2024-04-24T07:17:49.752Z

Vereinsnachrichten

Victoria Clarholz: Mit Abenteuerlust in die Oberliga!

Vorstand des TSV Victoria Clarholz stimmt nach reiflicher Überlegung dem Aufstieg zu. Das Team von Trainer Christopher Hankemeier geht die Sache aber zu unveränderten Bedingungen an.

Am vergangenen Samstag wechselte Timo Biegel, Stürmer des TSV Victoria Clarholz, seinen Namen. Als Standesbeamter fungierte dabei Reinhard Mainka, Vorsitzender des Fußball-Kreisverbandes Gütersloh. Er gratulierte Timo Ostfechtel nicht nur zur Hochzeit, sondern auch zum Aufstieg in die Oberliga. Damit nahm Mainka im kleinen Kreis vorweg, was der Verein erst jetzt im Rahmen einer Pressekonferenz öffentlich verkündete. „Nach reiflicher Überlegung hat sich der Vorstand entschieden, den Clarholzer Fans zum 100-jährigen Vereinsbestehen Oberligafußball im Holzhofstadion anzubieten.“

Der erste Satz der offiziellen Erklärung des Vereins liest sich – ganz die Clarholzer Art – sachlich und nüchtern. Pressesprecher Marc Borgmann brach ebenfalls nicht in Aufstiegsjubel aus, verlieh der Nachricht aber immerhin etwas mehr Schwung und Euphorie, als er im Beisein von Fußballobmann Frank Topmöller und Trainer Christopher Hankemeier nach kurzer Vorrede die Katze aus dem Sack ließ: „Wir gehen das Abenteuer Oberliga an.“

Ausdrücklich hatte sich der Vorstand Bedenkzeit ausbedungen, nachdem der westfälische Fußballverband am 6. Mai erklärt hatte, dass er zur Aufstiegsentscheidung unter anderem die Quotientenregel heranzieht. Und danach liegt der TSV Victoria in der verrückt engen Tabelle der Westfalenliga (wo den Ersten und Siebten nur drei Punkte trennen), mit einem Quotienten von 1,777 (32 Punkte, 18 Spiele) gleichauf mit Borussia Emdsdetten dank des besseren Torverhältnisses auf Platz eins. In der Tabelle zum Zeitpunkt des Abbruchs sind die Clarholzer nur Dritter.

Der Vorstand wolle nicht aus dem Bauch heraus handeln, sondern zunächst die Rahmenbedingungen für mögliche Oberliga-Szenarien abwarten und abwägen, hatte Borgmann damals gesagt. Beim ersten Teil der Abwägung stellte sich heraus, so Frank Topmöller, dass die infrastrukturellen Gegebenheiten im Holzhofstadion ausreichen. „Oberliga ist für uns Neuland, wir haben da noch nie gespielt“, stellte er fest und gestand, sich unter anderem beim erfahrenen Geschäftsführer des SC Wiedenbrück, Bernhard Hartmann, über die Anforderungen informiert zu haben.


„Wo wenig Geld ist, kann man auch nicht mehr Geld ausgeben“

Der zweite der Teil der Abwägung betraf die Bereitschaft der Spieler zum Aufstieg in eine höhere Klasse. Christopher Hankemeier berichtete von einer „positiven Stimmung“ und einer „einstimmigen Meinung“. Die Truppe habe untereinander „einen Spirit entwickelt, das Projekt anzugehen.“ Diskutiert worden sei vor allem, ob man angesichts von 20 Mannschaften in der Oberliga und einem späten Saisonbeginn (eventuell 20. September) die zeitliche Belastung der zwingend notwendigen Englischen Wochen stemmen könne. Auch hier gab es grünes Licht.

Die finale Abstimmung über die Frage, ob man die Chance zum Oberliga-Aufstieg wahrnehmen soll, sei im fünfköpfigen Geschäftsführenden Vorstand, der zusätzlich noch Topmöller hinzugezogen hatte, mit einem 6:0-Voting erfolgt. Dabei sei der finanzielle Aspekt unumstritten gewesen: „Wo nicht mehr Geld da ist, kann man auch nicht mehr Geld ausgeben.“ Heißt im Klartext: Der TSV Victoria Clarholz wird die Oberligasaison zu Westfalenliga-Konditionen bestreiten. „Sportlich können wir mithalten“, glaubt Christopher Hankemeier.

Es werde aber bei drei Trainingseinheiten pro Woche bleiben (eine weniger als die meisten Konkurrenten), eventuell soll die physiotherapeutische Behandlung intensiviert werden. „Viermal die Woche kann ich den Jungs nicht zumuten, und das wäre auch für mich nicht stemmbar“, sagte der 30-Jährige, der zusammen mit seinem Vater ein Unternehmen führt, das Garten- und Landschaftsbau, ein Blumenhaus, einen Baustoffhandel und Bestattungen umfasst.


"Wir werden das Trainerteam in Ruhe arbeiten lassen"

Der Verein werde den „Clarholzer Weg“ auch in der Oberliga beibehalten, bekräftigte Marc Borgmann. Gemeint ist, bei der Kaderschmiede auf die Integration junger Talente aus der näheren Umgebung zu setzen und auf teure externe Zukäufe zu verzichten. Die Planung für die nächste Saison umfasst daher bei Abgängen von Engin Günej (Viktoria Rietberg), Kevin Drescher (TuS Wadersloh) und Michael Topp (2. Mannschaft) vier Zugänge, von denen nur der Clarholzer Andre Warkentin (SC Wiednebrück) höherklassige Erfahrung hat. Ansonsten kommen noch Dennis Bonin (TuS Freckenhorst), Massimo Drobe (SC Verl II) und Tayfun Ozer (Türkgücü Gütersloh).

Dass es schwer wird, in der Oberliga zu bestehen, ist alle Beteiligten klar. „Für uns ist es ein Bonusjahr“, sagt Frank Topmöller. Ein Abstieg wäre keine Katastrophe: „Wir werden das Trainerteam in Ruhe arbeiten lassen.“ Vor zehn Jahren gelang dem TSV der Titelgewinn in der Bezirksliga und der Aufstieg in die Landesliga. Zwei Jahre später marschierte die Mannschaft – ebenfalls mit Frank Scharpenberg als Trainer – in die Westfalenliga, wo sie seitdem, oft genug nur mit Ach und Krach, stets den Klassenerhalt schaffte.

Dass der Höhenflug in die Oberliga nun ausgerechnet passend zum 100-jährigen Bestehen des Vereins erfolgt, ist die Krönung des Jubiläums. Da eine richtige Aufstiegsfeier wegen Corona nicht möglich ist, muss wohl der offizielle Festakt des TSV Victoria am 17. Oktober dafür herhalten.

Aufrufe: 025.5.2020, 21:30 Uhr
Wolfgang Temme Autor