerinnen ist es ihre erste Bundesliga-Saison, sodass unsere Ansprüche und damit auch meine nicht so hoch sein könne. Persönlich möchte ich einen Teil dazu beitragen, dass gerade diese neuen Spielerinnen sich bestmöglich entwickeln und an die Bundesliga herangeführt werden. Natürlich wäre es überragend, wenn wir trotz der vielen Abgänge oben mitspielen, im DFB-Pokal so weit wie möglich kommen und vielleicht sogar im kommenden Jahr wieder international spielen können.

Gibt es noch etwas Bestimmtes, was du noch erreichen oder unbedingt nochmal erleben möchtest?

Wie gesagt: Ich würde gerne mit dem 1.FFC Frankfurt wieder international spielen, da Champions League-Spiele immer etwas Besonderes sind und auch die Reisen zu den jeweiligen Spielen Erfahrungswerte mit sich bringen, die man sein Leben lang nicht vergisst.

Mal ehrlich: Wie siehst du den Frauenfußball in Deutschland wertgeschätzt?

Ich denke, dass wir im Vergleich zu anderen Nationen und auch im Vergleich zu anderen Sportarten, egal ob von Männern oder Frauen ausgeübt, bereits einen sehr hohen Stellenwert in Deutschland genießen. Mittlerweile wird jeden Sonntag eines unsere Spiele in Sport 1 gezeigt und auch auf DFB.tv werden Streams zu den Spielen angeboten. Natürlich ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht, aber im Großen und Ganzen kann man mit der Entwicklung und Wertschätzung des Frauenfußballs durchaus zufrieden sein.

Wenn man sieht in welche Dimensionen die Gehälter bei den Männern in den letzten Jahren gestiegen sind kann man sich nur die Augen reiben. Könnte man sich auf die Verdienste im Frauenfußball während der Karriere ausruhen oder muss man nebenbei noch Beruflich oder Schulisch aktiv werden, um für nach der Karriere gerüstet zu sein?

Als Frau kann man sich definitiv nicht nur auf den Verdiensten während der aktiven Karriere ausruhen. Sicherlich können die Nationalspielerinnen und ein Teil der Bundesligaspielerinnen von ihrem Verdienst während der Karriere gut leben, aber sobald man die Karriere beendet, ist man auf eine Arbeit angewiesen, sodass der Großteil der Spielerinnen eine Ausbildung oder ein Studium während der Karriere absolvieren, bzw. nebenbei auch arbeiten.

Würdest du den Weg trotzdem nochmal genauso gehen oder bereust du eine Entscheidung?

So gut wie keine Karriere verläuft perfekt. Sicherlich gab es Entscheidungen, die ich später bereut habe, wobei ich jetzt weniger von Vereinswechseln spreche, sondern vielmehr von kleinen Entscheidungen, die man im Laufe seiner Karriere zu treffen hat. Ich bereue es, dass ich manchmal zu wenig auf meinen Körper gehört habe und z.B. krank oder angeschlagen gespielt habe, anstatt meinen Körper zu schonen. Die Quittung kriegt man in der Regel dann erst, wenn man älter ist :). Ansonsten bin ich mit dem bisherigen Verlauf meiner Karriere größtenteils sehr zufrieden. Ich war ein Teil von vielen tollen Mannschaften, mit denen ich ganz besondere Momente erleben konnte und habe niemals aufgegeben, sondern mich immer wieder zurückgekämpft und an mich und meine sportlichen Fähigkeiten geglaubt.

Von welchem Trainer konntest du am meisten lernen und mitnehmen?

Auch wenn Bernd Schröder nicht zu Unrecht als "harter Hund" bezeichnet wird, konnte ich eine Menge von ihm mitnehmen. Dabei spreche ich nicht nur von sportlichen Dingen, sondern auch von menschlichen Werten, die mich in meiner Persönlichkeit geprägt haben. Zudem hat er mir mit 17 Jahren die Chance gegeben in der Bundesliga zu spielen, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Auch meine ersten Vereinstrainer beim VFB Hermsdorf, Franz Holznagel und Manfred Merkle, haben mich sehr geprägt. Sie waren der Schlüssel zu meiner Karriere, indem sie mich schon früh gefördert haben und an mich geglaubt haben.

Natürlich hatte ich auch beim 1. FFC Frankfurt tolle Trainer, die mich in meiner sportlichen Karriere weitergebracht haben und auch meine jeweiligen Torwarttrainer haben einen großen Anteil daran, dass ich heute da bin, wo ich bin. ich habe so vielen Menschen zu danken, es wäre eine lange Liste, wenn ich sie hier alle aufführen würde

Welche Vorbilder hast du und warum?

Sicherlich ist an dieser Stelle Manuel Neuer zu nennen, da er das Torwartspiel in Deutschland, aber auch international auf bemerkenswerte Weise geprägt und revolutioniert hat. Ich würde ihn nicht direkt als mein Vorbild bezeichnen, aber seine Spielweise und seine Ausstrahlung beeindrucken mich. Des Weiteren bin ich ein großer Sympathisant von Buffon. Er hat eine unglaubliche Karriere hingelegt und spielt selbst heute noch auf einem Top-Niveau, sodass er für mich einer der größten Torhüter der vergangenen Jahrzehnte repräsentiert.

Das mit den Vorbildern scheint wohl in der Familie zu liegen. Ich wünsche Desiree für die kommende Spielzeit viel Erfolg

Aufrufe: 018.9.2017, 08:45 Uhr
Marcel PetersAutor