2024-03-28T15:56:44.387Z

Interview

"Es bewegen sich unheimlich viele Dinge"

VFB 1900 GIESSEN Jörg Dechert, Geschäftsführer Fußball, nimmt nach einer turbulenten Hinrunde Stellung zur Lage beim Traditionsverein

GIESSEN - Es war nach dem ersten Spiel in Schröck. 3:0 hatte der VfB 1900 Gießen auf dem Kunstrasen am Waldrand gewonnen. Jörg Dechert, Geschäftsführer Fußball des Verbandsliga-Mitfavoriten, war bester Dinge. Es sah gut aus, was die unter seiner und Trainer Stefan Hasslers Fittichen zusammengestellte Mannschaft hingelegt hatte. Der FSV-Stadionsprecher hatte zuvor bestens informiert von „unserem Gast, der in die Hessenliga will“ gesprochen. Ein paar Monate später nach dem sonnigen Tag in Schröck, herrscht Tristesse. Gleich den dunklen Dezemberwolken. Allerdings auch: Hoffnung und Aufbruchstimmung? Wir haben bei Jörg Dechert, der sich als Geschäftsführer Fußball nun mit dem neu installierten Sportlichen Leiter Torsten Ortloff die Verantwortung teilt, nachgefragt.

Wenn Ihnen einer gesagt hätte, im Winter ist Stefan Hassler kein Trainer mehr und der VfB elf Punkte hinter Watzenborn, was hätten Sie gesagt? Es hätte mich überrascht, weil wir zu Saisonbeginn davon ausgegangen sind gut aufgestellt zu sein.

Wo lagen die Fehler aus Ihrer Sicht? Nur der Trainer?

Wir sind gemeinsam in die Saison gegangen, in deren Verlauf sich Entwicklungen vollzogen haben, die alle Beteiligten so hätten beeinflussen können, dass der Verlauf anders gewesen wäre. Das sind aber Dinge die wir nicht in der Öffentlichkeit klären. Mich interessiert jetzt vor allem, wie wir alles so gestalten, dass die Dinge besser laufen als in der Vergangenheit.

Kann es sein, dass die Mannschaft, die im Jahr zuvor gut funktioniert hatte, durch die Neuzugänge in Schieflage geraten ist? Auch weil die Charaktere nicht gut zusammen passen?

Um in einer Spielklasse höher vorne mitzuspielen, waren Verstärkungen unumgänglich. Jede sich neu findende Gruppe muss einen Kennenlernprozess durchlaufen. Wir haben gute Fußballer im Team, für den Prozess der Teamfindung werden wir noch einiges tun. Jeder hat sich in den letzten Monaten bemüht ein Team zu formen.

Um mal was Positives zu fragen: Gibt es in der Rückschau Aspekte, die Sie in der durchaus verkorksten Runde zufrieden stellen?

Die Mannschaft steht auf dem dritten Platz der Verbandsliga Mitte und hat neben einigen schwächeren Partien auch gute Leistungen abgeliefert, die das Potenzial der Mannschaft zeigen.

Sie haben gemeinsam mit Günther Moll die Notbremse gezogen: Hassler weg, Semlitsch her, wie geschockt waren Sie nach dem 0:6 in Watzenborn?

Ich habe mich durch die derbe Niederlage sogar bestätigt darin gefühlt, dass unsere Spieler eine neue Richtung brauchten. Wenn das erste Spiel daneben geht, dann sind das auch nur drei Punkte, die fehlen. Wollen Sie das dem neuen Trainer anlasten? Niko hat die Stimmung im Training verbessert, wir hatten eine tolle Weihnachtsfeier und wir starten voller Elan in die Vorbereitung.

