2024-04-24T13:20:38.835Z

Ligavorschau
Fabian Ragg (links) und der TSV Riedlingen wollen sich in der Landesliga etablieren. (Foto: Thomas Warnack)
Fabian Ragg (links) und der TSV Riedlingen wollen sich in der Landesliga etablieren. (Foto: Thomas Warnack)
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Die Wiedergeburt der Rothosen

Der TSV Riedlingen vor dem Start in die Landesligasaison 2020/2021

Riedlingen - Ein bisschen klingt es wie ein Sportmärchen. Als Hans Hermanutz den TSV Riedlingen im Oktober 2016, vor dem 10. Spieltag der Kreisliga A1 übernahm, standen die Rothosen mit dem Rücken zur Wand. Nach acht absolvierten Partien lag Riedlingen auf Platz zwölf, hatte gerade mal acht Punkte auf dem Konto und war dem Absturz in die Kreisliga B näher als dem Aufstieg in die Bezirksliga.

Nur 20 Spiele später zeigte der „Kontostand“ 60 Zähler. Riedlingen hatte in 20 Spielen 17-mal gewonnen, gegen Betzenweiler unentschieden gespielt und 52 Punkte geholt, bei nur zwei Niederlagen - gegen Meister SG Altheim und gegen die SG Öpfingen. Platz zwei und Teilnahme an der Relegation. Dass es gegen den SC Türkiyemspor im Vergleich der beiden A-Liga-Zweiten (noch) nicht reichte, war damals auch der Jugend des TSV Riedlingen geschuldet, die im „Abnutzungsspiel“ inklusive Elfmeterschießen einfach noch nicht über die nötige Erfahrung verfügte. Einen Umstand, den sie nur ein Jahr später korrigierte, als sie von 28 Spielen 25 gewann, nur einmal den Platz als Verlierer verließ und 121 Tore erzielte. Der Beginn eines Aufstiegs und Ende einer langen Fußball-Tristesse rund ums Donaustadion. „Wir wollten den Fußballfans in Riedlingen einfach wieder die Freude am Sport zurückgeben. Sie sollten wieder gerne ins Stadion kommen und nicht sagen: Die bringen ja eh nichts“, erinnert sich Riedlingens Trainer Hans Hermanutz an die Wiedergeburt des Fußballs in Riedlingen.

Dabei reicht die gemeinsame Geschichte des Trainers Hans Hermanutz und vieler seiner heutigen Spieler weiter zurück. Denn einen großen Teils des Kaders der heutigen ersten Mannschaft kennt Hermanutz schon als Kinder. „Ich habe damals viele Spieler im zweiten Jahr in der E-Jugend schon trainiert“, erinnert sich der 65-Jährige an den Beginn der gemeinsamen Wegstrecke. Und so glaubt man dem Trainer auch, wenn er davon spricht, dass die Mannschaft ein guter Zusammenhalt auszeichne, gutes Teamwork, sodass der Titelgewinn in der abgebrochenen Saison auch das Resultat der mannschaftlichen Geschlossenheit ist. Denn nach der Eingewöhnungsphase in der Bezirksliga in der Saison 2018/2019 als Fünfter mit 16 Siegen, sechs Unentschieden und acht Niederlagen, 54 Zählern und der bis heute letzten Liganiederlage am 17. März 2019 zu Hause gegen den SV Hohentengen (1:3), folgte eine in vielerlei Hinsicht kuriose Saison 2019/2020. Coronabedingter Abbruch, Wertung nach Punkteschnitt (Punkte durch Anzahl der Spiele). Das wohl einzig nicht kuriose an der Saison war der Meistertitel des TSV Riedlingen. Denn die Hermanutz-Elf beherrschte die Liga fast nach Belieben. 17 Spiele, 16 Siege, ein Remis - 0:0, mal wieder gegen den SV Hohentengen - 49 Punkte, 60:14 Tore, 15 Punkte Vorsprung auf den Zweiten, Hermanutz' Ex-Klub FV Neufra/Do. Selten war ein Meistertitel verdienter. Nicht wenige trauen dem TSV Riedlingen auch in der Landesliga eine Überraschung zu. Die Rolle des (kleinen) Hechts im ziemlich großen Landesligakarpfenteich.

