Wer es auf einem Talenttag schafft, auf sich aufmerksam zu machen, der kann ziemlich gut Fußballspielen. Talenttage, das sind diese Veranstaltungen der Profivereine, bei denen sich jährlich massenhaft Kinder und Jugendliche tummeln, mit großen Augen und noch größeren Erwartungen, aufgereiht in Schlangen hinter "Jahrgangsschildern" – den Traum vom Fußballprofi vor Augen. Auch die Kammerbauer-Zwillinge waren einst auf so einem Talenttag. 150 Kinder spielten am Valznerweiher vor. Vier kamen in die engere Auswahl, zwei wurden letztlich genommen. Die Zwillingsbrüder David und Patrick.
Jahr für Jahr spielten die beiden Brüder Seite an Seite in den Jugendteams des 1. FC Nürnberg, als Stammspieler. Mitspieler wurden regelmäßig aussortiert, Patrick und David nicht. Auch für die Juniorennationalmannschaften des DFB wurden sie regelmäßig berufen. Linksfuß David spielte meist auf der Außenverteidigerposition, Rechtsfuß Patrick eher im zentral. In der U16 und U17 kommt David auf 12 Länderspiele, Patrick auf 14.
Heute, knapp zehn Jahre nach ihrer Sichtung auf dem Talenttag, stehen beide mit 20 Jahren auf dem Sprung in den Herrenfußball. Aber nur einer der beiden hat es in die Profimannschaft des 1. FC Nürnberg geschafft. Patrick unterschrieb im Juli letzten Jahres einen Profivertrag und kam bereits zu zehn Einsätzen in der zweiten Bundesliga. David dagegen muss sich mit der vierten Liga begnügen. Regionalliga West, Sportfreunde Siegen, Tabellenplatz 16. "Ich gönne meinem Bruder alles", sagt David, der täglich mit Patrick telefoniert. "Er berichtet mir natürlich über seine Erlebnisse bei den Profis und dass es ihm gut gefällt, ist ja klar." Neid kommt bei ihm keiner auf.
Zwar wurde auch David beim Club eine Perspektive aufgezeigt – den Zweijahresvertrag für das Regionalligateam der Nürnberger lehnte er allerdings ab. "Ich wollte etwas Neues ausprobieren", sagt er. Im Nachhinein wohl keine gute Entscheidung. Denn einiges ist danach schiefgelaufen, daraus macht Kammerbauer selbst auch keinen Hehl. Von seinem Berater hat er sich mittlerweile getrennt. Kurzzeitig war er vereinslos, hielt sich beim Bayern-Regionalligisten SV Seligenporten fit. Er spielte in Lotte und bei Hansa Rostock vor. Dritte Liga, immerhin. Zu einer Verpflichtung kam es dort allerdings nicht. "In Rostock habe ich schon gedacht, dass es irgendwie klappen könnte", sagt Kammerbauer. "In Lotte war es komisch, da war ich nur zwei Tage und es waren total viele Testspieler da", sagt er. Kein Zuckerschlecken, die "Casting-Shows" der Drittligaklubs.
Ein Profivertrag in der Bundesliga, oder der zweiten Liga zu ergattern, wie es Zwillingsbruder Patrick geschafft hat, davon ist er bei den Sportfreunden Siegen dann doch schon ein Stück weit entfernt. Abgehakt hat er seinen Traum aber nicht, schließlich fängt die Karriere mit 20 Jahren ja auch gerade erst an. "Ich will jetzt erst einmal mit Siegen den Nichtabstieg schaffen", sagt Kammerbauer. Und was dann noch kommt? Wer weiß das schon. Viele ehemalige Jugendnationalspieler stranden in unteren Ligen. Kammerbauer wäre da sicherlich kein Einzelfall. Wer aber über so viele Jahre im Gleichschritt mit dem Bruder die Jugendteams durchlaufen hat, für den ist klar: "Ich will das gleiche erreichen. Und ich glaube daran."