2024-05-08T14:46:11.570Z

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In die Kritik geraten ist der Spendenaufruf des Hessenligisten FC Hanau 93.	Foto: magele-picture/Fotolia
In die Kritik geraten ist der Spendenaufruf des Hessenligisten FC Hanau 93. Foto: magele-picture/Fotolia

Unverständnis und Kopfschütteln

KONTROVERSE: +++ Bedroht Corona die Existenz von Amateurfußballvereinen ? / Spendenaufruf von Hanau 93 wird kritisch diskutiert +++

region . Wie existenzbedrohend ist die durch die Coronakrise auferlegte Fußball-Zwangspause im Amateurbereich für die Spitzenvereine der Region? Der FC Hanau 93 hat bereits am Wochenende Alarm geschlagen und seine Mitglieder und Freunde um Spenden gebeten, um laufende finanzielle Verpflichtungen trotz wegbrechender Einnahmen kompensieren zu können. In den sozialen Netzwerken rief der auch dort publizierte Spendenaufruf des Hessenligisten – moderat ausgedrückt – auch kritische Töne hervor.

Art und Weise und auch der Zeitpunkt lösen in Anbetracht der dramatischen Ausnahmesituation, in der sich die Menschen im Land befinden, bisweilen Unverständnis und Kopfschütteln aus.


„Wir werden kritisiert, dass wir uns den Virus zunutze machen, um an Gelder zu kommen. Dabei ist es doch gerade der Virus, der in den kommenden Monaten ein Massensterben an Vereinen auslösen wird. Ja Hanau 93 geht es finanziell schlecht – und das übrigens erst nicht seit Corona – und wir haben uns mit dem Brief an unsere Sponsoren und Fans gewandt, weil wir Hilfe brauchen. Ich traue mich wenigstens das öffentlich zu tun und stecke da auch gerne die Prügel ein“, erklärte Abteilungsleiter Giovanni Fallacara, der gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Adolfo Alonso den Hilfeaufruf unterzeichnet hat. Weniger die fehlenden Einnahmen aus dem vorerst einzig abgesetzten und dazu nicht als Kassenschlager zu erwartenden Heimspiel gegen den Tabellenletzten FSV Fernwald (terminiert ursprünglich für den 28. März) bereiteten die größten Bauchschmerzen, vielmehr sind es fortlaufende Gehaltszahlungen und die daraus resultierenden Abgaben an Berufsgenossenschaft, Krankenkassen und Knappschaft. „Wir sind solide aufgestellt und haben unsere Spieler alle ordnungsgemäß angemeldet, aber wir sind von der Einnahmenseite zeitlich nach vorne raus lahmgelegt“, skizziert Fallacara die Lage. Dass der Hessenligist seit geraumer Zeit finanzielle Probleme hat, verhehlt Fallacara nicht. Ein Aufruf an Mitglieder, Gönner und Fans sei ohnehin geplant gewesen. Erst kam der Terror in Hanau dazwischen, jetzt Corona. Irgendwann habe man sich an die Öffentlichkeit wenden müssen, betont der Italiener. Aus dem angesprochenen Kreis potentieller Geldgeber habe es auch keine Kritik gegeben, Unmut sei nur über Social-Media-Kanäle geäußert worden. „Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich nicht auf unsere Situation hingewiesen hätte“, so Fallacara. Aktuell sei es keineswegs gesichert, dass der Traditionsverein auch in der kommenden Saison die Hessenliga wird stemmen können. Von der sportlichen Berechtigung geht Fallacara fest aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ab Mitte April wieder gespielt werden kann. Die Saison wird bestimmt annulliert und es wird keine Auf- und Absteiger geben“, prophezeit der Abteilungsleiter des ältesten Fußballvereins Hessens.

„Seit sieben Jahren kämpfe ich mit anderen für diesen Verein ums Überleben. Dabei haben wir auch unzählige Spendenaktionen für andere Vereine gemacht. Jetzt brauchen wir Hilfe und werden prompt kritisiert“, verteidigt sich Fallacara, der aktuell auch kommissarisch den Förderverein des FC Hanau 93 leitet.

Wie sieht es eigentlich bei den Verbandsligisten im Kreis Hanau aus? „Uns brechen zwar Zuschauereinnahmen und Umsätze in der Gaststätte weg, aber das bringt den Verein in keine finanzielle Schieflage“, erklärt Matthias Filbrich aus Sicht der der Sportlichen Leitung des Tabellenzehnten FC Germania Großkrotzenburg. Die zu zahlenden Aufwandsentschädigungen an die Spieler seien zudem an Spiele und Siege gekoppelt. Heißt überspitzt formuliert: Kein Aufwand, keine Siege, kein Geld. „Spieler, die vom Fußball leben wollen, sind bei uns sowieso deplatziert“, erläutert Okan Sari, der Sportchef des Verbandsliga-Zweiten SC 1960 Hanau. Generell gelte es in diesen schwierigen Zeiten, Verzicht zu üben. „Es gibt in der ganzen Welt jetzt wahrlich wichtigeres als Fußball“, betont Sari. Einen Spendenaufruf, um mögliche Etatlücken zu decken, kommt für ihn nicht infrage. „Ich denke, die Vorstände sind vielmehr gefragt, ihr Vereinsumfeld derzeit etwas anders zu lenken“, so Sari. Dass Einnahmen fehlen und eine Saisonverlängerung einen Verein wie den SC 1960 Hanau organisatorisch wie finanziell vor Herausforderungen stellen würde, will Sari gar nicht bestreiten. Generell sieht er seinen Verein jedoch gut und solide aufgestellt und glaubt, dass der HSC diese Krise gemeinsam mit seinen Mitgliedern meistern wird.

Gelassenheit herrscht auch beim Spitzenreiter 1. FC Erlensee vor. „Wir haben keine Existenzängste“, erklärt der Vereinsvorsitzende Tobias Gebhardt. Als nicht planbare Größe seien Zuschauereinnahmen ohnehin nicht im Etat verankert. „Der Fußball muss jetzt in den Hintergrund rücken und da sind wir in den Vereinen alle gefordert, unsere Beiträge dazu zu leisten“, spricht Gebhardt klare Worte. Am schmucken neuen Sportgelände am Fliegerhorst ruht derzeit der Betrieb – sowohl im Jugend – als auch im Seniorenbereich. Gebhardt sieht keinen Druck. Der FCE hat keine kostspieligen Vertragsverhältnisse mit Spielern und Trainern und derzeit falle der üblicherweise erstattete Aufwand auch gar nicht an. Fehlende Umsätze in der Vereinsgaststätte seien zwar ärgerlich, dafür entfallen aber auch Kosten für Einkäufe und Unterhaltung der Sportanlage. „Die Fixkosten sind in einem überschaubaren Rahmen und für einen gewissen Zeitraum können wir dies finanziell überbrücken“, sagt Tobias Gebhardt. Mitleid mit Fußballvereinen sei aufgrund der großen Notlage in der gesamten Bevölkerung nicht angebracht. Gebhardt: „Alle Lebenslagen sind von der Coronakrise betroffen und wir müssen alle lernen, bei einer stündlich neuen Nachrichtenlage vernünftig damit umzugehen.“



Aufrufe: 019.3.2020, 08:00 Uhr
Frank SchneiderAutor