2024-05-02T16:12:49.858Z

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Safak Cetin (unten l.), Trainer Steffen Kircheis (4.v.l. oben) und die siegreiche Mannschaft vom TSV Südwest nach dem zweiten Relegationssieg hintereinander. Foto: Matthias Janousch
Safak Cetin (unten l.), Trainer Steffen Kircheis (4.v.l. oben) und die siegreiche Mannschaft vom TSV Südwest nach dem zweiten Relegationssieg hintereinander. Foto: Matthias Janousch

Südwest feiert eine ganz besondere Aufstiegsmannschaft

Nach sechs Jahren ist der TSV endlich zurück in der Kreisliga

Der TSV Südwest ist endlich, nach sechs langen Jahren, wieder in der Kreisliga. Der einst stolze Klub ver­dankt das einer außergewöhnlichen Mannschaft — und einem Trainer­team, dem es gelang, all ihr Potenzial zum Leben zu erwecken.

Irgendwann, als die Sonne längst untergegangen war rund um die Jäger­straße, Dutzende Gläser Bier und Ouzo die Runde gemacht hatten, Trai­ner Steffen Kircheis ein Lied gesun­gen hatte, da hatte Safak Cetin plötz­lich Tränen in den Augen.

Den letzten Spieltag in der Kreis­klasse 5 hatte der Führungsspieler des TSV Südwest verpasst, schon lange vorher hatte er eine Fanreise geplant zur Europameisterschaft nach Frank­reich. Die Spiele der Türkei wollte er vor Ort unbedingt verfolgen, danach ein paar Tage Urlaub in Nizza anhän­gen. Alles war gebucht, die Tickets ge­kauft — da stand plötzlich die Auf­stiegs- Relegation an. „Wer Safak kennt“, sagt Steffen Kircheis, „der weiß: Da lässt er uns nicht so einfach im Stich.“ Cetin flog dann am Tag nach dem ersten Gruppenspiel der Türken zu­rück nach Deutschland, stand beim 1:0-Sieg über Worzeldorf in der Start­elf. Ein Spiel, das dem Trainer, wie er sagte, zeigte, was alles in dieser Mann­schaft steckt. „Wir hatten eine gute Saison gespielt“, findet Kircheis, „aber für ganz oben hat es am Ende nicht gereicht, weil wir gegen die drei direkten Konkurrenten in sechs Spie­len nur einen Punkt geholt haben.“ Im Punktspiel gegen Worzeldorf, beim 2:4, ein paar Wochen zuvor, hat­te Kircheis in der Kabine in leere Ge­sichter geblickt. „Jungs“, erzählt er, habe er gesagt, „da merkt man eben, dass ein bisschen mehr dazugehört, um ganz oben mitzuspielen.“ Was genau das war, das haben seine Jungs dann in der Relegation gezeigt.

Über ihr schönes Spiel hinaus haben sie plötzlich gekämpft, keinen Ball mehr verloren gegeben, mit Lei­denschaft jeden Zweikampf bestritten — und am Ende gewonnen, mit 1:0. Gegen jenes Worzeldorf. „Da kamen schon die ersten Schulterklopfer“, erinnert sich Kircheis, „obwohl wir ja noch gar nichts erreicht hatten.“ Vor der Runde war der 47-Jährige vom TSV Katzwang gekommen, „schö­ne Jahre waren das“, sagt er. Hätte er bei Südwest kein Potenzial erkannt, hätte er nicht ihren Trainer gemacht. Trotzdem war es auch für den erfahre­nen Coach bald Neuland, eine Mann­schaft zu übernehmen, die aus einem besseren Hobbyteam heraus entstan­den war. „Disziplin und Ehrgeiz“, sagt Kircheis, „das musste ich ihnen erst beibringen.“

Erst recht, als das erste Vorbereitungsspiel mit 0:12 gegen den Bezirksligisten TV Büchenbach in die Hose ging. Der Kapitän stand in der Kabine, so ähnlich wie viel später der Trainer nach dem 2:4 gegen Worzel­dorf, und sagte: „Jungs, dieses Jahr überspringen wir am besten. Wir fan­gen erst übernächste Saison an.“ Doch Steffen Kircheis dachte gar nicht daran.

