2024-04-24T13:20:38.835Z

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Felix Junghan (li.) und Florian Lamprecht sind eine Bereicherung für den VfB Eichstätt.
Felix Junghan (li.) und Florian Lamprecht sind eine Bereicherung für den VfB Eichstätt. – Foto: Krieglmeier

Eichstätts Glücksgriffe und Identifikationsfiguren

Felix Junghan (26) und Florian Lamprecht (23): Unterschiedlicher könnten die VfB-Neuzugänge kaum sein +++ Eine Reportage

"Unsere Nummer eins, Feeelix Junghan", plärrt Eichstätts Stadionsprecher Charly Dengler ins Mikrofon - es läuft gerade die 82. Minute. Heimstettens Fabio Sabbagh lässt den Ball klug auf der Höhe der Mittellinie passieren, SVH-Stürmer Lukas Riglewski stürmt aufs VfB-Tor zu, der Top-Stürmer der Gäste hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Doppelpack erzielt. Felix Junghan hatte sowohl bei einem Elfmeter in Minute 42 als auch bei einem satten Drehschuss in Minute 62 gegen ihn das Nachsehen. An der Sechzehnerkante wirft Junghan seine 1,94-Meter nach längerem Abwarten nach rechts, Riglewski will demnach links vorbei.

Doch Junghan fährt die Beine aus, grätscht Riglewski den Ball ab. Der Ball landet im Nirwana, Junghan ist schneller auf den Beinen als sein Gegenspieler, sprintet hin und drischt das Leder klärend in die gegnerische Hälfte. Szenenapplaus. Junghan-Sprechchöre der Fangruppierung "Green White Unity" folgen.

Heimat-Rückkehr und Heimat-Abschied.

Kein ungewohntes Bild. Und auch kein Zufall, findet Abwehrkollege Florian Lamprecht. "Der Felix haut sich immer voll rein, will immer gewinnen, ist emotional immer voll dabei." Von Einstellung, Vorangehen und einem "Immer-Gewinnen-Wollen" redet Lamprecht über seinen Schlussmann, der im Sommer von der TSG Neustrelitz aus der Oberliga zum VfB Eichstätt wechselte. Damals zwischen Rostock und Berlin, heute zwischen München und Nürnberg, warum dies? Wie so oft erklärt sich dieser Umgebungswandel durch die Verwurzelung eines Spielers. Junghan ist gebürtiger Münchner, fing seine Karriere beim SC Baldham-Vaterstetten an und ist danach "gut rumgekommen". Einige Nachwuchsleistungszentren hat er durchlaufen (SpVgg Unterhaching, TSV 1860 München).

Zum Sprung nach oben hat es für den robusten Torwart "leider nicht gereicht", einige Verletzungen hinderten ihn am Durchbruch, den er beim Chemnitzer FC und beim 1.FC Kaiserslautern schaffen wollte, aber dann lediglich in den Zweitvertretungen zum Zuge kam.

Vor zwei Jahren habe er beim TSG Neustrelitz eine Ausbildung angefangen, ehe Junghan "ein bisschen Heimweh" hatte. Bereits letzten Winter kam der Kontakt zum VfB zustande, der ihm in Aussicht gestellt hat, seine Ausbildung beenden zu können und einen Job nach der Ausbildung zu finden. Momentan macht Felix Junghan eben bei der Allianz eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann, in etwa einem Monat geht es an die Abschlussarbeit. Eine berufliche Übernahme ist geplant. Über das Berufliche hinaus "hat mir der Zusammenhalt bei diesem kleinen Verein imponiert".

So gänzlich anders ist der Weg von Florian Lamprecht, der sich im dritten Ausbildungsjahr als Schreiner in Ebermergen nahe Donauwörth befindet. Seine ersten Schritte machte der heute 23-Jährige bei der SG 1949 Alerheim, gut elf Kilometer westlich von Nördlingen, "im schönen Ries", fügt Lamprecht hinzu und lacht. Im D-Jugendalter lief Lamprecht dann für den TSV Nördlingen auf. "Da hab ich dann gespielt bis letzte Saison, also ich habe keine Bundesliga-Nachwuchsmannschaften hinter mir." Recht zeitig sei der VfB Eichstätt in der letzten Bayernliga-Saison auf ihn zugekommen, man habe einige Gespräche geführt, Lamprecht war des Öfteren Trainingsgast. "Mir hat's von Anfang an super hier gefallen, wie bodenständig es hier ist. Die Jungs haben mich super aufgenommen." Nicht umsonst ist der Spitzname der Eichstätter auch "die Jungs", denn es scheint so, als wäre der VfB eine eingeschworene Truppe, die ein wenig an die "Wilden Kerle" erinnert. Im Sommer stand der Außenverteidiger als erster Neuzugang fest. Ganz so leicht sei Lamprecht der Wechsel aus seiner so vertrauten Heimat Nördlingen aber zunächst nicht gefallen.

