2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
Etwas frostig, etwas frustig: VfB-Trainer Günter Stiebig kassiert gegen Leusel eine Niederlage, die die Sorgen beim Traditionsverein erheblich vergrößert.	Foto: Bayer
Etwas frostig, etwas frustig: VfB-Trainer Günter Stiebig kassiert gegen Leusel eine Niederlage, die die Sorgen beim Traditionsverein erheblich vergrößert. Foto: Bayer

"Verfallen zu oft in alte Mechanismen"

GL GI/MR: +++ VfB-Trainer Günter Stiebig im Interview +++ Viel Aufwand, bislang wenig Ertrag in Gießen +++

giessen/Alsfeld (chn). Günter Stiebig trainiert seit Januar diesen Jahres den Traditionsverein VfB 1900 Gießen. Gemeinsam stieg der 55-Jährige mit den Lahnstädtern von der Verbandsliga in die Gruppenliga Gießen/Marburg ab, wo man seit dieser Runde am sportlichen Wiederaufbau bastelt. Viel zählbarer Ertrag kam bislang indes noch nicht zustande. Am Sonntag unterlag der VfB mit 1:2 gegen den heimischen Vertreter SpVgg. Leusel und befindet sich nach wie vor mitten im Abstiegskampf. Nach der Partie stand der in Alsfeld lebende Fußballlehrer, der vor allem auch als Trainer des hiesigen DFB-Stützpunkts bekannt ist, unserer Sportredaktion für ein kurzes Gespräch zur Verfügung.

Herr Stiebig, erstmals musste Ihre Mannschaft gegen ein Team aus Ihrer unmittelbaren Heimat antreten. Wie war das für Sie?

Ich wurde am Sonntag gefragt, ob es einen Spieler im Leuseler Kader gab, den ich nicht kenne. Tatsächlich befanden sich in der Leuseler Aufstellung nur ein oder zwei Spieler, die ich nicht kannte. Die anderen kannte ich alle aus Vereinen oder vom Stützpunkt bei mir.

Die Punkte gingen diesmal an Leusel. Wie haben Sie das Spiel gesehen?

Ich hatte wieder eine Truppe auf dem Platz, die im Schnitt unter 21 Jahre alt war - und das hat sich diesmal nicht zum Positiven ausgewirkt. Beide Tore sind diesmal aus Standards nach individuellen Fehlern entstanden, die man vorher schon einige Male angesprochen hatte. Das ist dann natürlich das, was zu einer gewissen Verärgerung führt, da man manche Dinge schon x-Mal angesprochen hat. Wir hatten uns in der zweiten Hälfte schon was vorgenommen, man hat auch gemerkt, dass die Leuseler in den letzten 20 Minuten nur noch hinten drin standen, aber das 2:0 nach der Pause war dann der Genickbruch. Die jungen Spieler tun sich halt noch schwer damit, in der Klasse anzukommen. Das ist diese Naivität - und diese Naivität der jugendlichen Spielweise ist manchmal brutal. Ohne diese beiden Standards gehen solche Spiele 0:0 aus. Sonst waren da nicht so viele Torchancen, weder für uns, noch für Leusel. Wir haben mit unseren Fehlern dem SV Leusel einen Gefallen getan. Das schmälert aber nicht die Leistung, die Leusel mit dem kleinen Kader aufs Feld bringt. Da habe ich großen Respekt vor.

Für den VfB läuft es seit vergangener Runde nicht mehr wirklich optimal. Nach Rücktritten der entsprechenden Funktionäre sind Sie seit September auch noch als Sportlicher Leiter der Gießener tätig. An welchen Stellschrauben drehen Sie, um den Verein wieder auf Kurs zu bringen?

Ich bin ja nicht der VfB alleine. Das ist alles organisiert und da muss man sich keine Gedanken machen vom Organisationsteam her. Was nicht funktioniert, das sind die Mechanismen auf dem Platz. Wir trainieren dreimal die Woche und betreiben einen Aufwand wie ein Verbandsligist, vielleicht sogar wie ein Hessenligist. Wir haben einen recht großen Kader, aber die Dinge aus dem Training werden am Wochenende oft wieder vergessen und man verfällt leider in alte Mechanismen. Da sind wir aber beharrlich und setzen wieder neu an. Wir haben dann immer mal ein Hoch, bei dem man denkt: Jetzt haben es die Spieler verstanden. Und dann fährt man nach Waldsolms und hat dort einen ähnlichen Spielverlauf wie gegen Leusel: Kurz vor der Halbzeit kriegt man das 0:1 und direkt danach das 0:2. Da hat man immer wieder so Déjà-vu-Erlebnisse.

Wie oft pendeln Sie in der Woche eigentlich von Alsfeld nach Gießen? Nehmen Sie die längere Anreise gerne in Kauf?

Viermal pendle ich. Die Motivation ist nach wie vor hoch und dann stehen da auch immer 18, 19 oder 20 Leute auf dem Platz. Da würden andere sagen: Das ist doch genial! Die müssen eher schauen, ob überhaupt noch genügend Spieler da sind. Was mich aber ganz speziell beschäftigt: Welchen Ertrag wir für den immensen Aufwand haben? Das steht in keinem Verhältnis. Da ist vielleicht auch die Erwartungshaltung des einen oder anderen an sich selbst zu hoch gestellt. Viele wissen von außen auch gar nicht, welchen Umbruch wir gerade vollziehen. Da hilft uns von außen auch keiner, das muss von innen kommen.

Eine kurze Frage zum heimischen Fußball: Mit der Sportvereinigung Leusel sehen wir einen Alsfelder Verein in der Gruppenliga, auch für die SG Altenbrug/Eudorf/Schwabenrod könnte in der Kreisoberliga Gießen Süd in diesem Jahr einiges drin sein. Wie bewerten Sie die Lage?

Was gut ist, ist, dass nach dem Abstieg von Homberg wieder ein Alsfelder Verein in die Gruppenliga aufgestiegen ist. Leusel ist in den letzten Jahren in Sachen Kontinuität ein positives Beispiel. Was sich in Altenburg aufzeigt, ist, dass die in der Kreisoberliga eine richtig gute Rolle spielen und es ist für unseren Kreis sicherlich auch ganz gut, wenn mal Mannschaften in der einen oder anderen Klasse höher sind, damit die heimischen Spieler nicht abwandern müssen. Was aber auch zum Tragen kommt, das sind die Rahmenbedingungen in Alsfeld. Es ist gut, dass man mittlerweile in der glücklichen Lage ist, einen Kunstrasenplatz zu nutzen.

Bleibt Ihnen bei der vielen Arbeit in Gießen eigentlich noch genügend Zeit für die Funktion als Stützpunkttrainer in Alsfeld?

Das mache ich ja nun schon seit 1990. Das ist schon so zur Routine geworden - der Montag ist seit 28 Jahren immer belegt. Es hat natürlich auch den Vorteil, dass man durch die Stützpunktarbeit viele Spieler kennenlernt. Und dass man auch den neusten Input von der DFB-Ebene erhält. Das hilft uns zwar in Gießen momentan noch nicht so, aber vielleicht kommt das ja noch.



Aufrufe: 015.11.2017, 08:00 Uhr
Oberhessische Zeitung/Gießener AnzeigerAutor