2024-04-19T07:32:36.736Z

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Den Sportvereinen wird viel zugemutet, mancher Klubfunktionär sieht sich als Zauberkünstler
Den Sportvereinen wird viel zugemutet, mancher Klubfunktionär sieht sich als Zauberkünstler – Foto: hae

Corona-Pandemie: ASV Dachau verfasst mit 13 Vereinen Positionspapier

Situationsanalyse und Lösungskonzepte

14 Großsportvereine aus Bayern haben Positionspapier verfasst. Neben Forderungen an die Politik haben die Klubs eine Strategie zur Öffnung des Sportbetriebs erarbeitet.

Bei den Entscheidungen der Politik werden nach Meinung der beteiligten Klubs nicht alle Aspekte genügend berücksichtigt Verdopplung der staatlichen Vereinspauschale deckt bei weitem nicht alle Ausfälle ab und zwingt die Sportvereine zu unpopulären Maßnahmen Forderungskatalog erstellt – Vereine erwünschen sich Kopfpauschale und stellen möglichen Zeitplan für sukzessive Öffnungen des Sportbetriebs vor

Den Breitensport nicht aus dem Blick verlieren

Die Lage ist ernst, Zeit für ein Positionspapier zur aktuellen Corona-Lage. Das haben sich der ASV Dachau und 13 weitere Großsportvereinen aus ganz Bayern gedacht, sie haben ihre Gedanken zu Papier gebracht.

„In dem Positionspapier schildern wir, die größeren Breitensportvereine, zum einen unsere derzeitige Situation, zum anderen schlagen wir einen Stufenplan zur Wiederaufnahme des Sportbetriebs vor“, betont ASV-Pressesprecherin Silke Andersson. „Das alles selbstverständlich unter strengen Hygieneregeln, denn wir sehen durchaus die Notwendigkeit von Einschränkungen. Jedoch fordern wir, den (Breiten)-Sport nicht aus dem Blick zu verlieren.“

In der Verlautbarung der 14 bayerischen Großsportvereine heißt es: „Wir fordern, den (Breiten)-Sport stärker in den Fokus zu nehmen und den positiven Aspekt, dass Sport und Bewegung zur Gesunderhaltung unerlässlich sind, in der Bekämpfung der Pandemie umfangreicher zu nutzen. Wir stellen fest, dass den Breitensportvereinen nicht die erforderliche finanzielle Hilfestellung gewährt wird, die sie dringend benötigen.“

Wirtschaftliche Lage der Sportvereine

Zum Thema wirtschaftliche Situation meinen die Vereine: „So divers wie die unzähligen Sportarten sind, so divers ist auch die Vereinslandschaft. Die Coronakrise und die damit verbundenen Einschränkungen für den Sportbetrieb betreffen zwar alle Sportler und Vereine, jedoch in höchst unterschiedlichem Ausmaß. Großsportvereine mit mehreren tausend Mitgliedern, eigenen Vereinsanlagen und hauptamtlichen Personal stehen vor völlig anderen Problemen als kleine Ein-Spartenvereine bzw. Sportvereine ohne eigene Sportanlagen und ohne hauptamtliches Personal. Die Verdopplung der staatlichen Vereinspauschale 2020 versetzte kleine Vereine unter Umständen sogar in die Lage, für die Zeit der Stilllegung des Sportangebots auf Mitgliedsbeiträge zu verzichten. Im Fall vieler Großsportvereine übersteigen beispielsweise allein die Kosten für die Gebäudeversicherung der vereinseigenen Anlagen die Höhe der zusätzlichen Fördertranche. Bislang können die Großsportvereine von den staatlichen Hilfen kaum profitieren. Das Mittel der Kurzarbeit senkt die Personalkosten, jedoch ist auch dieses Mittel in seiner Wirkmächtigkeit beschränkt, da zur Krisenbewältigung ja sogar teilweise mehr Arbeit anfällt als durch das Brachliegen des Sportbetriebs wegfällt.“

Rückkehr zum Sportbetrieb

Der Blick in die Zukunft fällt den beteiligten Vereinen der Initiative ähnlich schwer wie der Politik, schließlich wisse man nicht, was einen noch erwarte. Im Themenpapier blickt man deshalb bei diesem Thema zunächst zurück: „Die Öffnung der Sport- und Freizeitstätten ist im Sommer 2020 in vielen kleinen Schritten erfolgt. Zwischen Mai und September gab es in Bayern etliche verschiedene Varianten an organisatorischen Rahmenbedingungen, was Anzahl der Trainingsteilnehmer, Trainingsfläche und Trainingsdauer betrifft: Fünfer-, Zehner-, Zwanziger-Gruppen, mit Mindestabstand, ohne Mindestabstand, ohne Kontakt, mit Kontakt, als Einzelsportler, als Mannschaft, Indoor, Outdoor, mit Umkleidennutzung, ohne Umkleidennutzung, Spritzschutz in Duschen, Desinfektion, soll, kann, muss…. Die zunächst über die Pressestellen der Staatsregierung verbreiteten Lockerungen fanden erst Tage später Eingang in verbindliche gesetzliche Regelungen, die den organisatorischen Rahmen für den Sportbetrieb bilden. Im Zweiwochenrhythmus die Trainingsorganisation zu ändern hat sowohl die Sportlerinnen und Sportler, die Trainerinnen und Trainer als auch die Verwaltung an ihre Grenzen gebracht.“

