2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
"Saudumm  gelaufen" - das könnte nun auch für den Plattenhardter Trainer Marco Russo persönlich gelten.
"Saudumm gelaufen" - das könnte nun auch für den Plattenhardter Trainer Marco Russo persönlich gelten.

TSVgg Plattenhardt: Russo vor dem Aus

Nächste Trainerdemission in der Bezirksliga Stuttgart steht bevor

Im Plattenhardter Umfeld werden bereits mögliche neue Trainernamen gehandelt. Sascha Gavranovic und Nazim Sevencan gehören zu den Kandidaten.

Auf beide Dinge ist für gewöhnlich Verlass: Im Herbst fallen die Blätter von den Bäumen - und die ersten Fußballtrainer von ihren Stühlen. Da macht die Stuttgarter Fußball-Bezirksliga aktuell keine Ausnahme. Nach dem Aus von Leonardo Eberlein (SKV Palästina Al Q'uds Stuttgart) und Roger Bay (SV Bonlanden II) droht nun dem dritten Coach innerhalb von drei Wochen der Jobverlust. Wenn die Anzeichen nicht trügen, steht Marco Russo beim TSV Plattenhardt vor der Entlassung. Nach dem 0:7-Debakel am Sonntag beim SV Vaihingen werden im Umfeld bereits die Namen möglicher Nachfolger gehandelt, während sich der Gegner überhaupt als Gewinner des Spieltags fühlen darf. Die Schwarzbachkicker sind wieder bis auf vier Punkte an der Spitze der Tabelle dran. Siebenteiliger Torrausch beziehungsweise Kater. Was macht man nach so einem Spiel? Packt man gegenüber der eigenen Mannschaft den Knüppel aus? Oder beamt man sich selbst gedanklich auf eine einsame Insel? Handy aus, Sendepause - und dann erst einmal ganz weit weg? Es ehrt Marco Russo, dass er nichts von alledem getan hat. Der Plattenhardter Trainer bezog tapfer Stellung. Und statt etwaige Schuldzuweisungen zu tätigen, breitete er ganz im Gegenteil indirekt einen schützenden Mantel über die Seinen. ,,Klar, wir haben einen rabenschwarzen Tag erwischt", sagte Russo, ,,aber wir haben auch gegen den mit Abstand besten Gegner gespielt, seitdem ich hier Trainer bin." Wollte heißen: mildernde Umstände. ,,Saudumm gelaufen" halt.

Scholz spricht von "enttäuschendem Saisonverlauf"

Die Frage ist, ob das auch den Abteilungsverantwortlichen als Erklärung genügt für jenes Ereignis, das den Fußballchef Christoph Scholz mit steinerner Miene vom Ort des Geschehens eilen ließ. 0:7. In Worten: Plattenhardt null, Vaihingen sieben. Nein, entgegen erster Vermutungen vom Sonntagabend hatte der Mann vom Ergebnisdienst keinen im Tee gehabt, es handelte sich um die Realität - und somit die gefühlt deftigste Pflichtspielklatsche der Filderstädter seit jenem historischen Pokal-0:7 vom Herbst 1992 gegen den Ortsrivalen SV Bonlanden. ,,Klar, dass man sich nach so etwas Gedanken machen muss", sagt Scholz, der von einem ,,bislang insgesamt enttäuschenden Saisonverlauf" spricht. Seine Beobachtung: ,,Der Mannschaft fehlt die letzte Giftigkeit. Die Spieler sind nicht geil auf den Sieg." Für den gestrigen Montagabend hat er Russo und dessen Assistenten Joachim Beinschrodt zum Gespräch einbestellt. Das Resultat zeichnete sich auch ohne hellseherische Fähigkeiten vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe ab: nämlich Russos Entlassung. Alles andere stellte nach Wertung der Indizien mittlerweile eine Überraschung dar, auch mit Blick auf die Tabelle. Dort ist der mit Spitzenambitionen in die Saison gestartete Vorjahresvierte nur drei Punkte von der Abstiegszone entfernt.

Im Umfeld werden bereits die Namen möglicher Nachfolger gehandelt, darunter zwei Ex-Spieler des Vereins als Favoriten. Erstens: Sascha Gavranovic, der wie berichtet zur Winterpause beim Landesligisten Calcio Leinfelden-Echterdingen aussteigt. Der 47-Jährige galt in Plattenhardt vor zwei Jahren schon einmal als Kandidat, ehe eine Verpflichtung seinerzeit am Veto des damaligen Abteilungsleiters Volker Mack scheiterte - und dann stattdessen Russo kam. Zweitens: Nazim Sevencan. Letzterer befindet sich seit seinen Engagements bei Tunaspor Echterdingen und beim SV Hoffeld in einer Fußballpause.