Ein wenig belächelt war er worden, als er sein Ziel vor der Mannschaft ver­kündet hatte: „Die Kreisliga“, so der Coach, „die muss es schon sein. Das ist mein Anspruch: mindestens Kreisli­ga.“ Die meisten, vermutet er, werden sich gedacht haben: Komm, lass den reden, der hat ja keine Ahnung.

Doch als sie dann die ersten sechs Spiele plötzlich gewonnen hatten, an der Spitze der Kreisklasse 5 standen, „da hat es dann klick gemacht“. Die Ernsthaftigkeit, der Ehrgeiz und die Kameradschaft waren plötzlich die Attribute, die eine ungeheure Kraft entfalteten. „Natürlich haben manche nach den ersten Niederlagen wieder den Kopf hängen lassen, aber diesmal haben nicht alle anderen mitgemacht, sondern aufgerüttelt“, sagt Steffen Kircheis. „Die Jungs haben daran geglaubt, was ich die ganze Zeit ge­sagt habe.“

„Das ist das Geilste, was ich bisher erlebt habe im Amateurfußball“

Nach dem ersten Sieg über Worzel­dorf, dem Erreichen eines Relegations-Endspiels gegen Emskirchen in Burg­grafenhof um den Aufstieg in die Kreisliga, ist Safak Cetin wieder nach Frankreich geflogen. Das zweite Grup­penspiel der Türkei stand an. „Es hat aber in ihm gearbeitet“, hat Kircheis beobachtet, in der mannschaftsinter­nen Whats App-Gruppe wurde heiß diskutiert: „Die Jungs wussten natür­lich, dass Safak einer unserer besten Spieler ist“, sagt Kircheis. Und sehr bald hat Safak Cetin alles, was er so lange gebucht und geplant hatte die­ser Mannschaft von Südwest zuliebe einfach über den Haufen geworfen.

Am Samstag um 5 Uhr morgens ist er in München gelandet, ein Mitspie­ler hat ihn vom Flughafen abgeholt. Um 14 Uhr stand er in Burggrafenhof auf dem Platz, für das Spiel des Jah­res, ja, des Jahrzehnts, für den einst so stolzen BOL-Klub. Nach wenigen Mi­nuten wurde Cetin gefoult, der folgen­de Strafstoß bedeutete das 1:0 für Süd­west. „Eine Geschichte“, findet Stef­fen Kircheis, „wie sie nur der Fußball schreiben kann.“ Nach 90 Minuten stand es 4:0 — „endlich, endlich“, rief Abteilungslei­ter Gerhard Germaschewski immer wieder, einer derer, wie Kircheis sagt, die neben Co-Trainer Toni Huber und Betreuer Joe die Väter des Erfolges sind.

Sechs Jahre lang war Südwest Kreisklassist, nun endlich ging es zu­rück, immerhin in die Kreisliga. „Was dann los war“, so Kircheis, „das habe ich noch nie erlebt.“ Um sieben Uhr morgens verließ der Letzte das Sport­heim, zuvor hatten sie auch einen Autokorso über die Südwesttangente veranstaltet. Die größte Geste aber er­lebte Safak Cetin. Die Mannschaft, die Fans, die Verantwortlichen hatten kurzerhand gesammelt, um ihrem Mit­spieler das verlorene Geld durch die Stornierungen zu ersetzen. Als sie ihm die 500 Euro übergaben, hatten sich seine Augen vor Rührung längst mit Tränen gefüllt. „Diese Relegation, die­se Geschichten“, sagt Steffen Kirch­eis, „waren das Geilste, was ich bisher erlebt hab im Fußball.“

Aufrufe: 021.6.2016, 10:27 Uhr
Christoph Benesch (NN)Autor