2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Foto: H. Martinschledde
Foto: H. Martinschledde

"Ich hatte mit dem Kicken abgeschlossen"

Gereon Wessel riss sich zweimal hintereinander das vordere Kreuzband im rechten Knie. Er wollte seine Karriere beenden, steht jetzt aber wieder für Victoria Clarholz im Tor

Er ist endlich wieder da, wo er hingehört. Nach zwei Kreuzbandrissen. Nach vier Operation. Nach drei Jahren Pause. Gereon Wessel hat sich nach den schweren Verletzungen und vielen Komplikationen mit großer Willenskraft wieder zurück ins Tor des Fußball-Westfalenligisten Victoria Clarholz gekämpft. Seinen ersten Kreuzbandriss zog er sich am 18. Juli 2013 zu – am 19. Juli 2016 gab er sein Comeback im Testspiel gegen den SV Avenwedde. Clarholz gewann mit 3:2. Wie der 28-Jährige die lange Verletzungszeit überstand, was sein Trainer Frank Scharpenberg zu ihm nach dem zweiten Kreuzbandriss sagte und welche sportlichen Ziele er sich setzt, erzählt Gereon Wessel im Gespräch mit FuPa-Autorin Astrid Plaßhenrich.

Gereon Wessel über...

...sein Comeback.
„Es war ein überragendes Gefühl, endlich wieder auf dem Platz zu stehen. Es war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Ich habe vorher und nachher viele Nachrichten von Freunden erhalten, die mir viel Glück gewünscht haben und dann wissen wollten, wie es gelaufen ist.“

...seinen ersten Kreuzbandriss.
„Ich bin 2013 verspätet in die Sommervorbereitung eingestiegen und hatte auch schon zum Ende der vorherigen Saison aufgrund einer leichten Handverletzung nur eingeschränkt trainieren können. Vielleicht war die Pause zu lang, um direkt wieder voll einzusteigen. Als bei der ersten Belastung ein abgefälschter Ball auf das Tor kam, wollte ich ruckartig von links nach rechts springen. Dabei ist es passiert. Ich habe sofort gemerkt, dass es eine schlimmere Verletzung ist. Zuvor hatte ich höchstens mal eine Prellung, Verstauchung oder Bänderrisse. Aber das war ein ganz anderer Schmerz.“

...die Behandlung und folgenden Komplikationen.
„Ich wurde fünf Wochen nach der Diagnose ,Riss des vorderen Kreuzbands im rechten Knie’ operiert. Der Heilungsprozess verlief zunächst gut. Doch ab einem bestimmten Zeitpunkt ist das Knie nicht mehr abgeschwollen. Mein erster Arzt sagte, es sei alles gut. Die Schwellung wäre ein kosmetischer Makel, mit dem ich leben müsste. Aber ich sollte mir eine zweite Meinung einholen, was ich auch getan habe. Der Arzt meinte, der Heilungsverlauf sei schlecht und eine zweite Operation sei notwendig. Daraufhin habe ich eine dritte Meinung eingeholt – und der Arzt konnte mir endlich eine schlüssige Erklärung liefern. Hautkeime im Knie haben dazu geführt, dass die Schwellung nicht zurückgegangen ist. Eine zweite Operation war nun aber unumgänglich.“

...die zweite Operation und den ersten Trainingsversuch.
„Im Frühjahr 2014 wurde ich das zweite Mal operiert. Die Schraube wurde gewechselt und das Knie gespült. Die Schwellung ging aber auch jetzt nur bedingt zurück. Einige Monate später konnte ich aber mit dem Laufen anfangen und schließlich im Sommer in die Vorbereitung einsteigen. Beim ersten Training ist es dann passiert. Bei einer Routineübung riss das Kreuzband erneut.“

...den absoluten Tiefpunkt.
„Der war direkt nach der Diagnose. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Kreuzband ein zweites Mal gerissen ist, weil es sich ganz anders anfühlte als beim ersten Mal. In dem Augenblick hatte ich mit dem Kicken abgeschlossen. Ich dachte immer: Nach einer schweren Verletzung kann ich zurückkommen. Aber nach zweien schien mir das unmöglich, auch weil beim ersten Kreuzbandriss der Heilungsprozess schon deutlich länger dauerte als die üblichen sechs bis neun Monate.“

...die große Unterstützung in seinem Umfeld.
„Vor allem meine Frau Yana hat mir immer wieder Mut zugesprochen, an mich geglaubt und mich angetrieben. Sie sagte ständig: ,Sieh zu, dass du wieder auf den Platz kommst.’ Unser Trainer Frank Scharpenberg hat ähnlich reagiert, als ich ihm mitteilte, dass ich aufhören will. Er meinte nur: ,So ein Blödsinn will ich nicht hören.’ Dazu war ich immer Teil der 1. Mannschaft. Auch wenn ich nicht mehr so nah dran war, gehörte ich doch immer dazu.“

...die Operationen drei und vier.
„Ich habe noch einmal den Arzt gewechselt und war schließlich bei Dr. Ralf Berg in Bielefeld in Behandlung. Allerdings konnte nicht direkt ein neues Kreuzband eingesetzt werden, weil die Bohrkanäle in Oberschenkel und Schienbein zu groß waren. Deshalb wurde mir zunächst ein Teil des Hüftknochens im September 2014 entfernt und damit die Kanäle gekittet. Danach musste sechs Monate lang der Knochen durchheilen. Die finale Operation war schließlich am 27. Februar 2015.“

...die Nachwirkungen.
„Der Heilungsverlauf war dieses Mal wesentlich besser. Die Schwellung ging schnell zurück. Allerdings kann ich jetzt nur noch unter Schmerzen knien, das Schienbein ist zum Teil taub, weil Nerven durchtrennt wurden und nach dem Sport wird das Knie dick.“

...das größte Problem bei der Rückkehr auf den Platz.
„Mein Kopf war das größte Problem. Ich war total vorsichtig, selbst beim Laufen. Aber nach und nach habe ich das Trainingspensum gesteigert und festgestellt: Das Knie hält. Da wusste ich, den Rest bekomme ich auch wieder hin.“

...seine sportlichen Ziele.
„Ich bin sehr dankbar, dass der Verein trotz meiner langen Verletzungspause immer zu mir gehalten hat. Ich glaube, dass wäre in vielen Clubs unmöglich gewesen. Für mich heißt es nun, die Routine zurückgewinnen und das geht nur über Spielpraxis. Dadurch gewinne ich mehr und mehr Sicherheit. Ich möchte mich im Wettkampf mit den Torhüterkollegen anbieten und in dieser Saison wieder Meisterschaftsspiele für die Erste bestreiten.“

Vom HSV zur Victoria – Gereon Wessels Weg
  • Gereon Wessel spielt seit 2005 bei Victoria Clarholz.
  • Im zweiten A-Junioren-Jahr erhielt der Torwart die vorzeitige Seniorenerklärung und konnte sich schnell einen Stammplatz beim Westfalenligisten sichern.
  • Der heute 28-Jährige wechselte nach der B-Jugend vom Herzebrocker SV zum Nachbarverein.
  • Wessel arbeitet als IT-Spezialist bei Bertelsmann und ist mit Yana verheiratet.
Aufrufe: 027.7.2016, 14:00 Uhr
Astrid PlaßhenrichAutor