2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
– Foto: Thies Meyer

Liebe auf den dritten Blick

RL SÜDWEST: +++ Steinbachs Neuzugang Florian Bichler über das hartnäckige TSV-Interesse und einen stressigen Januar +++

Haiger. Das Gelände des Fußball-Regionalligisten TSV Steinbach Haiger gleicht derzeit einer Baustelle. Die Straße, die am Stadion vorbeiführt, ist gesperrt, Erde aufgetürmt, Bagger stehen bereit und warten auf ihren Einsatz. Auch im Gebäude der Geschäftsstelle wird gebohrt und gehämmert, die Räume sind über den eigentlichen Haupteingang nicht mehr zu erreichen, die Toiletten können derzeit nicht genutzt werden und im Flur stehen Umzugskartons. Zu allem Überfluss hat ein Blitzeinschlag vor ein paar Tagen die Telefonanlage lahmgelegt.

Florian Bichler aber lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Der von West-Regionalligist Rot-Weiss Essen gekommene Neuzugang (Vertrag bis 2021) nimmt sich Zeit für einen kurzen Smalltalk, begrüßt Mitarbeiter wie Geschäftsführung und hat, zwei Tage vor dem Restrundenauftakt bei Bayern Alzenau (Samstag, 14 Uhr), dann auch noch einige Minuten für ein Gespräch mit dieser Zeitung. Er wirkt dabei, als sei er schon immer ein Teil des TSV gewesen. Doch der 28-Jährige gehört gerade einmal knapp einen Monat dem aktuellen Tabellendritten an. Der Wechsel des Flügelflitzers verlief äußert zügig, und doch in Etappen – sozusagen Liebe auf den dritten Blick. Warum, verrät Bichler im Interview.

Herr Bichler, Mitte Januar ging alles ganz schnell: Zunächst waren Sie mit ihrem alten Club Rot-Weiss Essen vom 15. bis 19 Januar im Trainingslager im spanischen Cadiz, am 23. Januar wurde ihr Wechsel zum TSV Steinbach Haiger offiziell verkündet und bereits am 24. Januar saßen sie mit den neuen Teamkollegen im Flieger in die Türkei. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Natürlich ist es immer entspannter, im Sommer zu wechseln, wenn man sich im besten Fall schon zwei, drei Monate vorher vorbereiten und sich frühzeitig um eine Wohnung kümmern kann. Natürlich war es trotzdem ein wenig hektisch. Ich bin einen Tag vor dem Trainingslager nach Haiger gefahren, um den Vertrag zu unterschreiben, dann wieder zurück nach Essen, um am nächsten Tag in der Früh am Flughafen Düsseldorf zu sein.

Hatten Sie da überhaupt Zeit für die Wohnungssuche oder gar den Umzug?

Zunächst konnte ich mich damit nicht wirklich intensiv beschäftigen. Mittlerweile haben meine Frau Michelle und ich eine Wohnung in Herborn ab dem 1. Mai gefunden. Das passt ganz gut, weil die Wohnung in Essen bis 30. April läuft. Übergangsweise wohne ich in einer Ferienwohnung in Dillbrecht. In einer Woche zieht dann auch meine Frau mit ein. Wenn die Saison jetzt losgeht, werde ich aber versuchen, sonntags nach dem frühen Training mit meiner Frau nach Essen zu fahren, und montags abends zurück. Auch, um den Umzug weiter voranzutreiben. Täglich pendeln, wie einige Teamkollegen, werde ich nicht.

Wie wurden Sie von der Mannschaft aufgenommen?

Richtig gut. Ich bin hier in ein intaktes Team mit guten Charakteren gekommen, die mir die Eingewöhnung auch leicht gemacht haben. Einige Spieler kannte ich ja noch aus meiner Zeit bei der SV Elversberg von den direkten Duellen. Und mit Moritz Göttel habe ich dort schon zusammengespielt, der Kontakt zu ihm ist nie abgerissen. Wir sind gut befreundet, haben auch die letzten zwei Jahre Silvester in Haiger verbracht. Er ist beim TSV auch meine Bezugsperson. Daher war das alles easy.

Der TSV Steinbach Haiger hat sich schon längere Zeit um Sie bemüht. Wie lief die Kontaktaufnahme?

