2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Für die ehrenamtlichen Ordner ist es wichtig, das richtige Verhalten in heiklen Situationen zu lernen Foto (Archiv): Schmidt
Für die ehrenamtlichen Ordner ist es wichtig, das richtige Verhalten in heiklen Situationen zu lernen Foto (Archiv): Schmidt

"Zivilcourage kann und muss man trainieren"

WFV-Schulung für Platzordner in Kuppingen stößt auf großes Interesse

Knapp 40 Ordner aus 22 Vereinen haben in Kuppingen (Bezirk Böblingen/Calw) an einer Schulung des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) teilgenommen. Die Referentin Rebekka Heinrich spielte mit ihnen Situationen durch, wie sie sich jederzeit auf dem Sportplatz ereignen können.

Konsequenz, Respekt, Präsenz, Bestimmtheit. Die Worte, die Rebekka Heinrich auf ein Plakat im Kuppinger Sportheim geschrieben hat, sind unmissverständlich. Und die Funktionäre der Vereine aus dem Bezirk Böblingen/Calw, die zur Ordnerschulung an diesem Abend gekommen sind, hören der Coolness-Trainerin gebannt zu, als sie erklärt, was es damit auf sich hat. Dass an diesem Abend 39 Teilnehmer von 22 Vereinen dabei sind, zeigt, wie engagiert die hiesigen Vereine beim Thema Ordner sind. Denn eigentlich wollte der WFV, der zum zweiten Mal Ordner der Vereine in 20 Veranstaltungen schulte, nur 20 Teilnehmer zulassen. Doch allein vom SV Deckenpfronn kamen vier Mitglieder. Das Interesse am Ordnerprogramm ist groß.

Ordnerweste: Vielen war es anfangs peinlich

Das war nicht immer so, sagt der Pressesprecher des TSV Kuppingen, Werner Szalay: „Als der WFV die Westen eingeführt hat, die die Ordner gekennzeichnet haben, haben viele sie erst einmal in der Hosentasche versteckt, weil es ihnen peinlich war, sie anzuziehen. Inzwischen funktioniert der Ordnereinsatz reibungslos und bei uns akzeptieren die Zuschauer sie auch.“ In Kuppingen geht es manchmal sogar noch weiter: „Wenn ich am Imbissstand sehe, dass zwei sich streiten, dann schnappe ich mir eben zwei kräftigere Jungs aus dem Verein und wir gehen zum Schlichten dazwischen.“
Diesmal hatten die Vereine also schon Erfahrung mit dem offiziellen WFV-Ordnerdienst. Nachdem der Verband zur Saison 2010/11 mit der Pflicht zur Ordnerstellung begonnen hatte, schulte er die Vereine zunächst durch einen Polizisten in rechtlichen Fragen. Jetzt war die Praxis dran. Coolness-Trainerin Rebekka Heinrich, die vor allem mit männlichen Jugendlichen zusammenarbeitet, schnappte sich einen der Teilnehmer nach dem anderen und ging inmitten eines Stuhlkreises Situationen durch, wie sie Ordnern auf Sportplätzen jedes Wochenende passieren können.

"Anfassen ist ganz gefährlich"

Zuerst geht es darum, zwei streitende Zuschauer auseinanderzubringen. Der schauspielende Ordner macht es mit einem kumpelhaften Verhalten und legt einem der Zuschauer die Hand auf die Schulter. „Anfassen ist ganz gefährlich“, sagt Heinrich. Ein Mensch habe in solch einer Situation zwei Möglichkeiten. Angriff, oder Flucht. Fühlt er sich durch das Anfassen bedroht, könnte er angreifen. „Um diese Konfliktspirale gar nicht erst wachsen zu lassen, hilft es, vor dem Spiel einfach mal durch das Publikum zu gehen und hallo zu sagen“, rät Heinrich. Auch kumpelhaft sollte man nicht auftreten. Schließlich kenne man sich auf dem Sportplatz und sollte stattdessen eher bestimmt in die Rolle des Ordners schlüpfen.
In der zweiten Übung trainierte Rebekka Heinrich mit den Teilnehmern, was zu tun ist, wenn ein Zuschauer sich weigert, einen Platz freizugeben, auf dem er eigentlich gar nicht sitzen darf. Ein Trick, um so jemanden zu überzeugen, sind Ich-Botschaften. „Wenn ich sage, dass mich etwas ärgert, ist das ein Unterschied, als wenn ich sagen würde: Du darfst hier nicht sitzen. Dadurch fühlt er sich gleich weniger angegriffen.“

Den Rädelsführer ausfindig gemacht

Auch die Übung, was zu tun ist, wenn ein Zuschauer nicht zahlen will, meisterten die Teilnehmer mit Bravour. Schließlich kennen sie das vor allem in der Kreisliga aus Erfahrung. In der letzten Übung des Abends inszeniert die Trainerin eine Schlägerei zwischen zwei rivalisierenden Fangruppen. Eine Situation, die Andreas Bender von der SV Böblingen kennt: „Wir haben so etwas beim Derby gegen Sindelfingen in der Verbandsliga gehabt. Dann haben wir uns den Rädelsführer zur Brust genommen und damit die Situation entschärft“, erzählt er.
Sein Erfahrungsbericht blieb der Einzige des Abends. „Wir haben auch schon Mal den Schiri vom Feld begleitet, aber bei uns sind das eher verbale Sachen“, sagt Peter Weißling vom SV Deckenpfronn, der trotzdem etwas aus der Schulung mitgenommen hat. „ Ein paar gute Argumente waren schon dabei, und als Ordner kann ich jetzt anders auftreten, als vorher.“
Eines ist trotz der positiven Stimmen aber klar: Die, die es tatsächlich nötig hätten, sich im Umgang mit ihren Mitmenschen schulen zu lassen, fehlten bei der Veranstaltung. Von den anwesenden Vereinen wie dem SV Deckenpfronn, dem TSV Kuppingen oder der SV Magstadt berichtete keiner von Gewalt auf dem eigenen Sportplatz. „Die, bei denen es tatsächlich knallt, kommen zu mir zu Intensivschulungen“, sagt Rebekka Heinrich.

Zahl der Gewaltfälle bleibt konstant

Im Kreis Böblingen gibt es ohnehin so gut wie keine Gewaltexzesse auf den Sportplätzen. Weder vor, noch nach der Einführung der Ordner. „Vorher gab es sie ja auch schon“, sagt Pressesprecher Heiner Baumeister vom WFV, „aber da haben sie noch keine offiziellen Westen getragen.“ Die Zahl der Gewaltfälle blieb seit der Einführung der Ordnerwesten konstant. „Im Bezirk Böblingen/Calw hatten wir in den vergangenen Jahren vielleicht fünf Spielabbrüche“, sagt der Bezirksvorsitzende Richard Armbruster. Im WFV waren es innerhalb des vergangenen Jahres rund 200 Fälle mit einem Gewalthintergrund. „Und wir haben 1 800 Vereine.“
Die Prävention funktioniert also im Kreis. Damit das so bleibt, gibt Rebekka Heinrich den Teilnehmern der Schulung noch einen wichtigen Tipp mit auf den Weg: „Übt kritische Situationen weiter, denn: Zivilcourage kann und muss man trainieren.“

Aufrufe: 020.1.2015, 12:30 Uhr
Christian Ignatzi, GäuboteAutor