Bodenständigkeit ist für Florian Lamprecht eine Grundtugend: "Ich habe mir vor meinem Wechsel schon Gedanken gemacht, wie das wohl wird, wie die Typen hier wohl sind." Im gehobenen Amateurbereich, so Lamprecht, sei ja doch mal der ein oder andere dabei, der meine, er sei etwas Besonderes. Lamprecht sah sich in seinen "Befürchtungen" getäuscht: "Hier hebt keiner ab, jeder in der Mannschaft ist ganz normal." Das und die Unterstützung der Fans seien für ihn einzigartig "Pudelwohl" fühlt sich Lamprecht demnach in der Domstadt.

»Stiller Arbeiter«

Dem Lob schließt sich Felix Junghan an: "Was hier mit absolut wenigen Mitteln auf die Beine gestellt wird, ist Wahnsinn." Die Mannschaft sei wie eine große Familie und auch die ehrenamtlichen Arbeiten rund um den Verein beeindrucken den 26-Jährigen noch immer. "Das, glaube ich, gibt’s bei keinem anderen Regionalligisten", zieht Junghan ein Fazit.

Lamprecht fällt seinem Keeper Junghan fast ins Wort, die Verbundenheit zum VfB zu zeigen, scheint den beiden eine echte Herzensangelegenheit: "Gerade hier kommen die Spieler net her, weil sie mords auf die Kohle schauen. Hier kommt man her, wenn man Regionalliga spielen will." Die Entschlossenheit, die diesen Sätzen mitklingend beiwohnt, sieht man auch von Spiel zu Spiel auf dem Platz. Florian Lamprecht besticht auf der linken Außenverteidiger-Position durch ein enorm hohes Laufpensum und einen kaum zu bändigenden Offensivdrang. Felix Junghan über seinen Kameraden: "Er ist ein absolutes Läufer-Typ. Was er im Spiel für Meter läuft, laufen nur die Wenigsten in der Liga." Lamprecht sei für ihn ein "stiller Arbeiter", der nie groß den Mund gegen jemand anderen aufmacht. "Er macht solide seinen Job und kämpft bis auf den letzten Tropfen, den er hat."

Nicht zuletzt spiele er seine Geschwindigkeit und seine Sicherheit am Ball stark aus. "Ich glaube nicht, dass es sehr viel bessere Linksverteidiger in der Liga gibt." Diesen auch außerhalb Eichstätts existierenden Eindruck führt Junghan auf seine Einstellung und den Willen zurück.

Beim zuletzt mitreißenden Sieg gegen den 1.FC Schweinfurt 05 bereitete Lamprecht den vielumjubelten 3:2-Siegtreffer durch Flügelpartner Adheton Lushi vor. Nicht umsonst ist der Albaner der momentan effektivste Stürmer der Regionalliga (zehn Treffer in fünfzehn Spielen, sechs Treffer in den vergangenen vier Partien), obwohl er auf dem Flügel spielt. Lamprecht ist eben ein emsiger Unterstützer, der durch seine Tempoläufe den nötigen Raum schafft. Die linke Seite Eichstätts ist wohl momentan von keiner Abwehr der Liga zu bremsen. "Meine Stärke ist schon, dass ich mit viel Tempo von hinten kommen kann und das auch über neunzig Minuten gehen kann."

An der eigenen Nase müsse er sich dennoch packen, das gibt er ganz unbescholten zu. "Ich könnt' auch mal eins selber machen, wenn ich im Sechzehner bin. Auch heute wieder hätt' ich ein paar Male schießen können. Ich hab' schon viele Aktionen nach vorne, aber es sollte mal vielleicht ein bisschen mehr dabei rausspringen", gesteht Lamprecht schmunzelnd.

Fokus auf Eichstätt.

Sollte er auch in diesem Bereich noch zulegen, scheinen Anfragen von höheren Vereinen nur eine Frage der Zeit. Doch wie würde er damit umgehen? "Wenn eine Anfrage kommt, muss man sich natürlich immer Gedanken machen. Klar will man immer hoch spielen. Freuen würd's mich natürlich. Hier legt aber keiner den Fokus drauf, nächstes Jahr Profi zu sein und weg zu müssen." Schließlich hätten die VfB-Spieler und nicht zuletzt er hier in der Nähe auch ihre Lebensgrundlage. "Aber geil wär's schon", gibt Florian Lamprecht mit leuchtenden Augen zu, strahlt dabei eine fast kindliche Freude aus. Bei einem konkreten Angebot sieht es Junghan ähnlich wie Lamprecht: "Wenn was richtig Lukratives kommt, muss man sich natürlich Gedanken machen, aber im Moment sehe ich meine Zukunft hier in Eichstätt."