Bereits vor dem Wechsel nach Essen im Sommer 2018 habe ich mich am Haarwasen mit dem damaligen Trainer Matthias Mink sowie Matthias Georg getroffen. Ehrlich gesagt habe ich mich zu diesem Zeitpunkt für Essen entschieden, weil ich damit die Möglichkeit hatte, für einen Traditionsclub zu spielen. Und auch im vergangenen Sommer gab es Gespräche mit dem aktuellen TSV-Trainer Adrian Alipour. Doch mit Christian Titz kam auch ein neuer Trainer nach Essen. Da wollte ich mich erst einmal beweisen und zugleich meinen Vertrag bis Sommer erfüllen. Nach dem es anfangs gut lief, musste ich aber zuletzt häufig auf der Rechtsverteidiger-Position, die mir nicht unbedingt liegt, spielen oder war lediglich Backup.

Und was war für Sie letztlich ausschlaggebend für den Wechsel an den Haarwasen?

Ich sehe jetzt bei Steinbach die bessere Perspektive, mich auf meiner Position auf der linken oder rechten Außenbahn zu beweisen. Das offensive Pressing-System von Adrian Alipour passt perfekt zu meiner Spielweise mit vielen Tempodribblings und Zug zum Tor. Zumal ich die gesamte Zeit, auch durch Moritz Göttel, den TSV immer verfolgt habe. Der Verein war mir immer sympathisch und gerade in den letzten zwei Jahren wurde deutlicher, dass hier sehr zielstrebig und professionell gearbeitet wird. Hier entsteht etwas. Das merkt man auch an den Neuzugängen der letzten Jahre. Da sind viele Spieler dabei, die eine entsprechende Vita vorzuweisen haben.

Sie haben in Unterhaching und Erfurt Drittliga-Luft geschnuppert. Wäre es für Sie reizvoll, auch im Steinbach-Trikot nochmal in der 3. Liga aufzulaufen?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das nicht mein Ziel ist (lacht). Ich habe hier auch einen längeren Vertrag unterschrieben. In dieser Saison ist das nicht unser Hauptziel, aber nächstes Jahr vielleicht. Zunächst wollen wir aber die gute Hinrunde, anders als in den vergangenen Jahren, bestätigen.

Das Interview führte Tim Georg.



„Wir sind gut gerüstet“

Während die meisten Teams der Regionalliga Südwest erst am 22- Februar in die Restrunde starten, ist der TSV Steinbach Haiger bereits an diesem Samstag (14 Uhr) in der Nachholpartie gegen Bayern Alzenau, die sich kurz vor dem Ende der Transferfrist noch mit einem Quintett aus jungen Spieler verstärkt haben, gefordert. Für TSV-Trainer Adrian Alipour allerdings kein Grund für Sorgenfalten: „Wir kennen den Gegner sehr gut, haben uns informiert, wie die Vorbereitung bei Alzenau lief. Sie haben gute Offensiv-Qualitäten und sind technisch stark. Wir sind also gewarnt, den Gegner nicht ins Spiel kommen zu lassen.“

Die Steinbacher gehen gestärkt in die Partie. „Wir hatten eine sehr gute Vorbereitung inklusive einem tollen Trainingslager mit einem top Hotel und guten Trainingsbedingungen. Das Mannschaftsklima ist super, wir sind gut gerüstet.“ Auch Neuling Florian Bichler hat sich aus Alipours Sicht perfekt eingefügt: „Menschlich ein top Typ, das ist für uns das Allerwichtigste. Er ist sehr bodenständig, bescheiden und sehr zuvorkommend. Und spielerisch ist er eine Rakete, besitzt herausragendes Tempo und ist technisch versiert.“ Hinzu kommen die „gefühlten Neuzugänge“ Moritz Göttel, der nach seinem Kreuzbandriss aber noch Individualtraining absolviert, und Tino Bradara, der „so trainiert, als sei er nie weggewesen.“ Beste Voraussetzungen also für einen guten Start in die zweite Saisonhälfte, wenngleich Alipour das gesperrte Innenverteidigerduo Benjamin Kirchhoff und David Al-Azzawe ersetzen muss. (tig)

Aufrufe: 013.2.2020, 18:02 Uhr
Dill-Post / Dill ZeitungAutor