2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Große Sorgen machen sich im Moment viele um den Jugendfußball. Geht vielleicht sogar eine ganze Generation verloren?
Große Sorgen machen sich im Moment viele um den Jugendfußball. Geht vielleicht sogar eine ganze Generation verloren? – Foto: Norbert Herrmann

Am Scheideweg: Quo vadis Nachwuchsfußball?

Welchen Schaden richten Corona und die daraus resultierenden Maßnahmen an der Basis an? FuPa hat sich auf Spurensuche begeben

Die Meldung macht keinen Mut: Der sogenannte "Lockdown light", der den Amateurfußball im Moment schlicht verschwinden lässt, wird erneut verlängert. Mindestens bis zum 10. Januar liegt der gesamte Breiten- und Freizeitsport danieder. Seit Anfang November dürfen sich auch die Nachwuchskicker nicht einmal mehr zum Training treffen, obwohl sie sich ohnehin den ganzen Tag in der Schule sehen. Es steht zu befürchten: Einige werden nicht mehr auf die Fußballplätze der Region zurückkehren. Die Nachwuchsprobleme im niederbayerischen Fußball könnten sich noch einmal signifikant verschärfen. Wie sehen es ausgewiesene Experten? FuPa hat sich in Niederbayern umgehört.

Klaus Mörtlbauer (Nachwuchskoordinator SV Schalding-Heining):

Wie gehen die Nachwuchsspieler mit der Situation um?
"Die Situation ist für alle extrem blöd. Bei den Älteren in der A- und B-Jugend geht`s noch einigermaßen, die können wir ein wenig mit virtuellem Training zuhause bei Laune halten. Schlimm ist es bei den Kleinen, also bis zur D-Jugend. Die verstehen das auch nicht, warum sie nicht mehr auf den Fußballplatz dürfen. Auch ich frage mich: Was soll das Ganze?"

Wie sieht`s hinsichtlich der Motivation aus?
"Diese Frage kann ich im Moment nur schwer beantworten. Das größte Problem ist, dass ich die Jungs derzeit einfach nicht sehen kann. Es fehlt der persönliche Kontakt. Klar sind wir hin und wieder telefonisch im Austausch, aber das ist nicht dasselbe, wie wenn ich mit ihnen auch mal unter vier Augen auf dem Platz sprechen könnte."

Steht zu befürchten, dass eine Generation verloren geht?
"Grundsätzlich bin ich ein positiv eingestellter Mensch und daher sehe ich nicht so schwarz. Wir müssen bisher keine Abmeldungs-Welle verzeichnen. Im Gegenteil, wir dürfen im Winter einige Neuzugänge begrüßen. Was ich mir aber vorstellen könnte: Bei einigen, die zwei Sportarten betreiben, könnte die Entscheidung gegen den Fußball ausfallen. Ich kenne ein paar, die jetzt lieber zum Tennis gehen."

Wie bewertest du die Absage der 2. Spielrunde im Jugendfußball?
"Im Verbandsbereich, wie das bei unserer C-Jugend der Fall ist, trifft uns das nicht ganz so arg. Da stehen noch fünf Spiele aus. Aber unser Kreisliga- oder Bezirksoberliga-Nachwuchs hat jetzt dann im Frühjahr noch ein oder zwei Spiele! Grundsätzlich glaube ich aber nicht, dass wir vor April wieder spielen werden können. Dann wäre die Überlegung: Den Deckel drauf auf die jetzige Saison und ab Mai eine Kalenderjahr-Saison spielen. Aber die Hoffnung ist gering. Der BFV hat seine Vorstellungen und basta, da wird wenig auf die Belange von kleinen Vereinen eingegangen. Ich hoffe, dass wir diese Spielzeit irgendwie rumkriegen und ab Sommer dann wieder normal loslegen können."

Willi Löbenbrück (Leiter Nachwuchsleistungszentrum SpVgg Landshut)

Wie gehen die Nachwuchsspieler mit der Situation um?
"Wir bieten virtuelles Zoom-Training für jede Mannschaft an. Jeden Sonntag schicken die Nachwuchsspieler dann ihre Videos ein. Wir haben daraus einen Wettbewerb gemacht, das kommt sehr gut an. Überraschenderweise auch bei den Kleinsten, die Feuer und Flamme dafür sind. Zusätzlich machen wir uns die Mühe, für jeden einen Trainingsplan anzufertigen, der dann abgearbeitet werden muss."

