2024-04-25T08:06:26.759Z

Interview

"Es ist Schluss. Ein für alle mal!"

INTERVIEW: +++ 37 Jahre als Trainer sind genug +++ Niko Semlitsch über den VfB, Kassel und seine Pläne +++

Giessen . 37 Jahre Trainer, 19 Stationen, 39 mal Malle - Niko Semlitsch (68) hört auf. Sagt er. Und das so überzeugend, dass es tatsächlich glaubhaft ist. Zum Abschluss noch der VfB 1900 Gießen, ,,das war noch mal mein Wunsch", über dessen Saisonverlauf man durchaus geteilter Meinung sein kann. Mit dem unbestrittenen Höhepunkt des Hessenpokal-Finales vor über 6000 Zuschauern beim KSV Hessen Kassel.

Mit dem Aufstieg ist es nichts mehr geworden, aber hat es sich gelohnt, den VfB 1900 zu übernehmen?

Niko Semlitsch: Im Nachhinein muss ich sagen, es war eine gute Entscheidung. Natürlich war das große Ziel relativ schnell erledigt, nachdem wir gemerkt haben, dass wir nicht mehr ganz oben angreifen können. Dann konnten wir aber relativ locker weiterspielen. Mit dem Riesen-Highlight in Kassel als wunderbarem Abschluss.

Sind Sie trotzdem nicht ein Stück weit enttäuscht, dass es zumindest zur Relegation nicht noch gereicht hat?

Semlitsch: Enttäuscht nicht, nein. Man hat schnell gemerkt, dass es mit der Durchschlagskraft nach vorne eben nicht reichen sollte. Da haben Gino Parson und Ahmet Marankoz dann doch gefehlt. Mit den beiden hätte es sicher anders ausgesehen. Allerdings war das Tischtuch zwischen dem Verein und Gino da schon zerschnitten. Und Marankoz wollte sich anderes orientieren, ich hätte gerne mit ihm weitergearbeitet.

Trotzdem hatte die letzte Station Ihrer langen Trainerkarriere ja noch ein prächtiges Highlight...

Semlitsch: Kassel. Ja, das war noch einmal ne richtig runde Sache. 6000 Zuschauer, das war für den Verein, die Mannschaft, die VfB-Fans, aber auch für mich ein echter Höhepunkt. Da hat es noch mal richtig gekribbelt.

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber Niko Semlitsch nicht mehr auf der Trainerbank, das...

Semlitsch: Ja, ja, ich weiß. Es glaubt mir ja keiner, aber das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es ist fertig, es reicht auch. Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es auch das erste Mal, dass ich einfach keine Lust mehr habe. Ich war 37 Jahre Trainer mit Leib und Seele. Bis ins letzte Detail musst du da planen, auf dem Platz stehen, dir vorher Gedanken machen, hinterher aufarbeiten. Das ist mir echt zuviel geworden. Da kann kommen, was will. Und kommen, wer will.

Und der VfB zum Abschluss war ja auch noch ein Wunschkandidat?

Semlitsch: Genau. Ich sollte ja schon 1969, als ich dann zu Kickers Offenbach bin, da hin. Irgendwie ist es nie zustande gekommen. Jetzt hat es doch noch geklappt. Ich gehe da im Guten, aber ich werde auch beim VfB nichts mehr funktionsmäßig machen. Nicht mehr binden an einen Verein. Ich will jetzt richtig schön gemütlich Fußball gucken. Mein Sohn trainiert Naunheim, meinen Heimatverein Fernwald, den VfB 1900 und Stadtallendorf, wo mein Zögling Helmut Schäfer hin ist. Da werde ich auf die Plätze fahren und zuschauen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung im heimischen Fußball, wenn in der kommenden Saison mit Kinzenbach, Wieseck, dem VfB und Waldgirmes gleich vier Vereine in der Verbandsliga und mit Watzenborn noch einer in der Hessenliga spielt?

Semlitsch: Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob das alles so gut ist. So viel Spieler sind ja gar nicht da, die da vernünftig kicken können. Ich glaube nicht unbedingt, dass es uns weiterbringt. Früher hattest du Fernwald und Waldgirmes. Ich glaube, dass das Niveau jetzt eher verwässert wird.

Niko Semlitsch bleibt also weiterhin ein kritischer Beobachter der Szene und sagt, was er denkt?

Semlitsch: Na klar. Nach so vielen Jahren nehme ich doch da kein Blatt mehr vor den Mund. Und wenn es einem nicht passt, kein Problem. Ich bin da inzwischen dreifach chemisch gereinigt. Das stört mich nicht.



Aufrufe: 06.6.2015, 00:01 Uhr
Rüdiger DittrichAutor