Knoll mit Rekordtor

Während im Weilerhau also Krisenstimmung herrscht, schwelgt der Gegner im Torerausch. Im Kontrast attestiert der Vaihinger Trainer Klaus Kämmerer seinem Aufgebot ,,eine überragende Vorstellung", vor allem in der ersten Hälfte. Wohl ein Rekord für die Ewigkeit: beim 1:0 waren gerade einmal sieben Sekunden (!) gespielt. Steilpass Giampiero Lapeschi, Torschuss Max Knoll - ein Blitzstart, der die Richtung vorgab. Elf Minuten später stand es bereits 3:0 und lief die Angriffsmaschinerie der Heimelf auf Hochtouren. Eben der Kapitän Knoll sowie Tristan Schmid und der eingewechselte Philipp Rosenberg trugen sich schließlich jeweils zweimal in die Schützenliste ein.

Blieben auf Gastgeberseite lediglich zwei Wermutstropfen. Zum einen schied der erneut starke Lapeschi mit einer Knöchelverletzung aus. Zum anderen ist da das Kapitel Simon Gubisch. Da der Ex-Torschützenkönig demnächst seine zweijährige Studienzeit in den USA beendet haben wird, hatte man am Schwarzbach auf eine Rückkehr gehofft - welche sich nun aber zerschlagen hat. Gubisch steigt auf deutlich höherer Ebene ein - beim FC Schalke 04. Allerdings nicht als Kicker, sondern als Angestellter der Marketingabteilung.

Toll für Gubisch, schade für den SV Vaihingen, bei dem man sich freilich seit Sonntag fragen darf: besteht im Angriff überhaupt Handlungsbedarf? Wie gesagt: 7:0. Da die Vorderen des Klassements zugleich Federn ließen, sind Kämmerer und sein Team wieder auf vier Punkte an der Spitze dran, mithin im Aufstiegsrennen zurück. Vierfacher Wüllbier. Manfred Dambacher ist kein Mann der überschwänglichen Worte. Das ist spätestens nach seinem ersten Auftritt als Interimstrainer der zweiten Mannschaft des SV Bonlanden am Sonntag klar. Wie er die Leistung seines Angreifers Niels Wüllbier bewertet? ,,Ja, ja, schon gut. Das war in Ordnung so", sagt Dambacher. Fußnote dazu: Wüllbier hat mal eben vier Tore erzielt, schoss die Filderstädter damit nahezu im Alleingang zum 5:2 beim weiter im Sinkflug befindlichen Aufsteiger SG Untertürkheim - und führt nun obendrein zusammen mit dem Münsteraner Marco Schulz die Schützenliste der Liga an. Wüllbier, keine Frage, war der Mann des Spieltags. Zur Stelle war er dabei ausnahmslos nach dem gleichen Strickmuster: steil gespielter Ball über die gegnerische Abwehr, dann ein schneller Antritt des 25-Jährigen, dann der kühle Abschluss.

Artur Rohleder machte seine Sache gut

,,Die Jungs", sagt Dambacher, ,,haben insgesamt alle Vorgaben umgesetzt", nicht nur Wüllbier, zum Beispiel auch der Youngster Artur Rohleder, der in der Abwehrzentrale anstelle des kurzfristig ausgefallenen Yannic Buchwald (Fußverletzung) verteidigte. In der Tabelle haben die Filderstädter damit im Spiel eins nach der Ära Roger Bay ihren siebten Platz gefestigt. Einziger Sorgenrund: der Mittelfeldmann Marian Garziella humpelte früh vom Platz. Der Verdacht: ein Muskelfaserriss. Einmaliger Müller. Nein, in den vom Gegner zuletzt seufzend vorgebrachten Punkten will Jörg Elser gar nicht widersprechen. Der Kontrahent hatte deutlich mehr Ballbesitz? Stimmt. Der Gast verbuchte Torchancen zuhauf? Ebenfalls richtig. Und die Sache, dass Fortuna diesmal irgendwie heimlich im Trikot der Spvgg Möhringen mit auf dem Rasen gewesen sein muss? Nun, Elser, der Trainer eben jener Möhringer, sagt es so: ,,Insgesamt war es für uns sicher ein glücklicher Punktgewinn", dieses 1:1 gegen den MTV Stuttgart. Freilich: können die Seinen etwas dafür, wenn der Widersacher Gelegenheiten zuhauf liegen lässt und dann für seinen vergleichsweise mickrigen einzigen Treffer einen Elfmeter braucht - selbiger im Übrigen zurecht verhängt nach einem Handspiel von Steven Jordan. ,,Am Anfang war es Pech, später dann auch Unvermögen", sagt Elser mit Blick auf die Bemühungen des Tabellenachten, der nach der Pause ein ums andere Mal in der hart arbeitenden Möhringer Abwehr hängen blieb.

So hat nicht viel gefehlt, und das gastgebende Filderteam hätte am Ende gar den Spielverlauf vollends auf den Kopf gestellt. In der 90. Minute donnerte Olivier Mendi einen Freistoß gegen die Latte. Zuvor war, wem auch sonst, Steffen Müller der Ausgleich gelungen. Der derzeitige Interimsabteilungschef, Torjäger und Kapitän, laut Elser ,,unsere Lebensversicherung", vollstreckte nach einem Pass von Marian Wieser - auch das zum Seufzen des Gegners.

Aufrufe: 02.12.2014, 17:00 Uhr
Filder-Zeitung / Franz StettmerAutor