Wie sieht`s hinsichtlich der Motivation aus?
"Ewig lange können wir das nicht machen, weil dann wird`s zwangsläufig langweilig. Dann sind wir Trainer gefragt, uns neue Konzepte auszudenken und frische Reize zu setzen. Bisher haben wir zum Glück nur zwei, drei Fälle, die gesagt haben sie kommen nicht mehr, weil sie etwas anderes für sich entdeckt haben. Es wird die größte Herausforderung in den kommenden Wochen und Monaten werden, den Nachwuchs irgendwie bei Laune zu halten."

Steht zu befürchten, dass eine Generation verloren geht?
"Ich kann nur hoffen, dass die schwierige Zeit vergessen sein wird, sobald wir wieder normal auf den Platz können. Generell ist es ja so, dass der Jugend im Moment vieles geraubt wird, das ist nicht nur im Fußball so. Die Befürchtung ist schon präsent, Jugendliche zu verlieren. Und ich glaube nicht, dass wir diese dann zurückholen können."

Wie bewertest du die Absage der 2. Spielrunde im Jugendfußball?
"Es ist schon sinnvoll, weil zeitlich würden wir das nicht schaffen. Sportlich natürlich sehr schade, weil Spiele wegfallen. Aber nur ein Beispiel: Bei den Kleinen würde es nichts ausmachen, auch unter der Woche zu spielen. Aber wie soll das gehen, wenn unsere A-Jugend an einem Mittwoch in Aschaffenburg spielen müsste? Ich bin selbst gespannt, was sich der BFV dahingehend noch überlegt. Wir als Verein sind dann auch gefordert. Eine Idee wäre, verstärkt Vergleiche gegen die Nachwuchsleistungszentren Burghausen, Deggendorf, Traunstein oder Rosenheim abzuhalten."

Robert Rothmeier (Jugendleiter FC Künzing)

Wie gehen die Nachwuchsspieler mit der Situation um?
"Für die Kleinsten ist es am schlimmsten, weil die ihrem Bewegungsdrang nicht nachgehen können. Aber da sind jetzt auch mal diejenigen Eltern gefragt, die ihre Kinder normalerweise nur am Fußballplatz abladen."

Wie sieht`s hinsichtlich der Motivation aus?
"Das kann ich im Moment nur ganz schwer beantworten. Wir haben Corona-bedingt den Kontakt derzeit auf ein Minimum heruntergefahren. Ich hoffe, dass die Jugendlichen merken, wie sehr ihnen der Fußball und überhaupt das Sport treiben mit ihren Freunden fehlt. Mein Wunsch wäre es, dass alle motivierter und heißer denn je im Frühjahr zurückkehren werden."

Steht zu befürchten, dass eine Generation verloren geht?
"Das ist nicht ausgeschlossen. Aber ich will jetzt hier sicher keine Weltuntergangsstimmung verbreiten. Wenn die Jungs nicht mehr richtig ziehen, ist es unsere Aufgabe, sie wieder von der Couch runterzuholen. Wir sind gut beraten, positive Stimmung zu verbreiten. Alles schwarzmalen hilft auch keinem weiter."

Wie bewertest du die Absage der 2. Spielrunde im Jugendfußball?
"Das ist eine Katastrophe. Es gibt bei uns Mannschaften, die haben im Frühjahr noch zwei Spiele. Wie soll ich die Spieler denn dafür motivieren? Mich hinzustellen, eine Vorbereitung zu machen für ganze zwei Spiele. Da sinkt selbst meine Motivation unter null. Die Saison ist doch ohnehin schon total zerschossen und sollte abgebrochen werden. Warum geht der BFV beispielsweise nicht her und sagt: Ok, das ist eine bescheidene Situation, deswegen drehen wir alles noch einmal zurück und fangen zum Beispiel in der Bezirksoberliga, wo unsere A-Jugend spielt, wieder von vorne an. Dann hätten alle Teams im Frühjahr acht Spiele. Aber der Verband ist ja vielmehr damit beschäftigt, wo man den Fußball denn überall verändern könnte. Ich sage aber ganz klar: Wenn man ständig an etwas herumdoktert und Anpassungen vornimmt, dann ist das der Anfang vom Ende."

In einem weiteren Beitrag werden wir uns explizit mit der Situation an den ostbayerischen Elite-Standorten Deggendorf und Regensburg beschäftigen.

Aufrufe: 03.12.2020, 16:27 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor