2024-04-16T09:15:35.043Z

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Pro Saison bekommen Michael Spörer (rechts) und sein Stellvertreter Marc Hetzel mehrere hundert Fälle auf den Tisch, die es zu verhandeln gilt. Foto: Benjamin Schieler
Pro Saison bekommen Michael Spörer (rechts) und sein Stellvertreter Marc Hetzel mehrere hundert Fälle auf den Tisch, die es zu verhandeln gilt. Foto: Benjamin Schieler

Sportrichter: Vom „Seggl“ und schwerwiegenderen Fällen

„Wir nehmen uns nicht wichtiger als wir sind“, sagt Michael Spörer vom Bezirksportgericht

Die Sportrichter Michael Spörer und Marc Hetzel sind die Chefs des Bezirkssportgerichts. Aber was machen die beiden da eigentlich?

Wenn Michael Spörer und Marc Hetzel aktiv werden, dann ist etwas vorgefallen auf Stuttgarts Fußballplätzen. Der Vorsitzende des Bezirksportgerichts und sein Stellvertreter entscheiden nach Passvergehen, Platzverweisen oder Spielabbrüchen über Sanktionen. Bis ein Urteil steht, kann es eine Viertelstunde dauern oder mehrere Tage. Das Duo sucht den Kontakt zu den Vereinen, doch viele lassen die Frist für Stellungnahmen ungenutzt verstreichen – zum Bedauern der Sportrichter. Eine gewisse Affinität zu Recht und Ordnung auf dem Fußballplatz hat Michael Spörer schon immer begleitet. Aktiv gekickt hat er nie. „Ich gehöre zu denen, über die man sagt, sie hätten keine Ahnung von dem, was sie tun, weil sie nie selbst gespielt haben“, sagt er und lacht. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen: Spörer ist ein absoluter Fußball-Experte. Er hat sich nur früh für eine andere Seite entschieden. Bereits in der Schule agierte er als Schiedsrichter, von 1975 an pfiff er offiziell mit Lizenz für den SV Prag Stuttgart, seit 1995 ist er obendrein Schiedsrichterbeobachter. Vor fünf Jahren stieg Spörer zum obersten Richter des Fußballbezirks auf, als Nachfolger von Rudi Gall, der den Job drei Jahrzehnte lang gemacht hatte und aufgrund seiner Erfahrung nach wie vor ein wichtiger Ratgeber ist.

„Wir nehmen uns nicht wichtiger als wir sind.“

In der Frauen-Kreisliga fällt Gall auch noch immer Urteile. Seinen Antritt verband Spörer mit einer Botschaft an die Vereine: „Kommt auf uns zu, sprecht mit uns.“ Es habe sich zu Unrecht die Auffassung etabliert, „die da oben“ täten eh, was sie wollen. Spörer sagt dazu: „Wir nehmen uns nicht wichtiger als wir sind.“ Wenn die Richter nach Platzverweisen ein Urteil fällen sollen, kann das reine Formsache sein. Etwa nach einer Notbremse, die entweder ein oder zwei Spiele Sperre nach sich zieht, abhängig davon, ob aus der folgenden Szene ein Tor resultiert oder nicht. Es kann aber auch furchtbar kompliziert werden, ein gerechtes, verhältnismäßiges Urteil zu fällen. Die Richter müssen sich in erster Linie auf den Bericht des Schiedsrichters verlassen. Sie sind Ehrenamtliche, keine Ermittlungsbeamten. Natürlich wissen sie, dass auch Unparteiische irren können und Dinge möglicherweise nicht ganz korrekt eingeordnet haben. Doch die Option, bis drei Tage nach dem Platzverweis den Sachverhalt aus ihrer Sicht zu schildern, nutzen die wenigsten Vereinsvertreter. Dabei könne sich das durchaus strafmildernd auswirken, sagt Spörer – sofern die Clubs plausibel argumentieren und eine Schiedsrichterbeleidigung nicht etwa dadurch rechtfertigen wollen, dass der Referee eine Fehlentscheidung nach der anderen getroffen habe. Weder Spörer noch Hetzel sind von Beruf Juristen – Spörer ist einer der Betriebsratsvorsitzenden der DB Netz AG, sein Stellvertreter Polizeibeamter. Sie sind zwar den Verbandsstatuten verpflichtet, aber sie sind keine reinen Paragrafenreiter. „Wir versuchen, den gesunden Menschenverstand in unsere Urteile einfließen zu lassen“, sagt Spörer.

„Härtere Strafen wirken nicht automatisch abschreckend“

Die generelle Entwicklung der Umgangsformen bereitet ihm dabei durchaus Sorge. „In meiner Anfangszeit als Schiedsrichter standen Jugendspieler stramm, wenn ich ankam“, erinnert er sich. „Seggl“ war früher eine harsche Beleidigung, heute ist „Wichser“ noch harmlos. „Wenn man sich einst beim Spiel in die Knochen getreten hat, ist man hinterher trotzdem ein Bier trinken gegangen. Heute schlägt man nach dem Abpfiff einfach weiter“, sagt Spörer. Auch wenn die Statistiken nicht besorgniserregend hoch sind: In der Großstadt Stuttgart kommt es so häufig wie in keinem anderen Bezirk des Württembergischen Fußballverbands zu Fällen von Gewalt und Diskriminierungen. Die Richter versuchen darauf zu reagieren. „Härtere Strafen wirken nicht automatisch abschreckend“, findet Spörer, auch wenn manchmal kein Weg an ihnen vorbei führt. Er und seine Mitstreiter wollen vor allem intelligent strafen – durch Geldbußen oder verpflichtende Teilnahmen an Seminaren zu Gewalt und Aggressivität, nach Spielabbrüchen auch mal dadurch, dass Rückspiele unter Verbandsaufsicht gestellt werden. „Wir sind aber nicht die Institution, die für Prävention zuständig ist. Das ist Aufgabe anderer Fachbereiche und auch der Vereine“, sagt Marc Hetzel. Spörer und er wissen natürlich: Platzverweise gehören zum Fußball. Es wird sie immer geben. Aber über ein bisschen weniger Arbeit nach groben Unsportlichkeiten würden sich die Richter nicht beschweren.

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Aufrufe: 018.8.2017, 07:45 Uhr
Filder-Zeitung / Benjamin SchielerAutor