Und mit Blick nach vorne betont man in dem Positionspapier: „Öffnungen der Sportstätten im Rahmen des pandemiologisch Verantwortbaren ersehnen wir uns alle – das Staccato aus dem Frühsommer sind wir aber nicht noch einmal in der Lage mitzugehen.“

Der Verein sind die Mitglieder

Besonders ausführlich gehen die 14 Vereine in ihrer Verlautbarung auf die Rolle der Vereinsmitglieder ein: „Das Rückgrat der Sportvereine sind die vielen Ehrenamtlichen, die sich für ihren Sport in unzähligen Arbeitsstunden einsetzen. Ohne sie geht auch bei Großsportvereinen nichts. Trotzdem entstehen Kosten, die finanziert werden müssen. Die Beiträge der Mitglieder werden ergänzt durch die Förderung der öffentlichen Hand – beides ist für das Funktionieren des Sports unverzichtbar und stellt die Haupteinnahmequelle der Vereine dar. Gesunkene Mitgliederzahlen und die fehlende Perspektive, diesen Rückgang zeitnah wieder aufzuholen, stellen insbesondere die Großsportvereine vor ein echtes Problem. Selbst Mitglieder, die ihrem Verein bisher weiterhin die Treue halten und ihre Beiträge zahlen, werden ihre Bereitschaft hierfür nicht endlos aufrechterhalten, sofern das Sportangebot langfristig eingeschränkt ist. Weitere Austritte sind die Folge.“

Viele Kündigungen, kaum Neuaufnahmen

Für die Klubs ist die Mitgliederfluktuation ein weiteres schwieriges Thema: „Aufgrund von Teilnehmerbeschränkungen in den Trainingseinheiten können die Sportvereine die Mitgliederverluste nicht adäquat durch Neuaufnahmen kompensieren. Das Mehr an Kündigungen in Verbindung mit fehlenden Neueintritten führt zu einem hohen Einnahmenrückgang. Insbesondere Vereine mit eigenen Sportstätten sowie hauptamtlichem Personal geraten so in immense Schwierigkeiten. Kaum ein Privatmann kann sich ein Anwesen leisten, wenn er es nicht bewirtschaften kann. Kein Sportverein kann sich eine Sporthalle leisten, wenn sie nicht bespielt werden kann – es sei denn, es ist Hilfe in Sicht.“

Breitensport braucht ein Hilfsprogramm

Um die genannten Probleme lösen zu können, benötige es mehr als aufmunternder Wort oder Durchhalteparolen, so die 14 Vereine weiter: „Der Breitensport benötigt jetzt dringend ein Hilfsprogramm, das adäquat auf die heterogenen Problemfelder der Vereine abstellt. Die bisherigen Überbrückungshilfen für die Wirtschaft greifen nicht. Und es kann und darf nicht sein, dass zugesagte Zuschüsse bei laufenden Baumaßnahmen unter Hinweis auf die prekäre Haushaltslage ausgesetzt werden. Eine Kompensation für den Entfall von Mitgliedsbeiträgen wäre die richtige Hilfestellung für den Sport.“

Aufgabe für gesamte Gesellschaft

Ein weiteres Thema sei die Verantwortung der Sportvereine für eine funktionierende Gemeinschaft.

Der ASV Dachau und dessen Mitstreiter meinen: „Wir wollen unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe wieder wahrnehmen. Überflüssig zu erwähnen, welch unverzichtbaren Beitrag die Sportvereine für Kinder und Jugendliche über den Sport hinaus leisten. Hilferufe von Jugendämtern z.B. an die Ferienprogramme der Sportvereine sprechen eine eindeutige Sprache. Sonderregelungen für Kinder und Jugendliche sind daher unverzichtbar und müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Bereits der erste, mit zwei sportfreien Monaten deutlich kürzere Lockdown hat bei den Trainern in den Sportvereinen ein entsetztes Staunen hinterlassen, wie sehr sich die Kinder und Jugendlichen motorisch verschlechtert haben.“

