2024-04-25T10:27:22.981Z

Interview
Wertingens Trainer Christoph Kehrle vermisst nicht nur den Fußball, sondern auch die persönlichen Gespräche wie zum Beispiel mit Betreuerin Melanie Schmidt (links).
Wertingens Trainer Christoph Kehrle vermisst nicht nur den Fußball, sondern auch die persönlichen Gespräche wie zum Beispiel mit Betreuerin Melanie Schmidt (links). – Foto: Walter Brugger

Notfalls fällt die Sommerpause aus

Was die Trainer des TSV Wertingen und VfL Zusamaltheim zur aktuellen Lage bei den Amateuren sagen

Christoph Kehrle steht mit dem TSV Wertingen in der Bezirksliga Nord auf Platz sieben im gesicherten Mittelfeld der Tabelle, Martin Höchstötter mit dem VfL Zusamaltheim in der A-Klasse West III gar auf Rang zwei. Doch seit über 100 Tagen befinden sie sich mit ihren Teams im Lockdown, können Fußball nur im Fernsehen erleben. Im Interview mit der Wertinger Zeitung geben sie Einblick in ihre Gefühlswelt, blicken voraus und auf die aktuellen Ereignisse in der Bundesliga.

Wie geht es Ihnen derzeit als Trainer einer Amateurmannschaft?

Christoph Kehrle: Der Fußball fehlt mir absolut. Vor allem die Spiele am Sonntag vermisse ich sehr. Aber auch die Tage unter der Woche, wenn ich mich normalerweise mit meinen Spielern auf dem Trainingsplatz treffe, sind nicht mehr das, was sie vor Corona waren. Wir haben zwar eine Lauf-Challenge, an der sich alle Spieler beteiligen, ein Ersatz für ein regelmäßiges Training ist dies allerdings nicht. Gefehlt haben mir in den Wintermonaten vor allem die Hallenturniere. Da trifft man normalerweise viele Fußballer, nicht nur aus dem eigenen Verein. Positiv im Lockdown ist, dass ich mehr Zeit für meine zwei Kinder habe. Darüber freut sich insbesondere meine Frau.

Martin Höchstötter: Mit so einer Situation kann sich, so glaube ich, kein Trainer einer Amateurmannschaft anfreunden. Eine Lauf-Challenge, die wir eingerichtet haben, ersetzt kein Training auf dem Platz. Wir müssen aber die Situation akzeptieren und warten, welche Entscheidungen in Bezug auf einen erneuten Re-Start von den politisch Verantwortlichen getroffen werden.

Wie haltet ihr mannschaftsintern untereinander Kontakt?

Höchstötter: Wir haben eine normale WhatsApp-Gruppe, in der aber nicht so viel kommuniziert wird. Da gibt es zwischendurch mal Kommentare zu Bundesliga-Ergebnissen, viel mehr aber nicht. Ich persönlich telefoniere viel mit Abteilungsleiter Arian Plooij, unser Austausch ist regelmäßig. Viele unserer Spieler habe ich im neuen Jahr bisher kein einziges Mal gesehen. Wie auch, wenn man sich nicht treffen darf.

Kehrle: Über unsere WhatsApp-Gruppe bekomme ich schon mit, wer was macht und wie es ihm geht. Ich versuche auch, pro Woche mindestens vier bis fünf Spieler telefonisch zu erreichen. Miteinander zu reden, finde ich in dieser Zeit sehr wichtig. Eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht vielleicht an der Tankstelle oder im Supermarkt beim Einkaufen ist rein zufällig.

Wann könnte es Ihrer Meinung nach mit dem Kicken wieder losgehen?

Kehrle: Die nächsten vier bis fünf Wochen mit Sicherheit noch nicht. Realistisch erscheint mir ein Termin frühestens Anfang April zu sein. Vorausgesetzt die Hygienekonzepte stimmen.

Höchstötter: Das ist schwer zu beantworten. Solange Blumenläden, Kosmetikstudios oder Gaststätten geschlossen bleiben, sollte sich der Amateursport nicht vordrängen. Die rückgängigen Fallzahlen in der vergangenen Woche waren ein Hoffnungsschimmer, jetzt gehen sie leider wieder nach oben. Wir werden also noch Geduld haben müssen.

Wie viel Vorbereitungszeit ist notwendig, um wieder Punktspiele bestreiten zu können?

Höchstötter: Vier Wochen mindestens. Man kann bei einer Lauf-Challenge so viel unterwegs sein wie man will, ein Ersatz für ein Training auf dem Platz ist dies aber nicht. Die körperliche Belastung bei fußballspezifischen Übungen ist eine ganz andere.

