2024-05-10T08:19:16.237Z

Testspiel
Sportlich konnten die Asiaten nicht überzeugten, die Mainzer gewannen mit 3:0. F: Wolff
Sportlich konnten die Asiaten nicht überzeugten, die Mainzer gewannen mit 3:0. F: Wolff

Eklat im "Länderspiel"

Testspiel von Schott Mainz gegen die U 20 Nationalmannschaft Chinas sorgt für Aufsehen +++ Chinesische Delegation erregt sich über Tibet-Flaggen auf der Tribüne +++ Schott siegt 3:0

Mainz. Als morgens um 7.45 TSV-Schott-Mitarbeiter Christian Hessel die Mombacher Bezirkssportanlage aufschloss, um das erste Kamerateam reinzulassen, ahnte noch niemand, welche Kontroverse dieser Fußball-Nachmittag mit sich bringen würde. Das Gastspiel der chinesischen U20-Nationalmannschaft stand bevor. Und beim Gastgeber waren sie gut gerüstet.


VIP-Zelt-Chefin Margit White hatte die Speisen mittels Online-Übersetzer eigens auch auf Chinesisch beschriftet, die vom Verband erbetene Anzahl Teesorten war vorrätig, Proteste von Ultra-Gruppierungen blieben komplett aus. Für einen funktionierenden Ablauf hatte der DFB im Vorfeld mit einem akkuraten Zeitplan (13.52 Uhr Schuhkontrolle, 13.54 Uhr Start der Einlaufmusik...) gesorgt. Beim – dennoch leicht verspäteten – Anstoß erläuterte der frühere FCK-Trainer Milan Sasic, der sich um die Unterbringung der chinesischen U20 kümmert, im TV-Interview bei Sport1 die deutsch-chinesische Fußballpartnerschaft. Die Polizisten und die 30 Ordner blickten einem entspannten Nachmittag entgegen, im Gästeblock wehte als einziger Gast eine große chinesische Flagge. Angefeuert wurden die Kicker ganz in Rot von einer Schar Landsleute, die in Zivil inmitten der anderen Zuschauer saß. Der Vorsänger nutzte, neben einem Kinderwagen stehend, als Trommel zwei Plastikflaschen. Unter den 400 Zuschauern bildeten die Journalisten gemeinsam mit jenen mit offenkundig fernöstlichen Wurzeln die Mehrheit.

Doch auf einmal wurde es turbulent. Zwei chinesische Betreuer spurteten auf die gegenüber liegende Seite, wo einer ihrer Spieler behandelt werden musste. „Wir hatten erst befürchtet, dass er sich schwerer verletzt hat“, berichtet TSV-Trainer Sascha Meeth. Stattdessen ging es um die sechs Fahnen der Tibet-Initiative Stuttgart. Abmarsch in die Kabine, während sich alle Journalisten und Kamerateams auf die Protestierer stürzten. Der frühere chinesische Nationaltrainer Klaus Schlappner schimpfte in die Fernsehkameras, es gehe hier um ein Fußballspiel, das die Tibet-Initiative zweckentfremde. Nach rund 20 Minuten rollten die Protestierer ihre Fahnen freiwillig ein. „Wir wollen nur auf die Problematik in Tibet aufmerksam machen, den anderen aber nicht das Fußballvergnügen nehmen“, sagte ihr Sprecher. Zwischenzeitlich hatte sich eine Gruppe Chinesen mit der Fahne aus dem Gästeblock genähert, war dann aber, als Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes anrückten, wieder in Richtung Gästebereich gewichen.

Vergnüglich wurde es anschließend vor allem für die Mainzer. Janek Ripplinger traf nach der Unterbrechung zum 1:0 (35.), Ilias Soultani legte nach (37.). Die DFB-Delegation brütete derweil über einer Stellungnahme, wollte sich ohne Rücksprache „mit Frankfurt“ nicht äußern. Zum Wiederanpfiff erläuterte Eckhard Krautzun, noch ein beim chinesischen Verband untergekommener, früherer Lautern-Coach, vor den Sky-Kameras, wie im Reich der Mitte das deutsche Nachwuchsleistungsmodell adaptiert werden soll. Der Erfolg wird sich erst noch einstellen müssen, legt man Durchgang zwei zugrunde. Denn nun war der Regionalliga-Vorletzte deutlich überlegen. Khaled Abou Daya (65.) legte das 3:0 nach, hinten brannte gar nichts mehr an, U19-Keeper Marc Schöne erlebte sein Debüt in der ersten Mannschaft quasi beschäftigungslos.

Unterdessen verließen die sichtlich verängstigten Tibet-Protestierer das Gelände in Begleitung von fünf Securitys und dabei aufmerksam beäugt von einem chinesischen Delegationsmitglied. Nach dem Abpfiff traten dann DFB-Vize Ronny Zimmermann und der chinesische Trainer für Zwei-Minuten-Statements vor die Kameras. Die Mainzer strahlten ob der gelungenen Eigenwerbung. Ripplinger, die Hinrunde über ohne Regionalligator, feixte nach seinem „Länderspieltreffer“: „Wenn's drauf ankommt, bin ich da.“ Meeth erklärte: „Auch wenn es eigentlich um nichts geht, kannst du was gewinnen – ein gutes Gefühl, Selbstvertrauen.“


Aufrufe: 019.11.2017, 16:00 Uhr
Torben Schröder Autor