2024-04-16T09:15:35.043Z

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Das Interview der Woche mit David Heser. F: Ig0rZh – stock.adobe / Buls
Das Interview der Woche mit David Heser. F: Ig0rZh – stock.adobe / Buls

"Bier ist blöd"

Athletiktrainer David Heser spricht über Verletzungsmiseren im Fußball - und hat Ratschläge für Amateurkicker, die gesund bleiben wollen

MAINZ. Es gehört schon fast zum Fußball dazu: das eklatante Verletzungspech mancher Sportler. Kaum hat die Saison begonnen, liegt schon wieder ein halbes Dutzend Spieler im sprichwörtlichen Lazarett. Aber woran liegt das? Der Athletiktrainer des TSV Schott Mainz, David Heser, sieht die generelle Belastung im höherklassigen Amateurfußball als Grund an. Der Fitness-Fachmann erläutert, was die Spieler tun können, um Verletzungen vorzubeugen. Und er erläutert, was den modernen Fußball so gesundheitsgefährdend macht.

Man hat den Eindruck, dass es in keiner Sportart so viele Verletzte gibt wie im Fußball. Welche Rolle spielte das bei Deiner Präventionsausbildung?

Fußball ist gemeinsam mit Ski an der Spitze, ja. Im Studium und auch auf den Trainer-Fortbildungen gab es nicht spezifisch das Thema, wie man einen Fußballer vor Verletzungen schützt. Fachlich, etwa was das Dehnen angeht, hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Aber die eine Übung, die einen Spieler vor Verletzungen schützt, wird es nie geben. Solche Prozesse entwickeln sich über Jahre, über eine mangelnde Lauftechnik, über Dysbalancen.

Es gibt keine Übung, die einen Fußballer pauschal schützt, klar. Aber offenbar gibt es ja Anforderungen im Fußball, die das Verletzungsrisiko steigern. Kann man diese Anforderungen nicht reduzieren?

Die Anforderungen beim Fußball, die Scher- und Dreh-Bewegungen, sind für den Organismus einfach nicht gut. Die Aufgabe der Physios und Athletiktrainer ist, den Körper so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Das A und O ist, wenn man den Athletik-Gurus folgt, die Individualität. Aber im Amateursport kann man die anfälligeren Spieler nicht mit drei Athletiktrainern versorgen. Ernährung, Schlaf, Vorbelastung spielen große Rollen...

und diese Komponenten sind im Amateurbereich einfach schlechter zu regulieren – speziell wenn man dann mit lauter Werktätigen im Team unter der Woche andauernd auf Auswärtsfahrten geschickt wird.

Das stimmt. Allerdings haben wir in der Bundesliga, trotz bestmöglicher Versorgung, auch viele Verletzte.

Was macht den Fußball so gefährlich?

Es ist eine Vollkontaktsportart. Und der Untergrund ist gefährlich, vor allem wenn er wechselt. Wir haben die Kopfbälle drin – Marco Senftleben hatte allein in der Oberligasaison vor zwei Jahren drei oder vier Mal einen Cut am Kopf. Viele Mannschaften spielen mit langen Bällen, und in die zweiten Bälle wird dann volle Kanne reingerauscht.

Hinzu kommen die vielen Knie- und Knöchelverletzungen, die ich jetzt ganz laienhaft eher auf motorische Dinge zurückführen würde.

Könnte ein Grund sein, ja. Eine gute Qualität an Bewegungskoordination und Antizipation, Balance und Gleichgewicht sind ganz wesentliche Faktoren, um einen Teil der Verletzungen zu reduzieren. Da machen wir auch viel. Aber Faktoren wie, ob ich zweieinhalb Stunden im Bus gesessen habe und den ganzen Tag im Büro war, können wir nicht kontrollieren.

Wer, wie ihr beim TSV Schott, viel mit flachen, schnellen Kombinationen operiert, wird umgehauen. Bei lange Bälle, zweite Bälle rasselt es eh. Gibt es Gedankenspiele, eine Spielweise zu finden, die weniger riskant ist?

