2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview der Woche

Kerem Arslan: "Die Verlockung war riesig"

Kerem Arslan war schon Profi - und spielt jetzt in der Stuttgarter Bezirksliga

Kerem Arslan (20) wagte mit 17 Jahren den Sprung in den Profifußball. Doch er konnte sich nicht etablieren, sein Körper streikte. Jetzt spielt er für den SV Ümmet in der Stuttgarter Bezirksliga.

Von einem der auszog, ein Profi zu werden: Kerem Arslan wurde in der Jugend der Stuttgarter Kickers groß und spielte beim VfB Stuttgart mit Joshua Kimmich, Rani Khedira, Jeremy Toljan und Serge Gnabry zusammen. In der türkischen Jugendnationalmannschaft bekam er die Zehn, Hakan Calhanoglu musste für ihn auf den Flügel weichen. Er wagte früh den Sprung in das Haifischbecken Profifußball. Doch etablieren konnte er sich nicht. Arslan verlor den Spaß am Fußball, tingelte noch einige Zeit durch Ober- und Verbandsliga – und begann, sich ein zweites Standbein aufzubauen. In der kommenden Saison will er Aufsteiger SV Ümmet in der Bezirksliga Stuttgart zum Klassenerhalt führen. Wir haben mit ihm gesprochen.

Kerem, Du bist damals mit 17 Jahren zum Proficlub Bucaspor in die Türkei gewechselt. Wie war die Zeit dort?
Kerem Arslan: Dazu muss sich etwas länger ausholen. Die erste Anfrage kam sogar schon früher, von Galatasaray. Frank Rijkaard war damals der Trainer. Wenn du so eine Anfrage bekommst, dann überlegst du natürlich nicht lange. Ich flog mit meinem Vater und meinem Berater in die Türkei für die Verhandlungen. Doch Galatasaray wurde nur Achter in der Liga, alle Verantwortlichen wurden entlassen und ein Wechsel war plötzlich kein Thema mehr.

Der andere Club mit Interesse war Bucaspor aus Izmir, der Verein war damals gerade in die zweite Liga abgestiegen. Der Verein wollte einen Neuaufbau mit jungen, hungrigen Spielern und die Gespräche mit den Verantwortlichen liefen sehr gut. Ich wurde als jüngster Spieler der Liga verpflichtet und war voller Euphorie. Die Zeit bis zum Saisonstart wollte ich nutzen, um meine Knieprobleme durch eine OP zu lösen. Doch es kam zu einer Infektion. Neun Monate war ich danach verletzt, für Bucaspor konnte ich kein einziges Spiel machen. Mein Vertrag wurde aufgelöst und ich ging zurück zu den Kickers in die U19.

Dort ging es wieder aufwärts?
Arslan: Ja. Ich wurde fit, kam zu Einsätzen in der U19 Bundesliga. Alles lief gut.

Dann kam die nächste Anfrage aus der Türkei?
Arslan: Richtig, von Altinordu. Ein aufstrebender Verein mit gutem Konzept. Sie nahmen mich unter Vertrag, ich wollte die Chance auf Profifußball unbedingt wahrnehmen. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Doch leider spielte mein Körper nicht mit. Ständig gab es Probleme, mal mit dem Knie, dann mit der Muskulatur. So ging es wieder zurück nach Deutschland.

Rückblickend betrachtet: Würdest Du den Schritt wieder so wagen?
Arslan: Im Nachhinein würde ich den Schritt nicht noch einmal so machen. Aber ich war so jung und vor allem so hungrig – die Chancen, dort richtig durchzustarten, die Verlockung, Profifußball zu spielen, war riesig. Zudem war ich sehr selbstbewusst, wollte es unbedingt packen. Schlussendlich überwog das alles einfach das Risiko, dessen ich mir durchaus bewusst war.

Die nächste Station hieß dann VfR Mannheim.
Arslan: Der VfR war meine einzige Option damals, ich unterschrieb für die Oberliga. Im Nachhinein ein Fehler. Es war nicht wohlüberlegt, in der Mannschaft stimmte es nicht, mit dem Trainer kam ich auch nicht klar. Die Zeit war nicht sehr schön. So ließ ich auch nach sechs Monaten meine Option auf eine Verlängerung verstreichen und ging nach Göppingen.

Wo es immerhin fast bis zum Aufstieg in die Oberliga gereicht hat.
Arslan: Ja, aber wir haben die beiden Relegationsspiele gegen den 1. CfR Pforzheim verloren. Auch zu Recht verloren, die waren besser als wir. Insgesamt war die Zeit sportlich nicht so erfolgreich für mich und ich hatte schon in Mannheim mit dem Fußball etwas abgeschlossen. Die Chancen, noch einmal ganz nach oben zu kommen, habe ich nicht mehr gesehen.

So habe ich begonnen, mir ein zweites Standbein im Bereich Fitness/Personal Coaching aufzubauen, habe ein Fernstudium abgeschlossen und damit angefangen, den Trainerschein zu machen. Ich bin realistisch genug um zu wissen, dass mir etwas erarbeiten muss, das nachhaltig ist. Im kommenden Jahr werde ich in Möhringen ein Fitness-Studio übernehmen.

In der kommenden Saison wirst Du zudem für den SV Ümmet in der Stuttgarter Bezirksliga spielen. Wie kam es dazu?
Arslan: Özgür Gülbahar, einer der Verantwortlichen des Vereins, hat mich angesprochen. Der Club hat viele junge, talentierte Spieler und gute Strukturen. Dazu ist man sehr ambitioniert und will viel bewegen. Ich möchte dort eine Führungsrolle übernehmen und vorangehen, den Jungs mit meiner Erfahrung helfen. Vielleicht hilft mein Name auch dem Verein, noch bekannter zu werden. Ich freue mich, das wird eine spannende Aufgabe. Und ich habe wieder richtig Lust auf Fußball, das spüre ich.

Wie gut kennst Du die Stuttgarter Bezirksliga?
Arslan: Ehrlich gesagt quasi gar nicht. (lacht) Ich bin sehr gespannt was mich erwartet und freue mich auf die Liga.

Wurde ein Saisonziel ausgegeben?
Arslan: Ja, der Klassenerhalt ist offiziell das Ziel. Aber wer weiß, wir haben einen tollen Kader und es kommt bestimmt noch der eine oder andere Neuzugang dazu. Vielleicht ist auch ein wenig mehr drin!

Aufrufe: 09.7.2015, 15:00 Uhr
Philipp MaiselAutor