Seit vier Wochen bereitet sich der TSV Riedlingen auf genau diese Rolle vor. Vier Wochen, in denen die Mannschaft nach der langen Coronapause wieder versuchte, in den Tritt zu kommen. „Es gilt auch, die Spieler heranzuführen, die noch nicht wieder ganz fit sind“, sagt Hermanutz. „Zum Beispiel Felix Schmid, der seit eineinhalb Jahren nicht mehr gespielt hat. Auch Patrick Spies hat lange nicht mehr gespielt und braucht noch einige Zeit, um wieder in den Wettkampfmodus zu kommen“, sagt Hermanutz. „Aber es wird, peu à peu. Der Kern der Mannschaft ist aber schon im Rhythmus, sieben, acht Spieler sind schon richtig gut drauf und wenn alle fit sind, glaube ich nicht, dass wir uns in der Liga verstecken müssen“, sagt der Coach, seit dessen Amtsantritt der TSV Riedlingen 70 von 89 Ligaspielen gewann. Wie gut die Mannschaft ist, hat sie in den ersten Testspielen bewiesen. Gegen Ex-Landesligist Harthausen/Scher siegte der TSV deutlich (4:0), souverän entschied Riedlingen auch das Turnier in Altheim für sich und bewies bei der 1:2-Niederlage im Pokal in Albstadt, dass es auch mit den „Großen“ mithalten kann. Am Mittwochabend folgt ein Test beim FV Bad Saulgau und am Sonntag, 17.30 Uhr gegen Pfullendorf. Dann gibt es vor dem Spiel auch den Wimpel aus den Händen von Staffelleiter Jürgen Amendinger.

In der Runde zählt Hermanutz vor allem auf das Rückgrat der Mannschaft. Den verbandsligaerprobten Martin Schrode, den Hermanutz einst selbst beim SV Daugendorf formte und Kapitän Fabian Ragg, so etwas wie Hermanutz' verlängerter Arm auf dem Feld, aber auch auf den vor einem Jahr aus Neufra gekommenen Matthias Binder, der den Defensivverbund zusammenhält. „Matthias als erfahrener Spieler kann gerade den jungen Spielern sehr viel helfen“, sagt der Trainer. „Nicht vergessen dürfen wir auch Raphael Sontheimer. Sensationell wie er das macht“, lobt er den Abwehrspieler. Neben den genannten erfahrenen Spielern kommen viele Spieler im „Mittelalter“. „Ich kann sie gar nicht alle nennen. Aber sie hätten es verdient. Das Gros ist 22 bis 24 Jahre alt. Im besten Fußballeralter“, sagt Hermanutz. Dazu ein echter Talentschuppen wie Hannes Schmid („Ich glaube, er hat es noch nicht bereut, dass er den Schritt aus Ravensburg zu und gemacht hat“) oder die Mia-Büchele-Brüder, Kim und Nico Büchele.

Und: Der Kader wird noch durch einige Spieler verjüngt: Zwei A-Junioren sind zur Mannschaft gestoßen, Tarik Mehira und Karl Kutsch. Hans Hermanutz kann es wie nur wenige gerade mit jungen Spielern, weiß, was es heißt, diese möglichst behutsam aufzubauen und nach oben zu führen. Und wohl genau deshalb folgen die Spieler ihrem Trainer fast bedingungslos. „Ich glaube, uns zeichnet eine gegenseitige Akzeptanz aus. Das ist auch wichtig. Aber natürlich habe ich auch angesichts meiner Vergangenheit als Spieler eine gewisse Autorität vorzuweisen. Und: Ich weiß, was meine Spieler können. Sie sind technisch gut ausgebildet. Ich glaube, mir ist es auch gut gelungen, gegenüber dem einen oder anderen sensiblen Spieler den richtigen Ton zu finden“, sagt der Coach.

Das Startprogramm ist schwer, die Saison wird anspruchsvoll. Das weiß Hans Hermanutz, der Albstadt, Biberach und Laupheim zu den Favoriten zählt, als alter Insider der Landesliga, wohl besser als mancher andere. „Natürlich ist das Auftaktprogramm mit den Spielen in Balingen und gegen Biberach richtig schwer und da kannst du auch mit zwei Niederlagen starten. In der Landesliga entscheiden auch mal Kleinigkeiten.“ Deshalb warnt er: „Wenn es mal nicht so läuft, müssen wir alle ruhig bleiben und nicht kopflos werden.“ Spürbar richtet er seinen Appell an sich und seine Spieler, aber auch ans Umfeld rund ums Donaustadion. „Wir wollen uns in der Liga etablieren. Unser Ziel ist es, unter den besten Zehn zu landen.“ Klar, auch Hans Hermanutz weiß, dass er sich in diesem Fall keine Sorgen um den Klassenerhalt mehr machen müsste. Wohl auch deshalb, kann er „mit dem Modus selbst leben“.

Und so ist der TSV Riedlingen inzwischen wieder die Nummer eins im Fußball in und um Riedlingen. „Ich glaube, dass sich die ganze Stadt wieder für den Fußball beim TSV Riedlingen interessiert. Ich weiß, dass viele Neugierige in der vergangenen Saison gekommen sind und zugeschaut haben, Menschen, die ich da zehn Jahre nicht getroffen habe“, sagt Hans Hermanutz. „Wenn wir das schaffen, den Menschen den Spaß wieder am Fußball zurückzugeben, haben wir doch etwas erreicht.“

Aufrufe: 012.8.2020, 06:21 Uhr
Marc DittmannAutor