2024-04-25T08:06:26.759Z

WM 2014

Verfluchte Technik

Überhaupt: die verfluchte Technik! Ständig spielt sie einem Streiche.

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Das bittere Ende war absehbar, wenngleich es in dieser Form für uns alle überraschend kam. Einfache Strecke 750 Kilometer hin und zurück hatten die wagemutigen Kollegen Christoph aus Reutlingen und Michael aus Osnabrück ihren Miet-Fiesta von Porto Seguro nach Salvador geprügelt. Nun quittierte das ohnehin malade Gefährt vorerst seinen Dienst und ging in die Stoßdämpfer. Es lag allerdings kein erwartbarer Defekt der Sorte kapitaler Motorschaden, Bremsversagen oder Achsbruch vor. Nein, es handelte sich um einen ganz banalen Platten am linken Vorderreifen.

Überhaupt: die verfluchte Technik! Ständig spielt sie einem Streiche. Eben noch verlässliche Internetverbindungen schmieren urplötzlich ab, und das Telefonieren ist ein Kapitel für sich. Im Dschungel brasilianischer Vorwahlnummern haben sich viele Kollegen hoffnungslos verirrt. Wir haben die Wahl zwischen 0031 oder 031, gerne genommen wird auch die 021. Zudem ist die offizielle Landesvorwahl 00 55 in der Verlosung, wird jedoch selten gezogen. In grob geschätzt der Hälfte aller Fälle erklärt uns eine weibliche Stimme vom Band, dass in Sachen Verbindung derzeit leider nichts zu machen sei. Sie sagt das zwar auf Portugiesisch, ihre Botschaft ist indes unmissverständlich.

Die größte Klippe im modernen Kommunikationszeitalter stellt allerdings die Stromversorgung dar. Brasilianische Steckdosen sind mit mitteleuropäischen nur entfernt verwandt. So setzte mit der Ankunft die Jagd nach Adaptern ein, und für viele ist sie noch längst nicht beendet. Beim deutschen Auftaktspiel in Salvador trafen wir einen russischen Kollegen aus St. Petersburg, der mangels Strom die bisherige WM-Berichterstattung auf seinem i-Phone bestritten hatte und mittlerweile beidseitig an einer gesundheitlichen Einschränkung litt, die als Tennisarm geläufig ist. Er stürzte sich auf unsere sprudelnde Elektrizitätsquelle, gleichsam wie ein Verdurstender in der Wüste auf das rettende Wasser. Dass wir nicht vom Stromnetz abgeschnitten sind, verdanken wir einem mutigen Eingriff. Der vorausschauende Kollege Christian aus Fulda führte einen Weltstecker im Reisegepäck, der global Erlösung von solchem Ungemach verheißt. Allerdings erwies sich ein Verbindungsteil als derartig hinderlich, dass es mangels Werkzeug unter Zuhilfenahme von Messer und Gabel sowie brachialer Gewalt entfernt werden musste.

Auf geradem Weg zum Kultstatus ist derweil das Schweißhandtuch, das der Kollege aus Hessen ganztägig dekorativ um den Nacken trägt. Im hiesigen Journalistenkreis mehren sich die Stimmen, das kostbare Stück nach dem Ende des Turniers dem noch in Bau befindlichen Museum des deutschen Fußballs in Dortmund zu vermachen. Einer Reliquie gleich könnte das Stück Stoff dort hinter Glas öffentlich zur Schau gestellt werden. Hinter Glas nicht etwa wegen Diebstahls- oder Anschlagsgefahr, sondern wegen möglicher Geruchsbelästigung.

Aufrufe: 020.6.2014, 10:00 Uhr
von Heinz Gläser, mzAutor