Sie sollen in einem Interview nach der Pleite auf Semlitsch bezogen gesagt haben, es sei vielleicht doch nicht die richtige Entscheidung gewesen, ihn zu holen…

Was für ein Quatsch. Das ist lächerlich. Nicht ihre Frage, sondern das von ihrem Konkurrenzblatt Geschriebene. Drei Tage vorher war ein Interview von mir zu lesen, in dem ich die Dinge aus unserer Sicht klar dargestellt habe. Und dann soll ich in einem Gespräch nur zwei Tage später plötzlich völlig anderer Meinung sein? Im Übrigen enthielt der Artikel, den Sie ansprechen, auch weitere völlig falsche Angaben, wie z.B. die Aussage, dass wir für nicht gezahlte Abgaben mit einem Punktabzug bestraft wurden. Es ging bei der Bestrafung jedoch lediglich um die einen Tag zu späte Absendung einer Meldung an die Passstelle des HfV. Von daher möchte ich dazu eigentlich gar nichts mehr sagen.

Torsten Ortloff ist als Leiter des sportlichen Bereichs aktiviert worden, seine erste Handlung war die Suspendierung Gino Parsons, der sicher zu den besten Spielern der Hinrunde gehört und lange den VfB entscheidend geprägt hat, das sieht nach Schnellschuss aus…

Es war kein Schnellschuss und Torsten Ortloff hat diese Entscheidung in absoluter Übereinstimmung mit allen Verantwortlichen, wie Trainer und Abteilungsleitung, getroffen. Auch Torsten hatte das Spiel in Watzenborn gesehen.

Aufgrund der Entwicklungen sind auch die Trainer der zweiten Mannschaft, Mario Gelo und Apostolos Apostolidis, zurückgetreten, zwei lange mit dem VfB verbandelte Akteure. Können Sie deren Vorwurf nachvollziehen, dass die interne Kommunikation schief gelaufen sei? Gibt es schon eine Idee für die Nachfolge in der 2. Mannschaft?

Es handelt sich um einen internen Vorgang und es verbietet sich, an dieser Stelle schmutzige Wäsche zu waschen. Wir klären das intern. Natürlich gibt es sehr konkrete Ideen für die Nachfolge. Wir werden informieren, wenn es etwas zu vermelden gibt.

Nun gut: Neuer Trainer, neues Jahr, neues Glück? Was kann der VfB machen, um aus der Misere herauszukommen? Was für Schritte sind konkret vorgesehen. Werden Spieler den Verein verlassen oder neue verpflichtet?

Wir sind Dritter der Verbandsliga Mitte. Sportlich gesehen sind wir der Jäger – eine komfortable Position. Wir wollen – falls das die Frage nach unseren Zielen sein soll –, möglichst viele Spiele gewinnen und ein Stimmungshoch erreichen. Zu unseren Planungen äußere ich mich zu gegebener Zeit.

Wie genervt sind Sie, der Sie doch sehr hoffnungsfroh angetreten sind, von der Entwicklung und was machen Sie jetzt an den Feiertagen?

Statt genervt zu sein, verwenden wir unsere ganze Energie darauf, die sportliche Situation zu verbessern. Wir haben einen Veränderungsprozess eingeleitet, den wir positiv nutzen wollen. Ich freue mich auf die Feiertage, die ich mit meiner Familie, meinen drei Kindern und meinen vier Enkelkindern verbringen werde.

Welches Ziel steckt sich der VfB 1900 jetzt noch? Was ist machbar?

Wir wollen die Aufbruchstimmung nutzen, die bei uns herrscht. Neustrukturierung der Abteilung, Zusammenwachsen von 1. und 2. Mannschaft und dem Jugendbereich – das sind anspruchsvolle Ziele für das nächste halbe Jahr. Wir wollen die Arbeit auf mehr Schultern verteilen. Damit einhergehen sollen gute Ergebnisse im sportlichen Bereich.

Sind Sie nach dem Stress auch nächste Saison noch beim VfB 1900 in verantwortlicher Position?

Der Stress ist positiv, denn es bewegen sich unheimlich viele Dinge. Wir, das heißt die Abteilungsleitung, der Förderverein und die sportliche Leitung, sind voller Tatendrang und Optimismus. Wir können uns gerne zu einem weiteren Interview im Dezember 2015 schon jetzt verabreden.

Aufrufe: 012.12.2014, 10:55 Uhr
Gießener AnzeigerAutor