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FuPa Portrait

"Ein Teil meines Herzen gehört immer Ostwestfalen"

Mano Pölking, der ehemalige Spieler des VfB Fichte und von DSC Arminia Bielefeld II, ist mittlerweile Cheftrainer des thailändischen Vizemeisters. Als Sportlicher Leiter fungiert Ernst Middendorp

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Wenn Alexandre Pölking aufgeregt ist oder es ihm nicht so richtig gut geht, dann macht er sich auf und sucht sich etwas Leckeres zu essen. Der gebürtige Brasilianer, den all seine Freunde nur "Mano" nennen, fahndet für sein Wohlbefinden allerdings nicht nach einer Moqueca - einem für Brasilien typischen Eintopf aus Fisch und Gemüse - oder einer Leckerei wie Canjica - einem Nachtisch aus Mais, Milch und Zucker - sondern nach etwas Würzigem von der Straße. "Das ist wirklich saulecker. Ein paar Nudeln mit Gemüse und Soße. Hauptsache scharf. Wenn du anschließend eine ganze Flasche Wasser trinken musst und deine Lippen nicht mehr spürst, dann war es genau richtig", sagt Mano Pölking.

Next game!!

Ein von Mano Polking (@manopolking) gepostetes Video am 19. Mai 2016 um 21:43 Uhr

Dieses Streetfood findet der brasilianische Globetrotter in Bangkok, seiner neuen Heimat Thailand. Dort betreut der 40-Jährige seit rund zweieinhalb Jahren den Fußballverein Bangkok United. Mit dem wurde Pölking in der abgelaufenen Saison Vizemeister. Für die neue Spielzeit, die am Sonntag beginnt, hat Pölking viel vor. "Natürlich bin ich aufgeregt. Wir haben ordentlich gearbeitet und trainiert. Ich hoffe, dass wir das jetzt umsetzen können", wünscht er sich.

In seiner Vorstartspannung steckt nicht nur brasilianisches Talent und thailändisches Temperament, sondern auch sehr viel ostwestfälische Bodenständigkeit und Akribie. Mano Pölking hat seine ersten fußballerischen Gehversuche nämlich außerhalb Südamerikas in Bielefeld - beim VfB Fichte - unternommen. Als "Brasilianer mit den weißen Fußballschuhen" kickte er unter Trainer Mario Ermisch von 2001 bis 2003 und führte den Club gemeinsam mit seinen Kollegen Christopher Gliniars, Jens Reitemeier oder Yorck Bergenthal in der Oberliga in ungeahnte Regionen. In der folgenden Saison wechselte er zum Stadtrivalen DSC Arminia II und fungierte beim späteren Regionalliga-Aufsteiger unter Trainer Maik Walpurgis als Mannschaftskapitän.

"Das war eine wahnsinnig tolle Zeit", schwärmt Pölking: "Ein Teil meines Herzen gehört immer Ostwestfalen." Ein Teil seines Lebens wohnt sogar noch in OWL. Seine Ex-Frau und seine beiden Kinder leben in Friedrichsdorf. Ein- bis zweimal im Jahr kommt "Mano" zu Besuch. Obwohl dann die Familie im Vordergrund steht, bleibt in der Regel immer Zeit für einen Gang in die Schüco-Arena. 2016 sah Pölking mit seinem Sohn Arminia gegen 1860 München.

Im September 2004 zog es den Spieler Alexandre Pölking auf Vermittlung seines Beraters Roland Kopp in die weite Welt. Erster Zwischenstopp war SV Darmstadt 98 (damals Regionalligist unter Coach Bruno Labbadia). Ein Jahr später sollte es Zypern sein: erst Olympiakos Nicosia, später APOEL und schließlich noch einmal Olympiakos Nicosia. 2007 beendete er seine aktive Laufbahn.

Als Co-Trainer von Winfried Schäfer verschlug es ihn nach Dubai (Al Ain, 2008/09), Aserbaidschan (FK Baku, 2010/11) und schließlich Thailand. 2012 leitete Pölking gemeinsam mit Schäfer die Geschicke der thailändischen Nationalmannschaft. 2013 folgte er dem Angebot einer dortigen Vereinsmannschaft, ehe er 2014 bei Bangkok United als Cheftrainer unterschrieb.

"Bisher hat hier alles sehr gut geklappt", bilanziert Pölking kurz und knapp. Als junger Headcoach hat er mit dem eher kleinen Verein aus der 10-Millionen-Einwohner-Metropole eine feine Erfolgsgeschichte geschrieben. Bei seinem Amtsantritt war Bangkok United Tabellenachter. Das Jahr danach kam der Club als Fünfter im Meisterschaftsklassement ein. Im vergangenen Jahr wurde das Team nach einem elektrisierenden Zweikampf Vizemeister hinter Muangthong United. "Die beste Saison aller Zeiten", sagt Pölking stolz. United sammelte in 31 Partien 75 Zähler und verlor lediglich zweimal. Als Belohnung durfte das Team sogar an der Champions-League-Qualifikation in Asien teilnehmen, die traditionell von chinesischen, japanischen, koreanischen und australischen Vereinen dominiert wird.

Als mittlerweile dienstältester Trainer in der thailändischen Liga versucht Pölking, bei Bangkok United nachhaltige Strukturen zu entwickeln. Im Sommer hatte Pölking den Hospitanten Julian Hesse (VfB Fichte) zu Gast, der auf seiner Weltreise ein bisschen in den asiatischen Fußball schnupperte. Unterstützt vom Vereinspräsidenten Apirak Kosayothin, einem der reichsten Männer in Thailand, hat der Brasilianer eine Jugend-Akademie mit Reserveteam, U 19, U 17, U 15 und U 13 gegründet. "Bisher hat der Verein immer nur Spieler gekauft, demnächst können wir auf den eigenen Nachwuchs setzen", berichtet Pölking. Unterstützung erhält der Headcoach von seinem neuen Sportdirektor: Ernst Middendorp. Auch kein Unbekannter in OWL. "Es wächst allmählich", freut sich "Mano".

Für eine optimale Außendarstellung sorgt der vereinseigene TV-Sender, der praktischerweise Eigentum der Präsidentenfamilie ist. "Da kommen wir natürlich öfter vor als die Konkurrenz", sagt Pölking schmunzelnd und vergleicht es mit Berlusconis Medien in Italien. Mittlerweile gibt es jedes Ligaspiel live im TV. Zum großen Saisonvorschau-Interview räumte der Sender gleich einmal eine halbe Stunde frei und ließ einen Moderator mit extragroßer, verspiegelter Sonnenbrille mit Cheftrainer Mano Pölking ausführlich plaudern.

So viel TV-Zeit ist eher ungewöhnlich, denn Fußball ist in Thailand keineswegs Sportart Nummer eins. Ganz weit vorne in der Zuschauergunst liegt das Muay-Thai-Boxen. Bei Bangkok United ist ab Sonntag dagegen alles auf Fußball ausgerichtet. Bis dahin wird der nervöse Mano Pölking noch das ein oder andere Mal in der Suppenküche um die Ecke vorbeigeschaut haben.

Aufrufe: 010.2.2017, 17:00 Uhr
Matthias FoedeAutor