Nein. Die Schott steht für Tempo unten am Boden, für Gier und technisch sauberen Fußball, für Handlungsschnelligkeit. Unsere Aufgabe als Trainer ist, im Trainingsbetrieb das Tempo hochzuhalten, damit der Bewegungsapparat der Spieler präpariert ist. Ein fitter Spieler verletzt sich seltener als ein unfitter, gute Kondition bedeutet gute Erholungsfähigkeit. Das ist unsere Aufgabe. Man darf niemals in ein Spiel reingehen mit der Angst, sich zu verletzen. Zweikämpfe annehmen und gewinnen, das müssen wir im Training üben.

Was kann ein Amateurspieler tun, um sein Verletzungsrisiko zu reduzieren?

Ganz viel Stabilisationstraining. Die Grundlagenausdauer muss da sein. Es ist wichtig, mit einem guten Gefühl ins Spiel zu gehen. Es tut nicht mehr weh, also trainiere ich direkt wieder volle Kanne mit – das ist gefährlich.

Und beim Thema Ernährung?

Ich würde alles vermeiden, was Entzündungsprozesse im Körper beschleunigt, also in erster Linie Alkohol, Fleisch – vor allem rotes –, Süßigkeiten. Wenn ich immer wieder Probleme mit bestimmten Muskeln, Bändern oder Sehnen habe, muss ich für die Liebe zu meinem Sport konsequent sein und verzichten. Auch möglichst auf alles, was Säure bildend ist, Milchprodukte vor allem.

Das klingt schrecklich.

Es klingt total uncool, ich weiß. Aber es hilft. Ernährungsmittel, die entzündungshemmend sind, etwa Zimt oder Ingwer, helfen. Die Ernährung gehört im höheren Amateurbereich einfach dazu. Natürlich trinken die Jungs auch mal ihr Bier nach dem Spiel, aber streng genommen ist es blöd. Alkohol beeinflusst alle Stoffwechselprozesse negativ, es ist das Schlimmste, was man als Sportler seinem Körper antun kann.

Wenn man den Mythen von früher glaubt, waren das Bier nach dem Spiel – und wahlweise auch dem Training – sowie in südlicheren Ländern auch das Gläschen Wein davor nichts Unübliches. Bevor es das Pressing gab, hatten die Spieler mehr Ruhe am Ball, es ging nicht so hektisch hin und her. Und es gab, wenn der Eindruck nicht trügt, viel weniger Verletzte. Mir erscheint es so, als wird der Fußball, je wissenschaftlich ausgetüftelter und moderner er ist, immer gefährlicher.

Ja, klar. Die Entwicklung ist bewiesen. Fußball ist schneller, wird enger und anspruchsvoller, die Spieler rennen mehr. Dadurch gibt es auch mehr Verletzungen. Ich weiß nicht, wohin die Entwicklung im taktischen Bereich geht. Die Pressingsituationen im höchsten Tempo prägen im Moment das Bild, und da muss jede Bewegung zu 100 Prozent sitzen. Standards werden immer wichtiger, Ecken und Freistöße, da muss man sich reinschmeißen. Volle Kanne.

Eine sportliche Entwicklung, die – hart formuliert – gesundheitsgefährdend ist.

Ja, kann man fast so sagen. Die Intensität ist extrem hoch. Aber diese Situationen sind eben die, die im Moment gefordert sind.

Schöner wird das Spiel dadurch nicht.

Dem stimme ich zu, ja. Es liegt vielfach an einer gewissen 1:0-Fixiertheit, der bloßen Orientierung am Ergebnis. Aber wir sehen ja auch immer wieder Spiele, in denen beide Mannschaften total schönen Offensivfußball spielen.

Aufrufe: 031.8.2018, 14:00 Uhr
Torben SchröderAutor