Kopfpauschale und Öffnung Sportvereine

Mit einem Forderungskatalog wollen die 14 Sportvereine das Thema nun auch konkret angehen. Sie betonen: „Die November- und Dezemberhilfe, die Überbrückungshilfe II sowie die in Aussicht gestellte Verdoppelung der Vereinspauschale gewähren für das Haushaltsjahr 2021 den Breitensportvereinen mit fest angestelltem Personal und eigenen Sportanlagen keine ausreichende Hilfe. Nur mit drastischen Einsparungen, nicht durchgeführten Investitionen und Kurzarbeit haben die Vereine 2020 überleben können. Zusätzlich sind die Haushalte durch die kostenintensiven Infektionsschutzmaßnahmen belastet.“

Die finanziellen Verluste der Vereine werden in folgenden Bereichen nicht durch die bestehenden Hilfsprogramme aufgefangen:

. Mitgliederverluste: nicht erfolgte Vereinseintritte (alle Vereine investieren jedes Jahr im Hinblick auf Mitgliedersteigerungen, sind jetzt aber gebremst durch die Teilnehmerobergrenzen aufgrund der Hygienekonzepte)

. Nicht durchführbare Zusatzangebote (Kurse, Ferienbetreuungen, Mittagsbetreuungen etc.)

. Geringere Spenden

Deshalb sagen die Vereine: „Unser Vorschlag: Kopfpauschale pro verlorenem und pro nicht gewonnenem Mitglied; Anspruch auf Sonderförderung-Corona, wenn per 1. Januar 2021 weniger Mitglieder im Verein sind als per 1. Januar 2020; Für die Dauer von zunächst zwölf Monaten erhält der Verein in 2021 für jedes verlorene Mitglied 240 Euro und für jedes nicht hinzugewonnene Mitglied 240 Euro; Bemessung der Anzahl nicht hinzugewonnener Mitglieder durch Betrachtung eines Fünf-Jahres-Zeitraumes vor den Einschränkungen und Berechnung der durchschnittlichen Mitgliedersteigerung.“

In Sachen Öffnung nach der Sportampel Bayern sehen die Sportvereine folgende Prämissen:

. Kontaktreduzierung und Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten bei entsprechender Inzidenzzahl

. Besondere Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen.

Als Zeitplan könne man sich folgende Regelung vorstellen:

. Öffnung Vereine ab 1. März

. Sonderöffnung Outdoor für Kinder- und Jugendliche bei Sieben-Tages-Inzidenzzahl bis 150.

. Größe und Anzahl der Trainingsgruppen in Abhängigkeit von der Möglichkeit der Einhaltung des Mindestabstands in der jeweiligen Sportstätte

. Altersgruppe von 3 bis 7 Jahre (=Kinder, die auch jetzt schon auf den Spielplätzen erlaubt sind) in Begleitung eines Aufsichtspflichtigen zur Einhaltung des Mindestabstandes

. Altersgruppe von 8 Jahre bis 14 Jahre ohne Aufsichtspflichtigen unter Einhaltung Mindestabstand mit Trainer und Betreuungsschlüssel 1:10

. Öffnung ab 29. März

. Beginn Osterferien: Zulassung Ferienbetreuung/Sportcamps unter Einhaltung der Hygieneregeln aus dem Sommer 2020.

. Öffnung ab spätestens 12. April

. Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 50 und 100: Keine Differenzierung zwischen Indoor- und Outdoorangeboten; feste Trainingsgruppen und keine Durchmischung der Trainingsgruppen; kontaktloses Training. Ausnahme in dauerhafter Zweier Trainingsgruppe oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes; Größe der Gruppe in Abhängigkeit von der Möglichkeit der Einhaltung des Mindestabstandes in der Sportstätte; keine Eltern und keine Zuschauer im jeweiligen Sportraum; FFP2-Maskenpflicht bis zum Erreichen der jeweiligen Sportstätte.

. Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50: Trainingsbetrieb mit Körperkontakt in festen Gruppen von maximal 20 Personen Indoor/Outdoor; Sportveranstaltungen Indoor/Outdoor ohne Zuschauer, FFP2-Maske für Funktionspersonal.

. Sieben-Tage-Inzidenz unter 35: Keine Einschränkungen für den Sport.

Folgende Breitensportvereine haben das Positionpapier zur aktuellen Corona-Lage unterschrieben:

ASV Dachau
ATV 1873 Frankonia Nürnberg
ESV München
MTV München
MTV Bamberg
Post SV Nürnberg
SV DJK Taufkirchen
SV Wacker Burghausen
TS Jahn München
TSV Haar
TSV Neuried
TV 1848 Erlangen
TV Augsburg 1847
TV Fürth 1860

Aufrufe: 012.2.2021, 13:00 Uhr
Dachauer Nachrichten / Rolf GerckeAutor