Auffällig, wie Felix Junghan sich oft selbst und seine Mitspieler pusht. Kein anderer Spieler schreit beim VfB so viel über das Feld wie er. Bei VfB-Toren stürmt er fast immer zum Jubeln nach vorne, ballt Fäuste. Das Wort "Ordnung" ruft er im Spiel gegen Heimstetten mindestens fünf Mal. Er sieht das Ordnen auch als seine Aufgabe. "Ich bin auf dem Platz einfach der emotionale Typ, ich bin mit allem was ich habe dabei und da wird man mich auch nicht mehr ändern können", kann sich der 26-Jährige ein Lachen nicht verkneifen. "Mein Torwart-Trainer (Norbert Scheuerer, Anm. d. Red.) hat mir vermittelt, dass er das gut findet. Die Jungs wissen dann, da ist einer, der Druck von hinten macht." Der mit der gewichtigen Stimme also, die er auch nie ganz verliert? "Meine Stimme geht nicht weg", versichert Junghan scherzend.

Stolz und unbeschreiblich.

Wenn man Felix Junghan und Florian Lamprecht nach dem bisherigen Karrierehöhepunkt fragt, dann stellt man fest, dass beide dieses - trotz der erst recht kurzen Zeit in Eichstätt - beim VfB erlebt haben. Was freilich an der Ausnahmesituation liegt, dass sich der VfB Eichstätt als bayerischer Amateurmeister für die erste Hauptrunde des DFB-Pokals qualifizierte und dabei am 11. August 2019 im Ingolstädter Audi-Sportpark auf Hertha BSC Berlin traf, mit 1:5 letztlich deutlich unterlag. "Das war das Highlight meiner bisherigen Laufbahn", sagt Junghan. Ein bisschen ärgerlich sei es gewesen, da man das nötige Spielglück an dem Tag nicht hatte. "Wir haben es damals eigentlich super gemacht, das Ergebnis ist auch ein, zwei Treffer zu hoch ausgefallen."

"Es war unbeschreiblich", sagt Lamprecht und gerät beim Gedanken ans Pokalduell augenblicklich ins Schwärmen: "In meiner Fußballkarriere war das das Erlebnis schlechthin, schon allein in so 'nem Stadion zu spielen, vor so vielen Menschen. Wenn man auch sieht, wo ich herkomme - ich habe noch nie irgendwie höherklassig gespielt - dann kommst du da rein und darfst auch noch von Anfang an gegen eine Bundesligamannschaft spielen, das ist wirklich unbeschreiblich." Fakt ist, dass die beiden sich auch damals schon auszeichnen konnten. Einerseits Lamprechts waghalsige Tempoläufe, andererseits Junghans Paraden und Strafraumbeherrschung zeugten auch im Hertha-Spiel von den Fähigkeiten der beiden Eichstätter.

Vier weitere Partien hat der Tabellen-Achte VfB Eichstätt (29 Punkte) vor der Winterpause noch zu bestreiten. Nächsten Samstag geht die Reise zum angeschlagenen SV Schalding-Heining, ehe die Gegner noch Viktoria Aschaffenburg, VfR Garching und FC Memmingen lauten. Eher Mannschaften, die im unteren Bereich der Tabelle festsitzen. Das Marschziel? "Wir wollen das Maximale aus jedem Spiel holen und gehen auch entsprechend rein", berichtet Florian Lamprecht und führt Siege gegen die Ligafavoriten Schweinfurt und Turkgücü München als Nachweise dafür auf, gegen jeden bestehen zu können.

Wetterplus, Wertschätzung, Wellenlänge.

Florian Lamprecht sieht die langsam winterlicher werdenden Witterungsbedingungen als einen Pluspunkt für Eichstätt: "Ich glaube, gerade in dieser Jahreszeit, mit unserer Mannschaft, das liegt uns. Das Wetter wird schlechter, die Plätze werden schlechter. Da spielt vielleicht nicht jeder gern Fußball. Da wir über die Schienen Mannschaft und Kampf kommen, muss schon das Ziel sein, möglichst viele Punkte bis zur Winterpause zu holen."

Felix Junghan und Florian Lamprecht. Zwei, die so unterschiedliche Wege hinter sich haben, aber ziemlich perfekt in das Eichstätter Bild passen. "Der Flo ist ein richtiges Arbeitstier", sagt Junghan. Auch Lamprechts Wortwahl gleich sich derer von Junghan: "Der Felix ist schon ein Tier, das hat man schon im ersten Training gesehen", und zaubert seinem Hintermann ein Lächeln auf die Lippen. Alle 18 Spiele über die volle Distanz bestritten und immer mit Herz und Seele für den VfB Eichstätt dabei, das Wort Glücksgriff erhält hier Bestätigung.

Felix Junghan und Florian Lamprecht nehmen in Eichstätt eben auch Wertschätzung wahr. "Ich find`s immer klasse, wenn wir Platzrunden laufen. Egal wie wir gespielt haben, wir werden von den Fans immer ausgeklatscht, das ist auch nicht überall so", so Lamprecht.

Es scheint ganz so, als hätte das ganze beim VfB für die beiden Hand und Fuß. Zwei, die aus der VfB-Elf nicht mehr wegzudenken sind. Weitere Sprechchöre und pushende Durchsagen könnten also folgen.

Aufrufe: 05.11.2019, 16:17 Uhr
Franz Hable Autor