2024-04-30T13:48:59.170Z

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Auch wenn es nicht mehr so aussieht: Auch an diesem Ort in Gießen wurde mal vereinsmäßig gekickt.	Foto: Friese
Auch wenn es nicht mehr so aussieht: Auch an diesem Ort in Gießen wurde mal vereinsmäßig gekickt. Foto: Friese

Übrig blieb...

VERLORENE PLÄTZE: +++ Am Trieb sollte um 1925 herum eine Militärakademie entstehen, am Ende war es ein Fußballgelände +++

Gießen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr manches Areal in Gießen im Lauf der Zeit seinen Charakter verändert hat. Das gilt auch für den vorderen Trieb, der innerhalb der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst als Exerzierplatz, dann als Kriegsgefangenlager, anschließend als Sportstätte und schließlich als Wohnsiedlung der US-Army genutzt wurde. Während die Dulles-Siedlung heute längst in die zivile Nutzung übergegangen ist und auch die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers vor einigen Jahren eindrucksvoll dokumentiert wurde, dürfte der „verlorene“ Sportplatz am Philosophenwald – übrigens nicht zu verwechseln mit dem Platz der Freien TSG an der Liebigshöhe – aber selbst manchem Gießen-Kenner bis heute eher unbekannt geblieben sein.

Der Platz, den es seit 1925 gab, lag etwa auf Höhe der heutigen Anlage des Tennisclubs Rot-Weiß in der oberen Grünberger Straße, jedoch rund 200 Meter weiter westlich, unmittelbar am Philosophenwald, von dem er nur durch die Fröbelstraße getrennt war. Er war auch von Beginn an weit mehr als ein einfacher Sport- bzw. Fußballplatz, denn die Spielfläche umschloss bereits eine mehrspurige Laufbahn für die Leichtathleten und zu einem richtigen kleinen Stadion fehlte im Grunde nur noch die eine oder andere Tribüne. Heute stehen auf dem Gelände übrigens die beiden westlichsten Wohngebäude der Rooseveltstraße.

Hauptsächlich genutzt wurde der Platz von der SpVgg. 1900, die 1926 aus einer Fusion hervorgegangen war und deren Fußballabteilung damals bereits fünf Senioren- und ebenso viele Jugendmannschaften umfasste, sodass die entsprechende Auslastung in jedem Fall gegeben war. Höchst interessant ist auch die Entstehungsgeschichte des Platzes, basierte er doch auf Plänen der Reichswehr, die in den frühen 1920er Jahren in Gießen eine Art Musterakademie für den militärischen Nachwuchs errichten wollte, in deren Rahmen dem Sport eine besondere Bedeutung zukommen sollte. Eine alte Planungsskizze zeigt, dass weite Teile des Triebs mit Sportplätzen und einer Vielzahl von Funktionsgebäuden bebaut werden sollten. Aber das Projekt zerschlug sich und übrig blieb … ein neuer Sportplatz.

Als die Amerikaner im Frühjahr 1945 nach Gießen kamen, diente das Gelände zunächst vornehmlich als Abstellplatz für deren umfangreichen Fuhrpark und als ab 1950 die ersten Wohngebäude der späteren Dulles-Siedlung für die amerikanischen Soldaten hochgezogen wurden, war es um den ehemaligen Platz am Gießener Philosophenwald endgültig geschehen. Nachzutragen bleibt, dass die SpVgg. für die Beschlagnahme und den Verlust ihres einstigen Domizils zumindest entschädigt wurde und dieses Geld ab 1956 zu großen Teilen in den Ausbau des nur einen Steinwurf entfernt gelegenen Waldsportplatz‘ geflossen ist.

Aufrufe: 025.8.2020, 08:00 Uhr
Christian von Berg (Gießener Anzeiger)Autor