2024-04-25T14:35:39.956Z

WM 2014
Erik Durm gehört zu den Shootingstars im deutschen Team.  Foto: dpa
Erik Durm gehört zu den Shootingstars im deutschen Team. Foto: dpa

Umschüler mit dem Drang nach vorne

Zwar wird Erik Durm gegen Portugal wohl lediglich zu Löws ,,Spezialkräften" zählen, der rasante Aufstieg des Dortmunders bleibt aber verblüffend.

Verlinkte Inhalte

So sieht ein Bild von einem Schwiegersohn aus, wie ihn sich jede Mutter für ihre Tochter erträumt. Kesse blonde Haartolle, ein bisschen auf James Dean getrimmt, gewinnendes Lächeln, eloquent, selbstbewusst, aber nicht vorlaut. Abitur hat er auch, abgelegt an einer Mainzer Fußball-Eliteschule. Und das Beste kommt noch: Erik Durm ist noch zu haben. ,,Eine Freundin hab' ich nicht", sagte der 22-Jährige am Freitag im Campo Bahia, dem WM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Nur 19 Bundesligaspiele
Durm hebt an diesem Samstag um 21 Uhr Ortszeit im DFB-Flieger von Porto Seguro nach Salvador ab, wo am Montag das erste Gruppenspiel gegen Portugal auf dem Programm steht. Auch wenn er dann sehr wahrscheinlich zu jenen ,,Spezialkräften" zählt, von denen Bundestrainer Joachim Löw jüngst sprach (und die früher Ersatzspieler hießen), muss dem gebürtigen Pirmasenser das Ganze ein bisschen surreal vorkommen. Hier lebt einer seinen Traum. Ganze 19 Bundesliga-Spiele für Vizemeister Borussia Dortmund hat er im Reisegepäck mit nach Brasilien gebracht. Sein Länderspiel-Debüt feierte er kurz vor knapp am 1. Juni im Test gegen Kamerun. In der Saison davor stand Durm noch für die BVB-,,Zweite" in 30 Partien auf dem Platz, und auch seine Stationen SG Rieschweiler, 1. FC Saarbrücken und FSV Mainz 05 klingen nicht unbedingt nach großer, weiter Fußball-Welt - eher schon diverse Einsätze in den deutschen Jugendauswahlteams U19, U20 und U21.

Am 10. August 2013, also mit 21, debütierte Durm am ersten Spieltag der Saison im deutschen Oberhaus. In der Ära der Götzes und Draxlers ist er also beides: Senkrechtstarter und Spätberufener. Das mag an dem kleinen Umweg liegen, bis er seine ideale Position und taktische Bestimmung gefunden hatte. In Durms Adern fließt Stürmerblut. ,,Das war ich 15 Jahre meines Lebens. Der Drang nach vorne ist noch da. So ganz wird man den Stürmer aus mir nicht mehr rausbekommen", sagte er. Dass BVB-Coach Jürgen Klopp seine Außenverteidiger gerne offensiv agieren lässt, kommt dem sprintstarken Umschüler auf der linken Seite natürlich zugute. Dass die Spielphilosophien von Klopp und Löw ,,relativ ähnlich" seien, wie Durm am Freitag anmerkte, würden allerdings so nicht viele unterschreiben - vermutlich nicht mal Klopp und Löw selbst.

Neuling übt sich in Demut
Der 22-Jährige hat schnell begriffen, dass er sich im Elitekreis DFB-Elf erst mal demonstrativ in Demut üben muss. ,,Ich schnappe hier alles auf, was ich aufschnappen kann. Es ist eine Riesen-Erfahrung für mich. Ob ich zum Einsatz komme oder nicht, wird hinten angestellt", solche bescheidenen Worte hört man im DFB-Tross gerne. Durm vergaß auch nicht, seinen unglücklichen Teamkollegen Marcel Schmelzer zu erwähnen, den Blessuren den WM-Kaderplatz gekostet hatten. Ein ,,sehr, sehr guter Freund" sei sein Konkurrent auf der BVB-Außenbahn, ja sogar ,,ein Vorbild". Bei aller vornehmen Zurückhaltung kann Durm auch dezent forschere Töne anschlagen. ,,Klar kochen die auch nur mit Wasser", sagte er mit Blick auf den ersten Turnierauftritt des Rekordweltmeisters Brasilien. Die Schlussfolgerung ist logisch: ,,Ich zähle auch uns auf jeden Fall zum Favoritenkreis." Und als die Qualitäten von Portugals Weltfußballer Cristiano Ronaldo zur Sprache kamen, gab sich Durm erstaunlich abgeklärt: ,,Wenn du als Fußballer Angst vor jemandem hast, kannst du die Leistung nicht abrufen." So einfach ist das.

Platz auf der Bank reserviert
Löw hat durchblicken lassen, dass er gegen Portugal seine Abwehr mit den vier gelernten Innenverteidigern Boateng, Mertesacker, Hummels und Höwedes bestücken wird. Für den 1,83 Meter großen Erik Durm wäre dann ein Platz auf der Bank reserviert. ,,Wir gehen auf jeden Fall mit breiter Brust rein", sagte er. Das entspricht in seinem Fall nur bildlich gesprochen der Wahrheit. Der Newcomer ist das, was man im Fußball ein Hemd nennt.

Aufrufe: 015.6.2014, 14:00 Uhr
Von Heinz Gläser, MZAutor