Kehrle: Wären es weniger als vier Wochen, würde dies überhaupt keinen Sinn machen. Nach so einer langen Trainingspause müssen wir alle erst wieder in einen entsprechenden Rhythmus kommen, damit die Automatismen stimmen. Manche Spieler haben während des Lockdowns freiwillig vielleicht nicht so viel getan, wie es nötig wäre. Man darf freilich nicht vergessen, dass Amateurfußball nur ein Hobby ist.

Was halten Sie von der Idee des Sportbiologen Dr. Hennig Wackerhage von der TU München, der im Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes eine Chance für die schnellere Rückkehr auf den Platz sieht?

Kehrle: Was soll denn diese Schnapsidee? Da bleibe ich lieber zu Hause und kümmere mich um meine Frau und die Kinder.

Höchstötter: Mit dieser Frage kann ich überhaupt nichts anfangen. Der Mund-Nasen-Schutz ist für viele Dinge im Alltag sehr wichtig. Mehr sage ich dazu aber nicht.

Inzwischen steht sogar das Szenario eines kompletten Abbruchs der Saison im Raum. Würde sich der VfL Zusamaltheim sich in diesem Fall genauso über den Aufstieg in die Kreisklasse freuen und wie wäre die Stimmungslage beim TSV Wertingen?

Höchstötter: Wir haben als Tabellenzweiter noch fünf Spiele zu bestreiten. Ich hoffe, dass wir diese noch bis Ende Mai über die Bühne bringen. Wenn nicht, dann soll die Saison abgebrochen werden, damit wir dann im August ganz normal in eine neue Runde starten können. Von einer Verlängerung der unterbrochenen Saison in den Juni oder gar in den Juli hinein halte ich wenig. Bei einem Abbruch sollte es trotzdem Auf- und Absteiger geben. Über einen entsprechenden Punkte-Quotienten könnte man dies regeln. Die Freude über einen Aufstieg wäre sicherlich vorhanden, sie wäre aber nicht so groß wie nach einem entscheidenden Spiel unmittelbar auf dem Platz mit Sekt- und Bierduschen.

Kehrle: Uns als Mannschaft im Mittelfeld kann es im Endeffekt egal sein, ob es bei einem Saisonabbruch Auf- oder Absteiger geben wird. Mannschaften, die vorne stehen, möchten für ihre Erfolge verständlicherweise belohnt werden, hintere Teams hoffen vielleicht, dass sie durch eine Annullierung nicht absteigen müssen. Ich würde als Verband alles versuchen, dass die Runde nach einem erneuten Re-Start zu Ende gespielt werden kann. Auch wenn die Saison um einige Wochen verlängert werden muss. Notfalls fällt dann im Hinblick auf die neue Saison sogar die Sommerpause aus. Zwei Wochen Unterbrechung zwischen den Spielzeiten würden reichen – schließlich haben wir durch Corona lang genug Pause gehabt.

Zum aktuellen Geschehen in der Bundesliga. Glauben Sie, dass nach zuletzt zwei nicht gewonnenen Spielen des FC Bayern München im Meisterschaftsrennen nochmals Spannung aufkommt?

Kehrle: Ich als Dortmund-Fan freue mich, wenn zur neuen Saison Marco Rose als Trainer kommt. Das ganze Theater seiner Kündigung in Mönchengladbach verstehe ich nicht. Jeder kann arbeiten, wo er will. Dortmund wird ins Meisterschaftsrennen diese Saison nicht mehr eingreifen können. Ich glaube aber, auch andere Mannschaften nicht. Denn wenn es darauf ankommt, ist Bayern München zu stark, um sich von oben verdrängen zu lassen.

Höchstötter: In der Bundesliga interessiert mich am meisten der FCA. Das jüngste 1:1 gegen Leverkusen war ob des Gegentores in der Schlusssekunde mehr als ärgerlich. An der Tabellenspitze kommt sicherlich neue Spannung auf. Vor allem Leipzig sitzt Bayern München im Nacken. Allgemein schaue ich mir aber nicht viele Spiele im Fernsehen an. Wenn, dann nur im Free-TV während der „Sportschau“ oder im „Aktuellen Sportstudio“. Bezahlfernsehen ist nicht mein Ding.

Mehr Lokalsport gibt es unter www.wertinger-zeitung.de

Aufrufe: 02.3.2021, 20:17 Uhr
Wertinger Zeitung / Günther HerdinAutor