2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Kümmert sich nach wie vor um die Talente im Kreis: Janin Philipp, ehemalige Jugendtrainerin des FSV Hessen Wetzlar. 	Foto: Martin Weis
Kümmert sich nach wie vor um die Talente im Kreis: Janin Philipp, ehemalige Jugendtrainerin des FSV Hessen Wetzlar. Foto: Martin Weis

Mehr denn je im Geschäft

VL FRAUEN: +++ Janin Philipp coacht nun den TSV Klein-Linden / Kritik an Regel für Auswahltrainer +++

Wetzlar. Wenn Janin Philipp über Fußball spricht, fangen ihre großen braunen Augen an zu leuchten. Dann erkennt der Beobachter: Die 29-Jährige ist in ihrem Element. Egal, ob es über ihren Lieblingsclub, den VfB Stuttgart, geht („Sie haben trotz des Aufstiegs eine sportlich enttäuschende Saison hingelegt“), um die Arbeit mit Talenten („Die Basics müssen immer wieder wiederholt werden. Sie sind das A und O“) oder um den Mädchen- und Frauenfußball („Wir brauchen gut ausgebildete Trainer, um voranzukommen“): Die 29-Jährige vertritt eine klare Meinung.

Dabei war es augenscheinlich in den vergangenen Jahren etwas ruhig um jene Frau geworden, die die B-Juniorinnen des FSV Hessen Wetzlar 2017 einst in die Bundesliga führte. Doch dieser Eindruck täuscht gewaltig. Mehr denn je ist Janin Philipp, die im Personalbereich arbeitet, mitten drin im Geschäft.

Angefangen bei den Frauen des TSV Klein-Linden. Dort wechselte sie 2017 als Spielerin hin. Beim Verbandsligisten übt sie seit ein paar Wochen die Rolle als Spielertrainerin aus, nachdem sie im Winter bereits interimsweise mit weiteren Führungsspielerinnen das Amt des zurückgetretenen Peter Antschischkin übernommen hatte. Nach anfänglichem Zögern versteht sich. Doch da die Mannschaft sich für sie als Übungsleiterin ausgesprochen hatte, steigt sie nun schließlich fest in der Gießener Vorstadt ein. Unterstützung erhält sie unter anderem von Janina Beffert. Die Torhüterin des Regionalligisten FSV Hessen Wetzlar steht als Assistentin zur Verfügung und kümmert sich dazu um die Keeperinnen. Der jetzige Coach der „Zweiten“, René Heeb, komplettiert das Trainerteam. Hinzu kommt noch Abteilungsleiterin Anke Lörch. Janin Philipps Fazit: „Der TSV Klein-Linden ist ein super Verein. Die Verantwortlichen investieren sehr viel. Die Männer und die Frauen unterstützen sich gegenseitig. Das habe ich in dieser Form noch nicht erlebt. Dazu ist die Stimmung überragend.“ Mit dem Club, der die vergangene Saison auf Rang drei abschloss, möchte sie auch in der kommenden Runde oben mitspielen. „Als Fußballer willst du immer gewinnen“, betont die A-Lizenz-Inhaberin.

Diese Maxime lebte sie auch bei ihrer letzten Station vor. Drei Jahre war sie für die Entwicklung der Kicker der SG Waldsolms zuständig. Zunächst bei den B-Junioren, mit denen sie in der Gruppen- und Verbandsliga spielte und sie an dieses Niveau heranführte, ehe sie anschließend als Co-Trainer ihrem Lebensgefährten Stefan Hocker bei den A-Junioren zur Verfügung stand.

Janin Philipp weiß also wie es ist, das männliche und das weibliche Geschlecht zu trainieren. Viel habe sie in diesen drei Jahren gelernt. Vor allem bei der Kommunikation mit den Spielern und der Kabinenansprache habe sie sich umstellen müssen. „Die Jungs haben einen ganz anderen Ehrgeiz, dafür sind sie in manchen Situationen nicht so aufmerksam. Das Spiel ist dafür wesentlich schneller“, sagt die 29-Jährige, die ehrlich anfügt: „Sie hatten am Anfang noch Probleme, das plötzlich eine Frau vor ihnen steht, die auch noch der Trainer ist.“

Doch das ist alles Schnee von gestern. Die Jahre in der Verbandsliga sieht sie als großen Erfolg. Immerhin habe die SGW, die in der Jugendarbeit mit dem FC Cleeberg kooperiert, kein allzu großes Einzugsgebiet. Durchaus sieht sie bei einigen Nachwuchskräften das Potenzial, um sich beim FCC oder der SG Waldsolms in der ersten Mannschaft durchzusetzen.

Janin Philipp muss es wissen. Immerhin arbeitet sie schon sehr lange mit Talenten. Seit sechs Jahren ist sie Stützpunkt-Trainerin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Jeden Montag bittet sie die besten Jungs und Mädchen (insgesamt vier) aus dem Kreis auf die Bezirkssportanlage des RSV Büblingshausen. „Die Talente sind einfach alle geil auf Fußball. Sie ziehen super mit und versuchen, alles genau umzusetzen, was wir Trainer vorgeben“, nennt die Übungsleiterin ihre Motivation für diesen Job. Zusammen mit ihren Trainerkollegen Dirk John, Marcel Cholibois und André Pauly hat die 29-Jährige ein Konzept entwickelt, das komplett auf der Entwicklung jedes Einzelnen basiert. Gearbeitet wird dabei in Kleingruppen, vor allem eine richtige und saubere Technik steht dabei im Vordergrund. In Zeiten von Corona, wo genau dies seit Juni vorgeschrieben wird, ist das also für die Teilnehmer im Stützpunkt keine neue Erfahrung. Die Video-Challenge, die Philipp und ihr Trainerteam dem Nachwuchs angeboten hatten, als bedingt durch das Virus noch kein Spielen auf dem Sportplatz möglich war, dagegen schon: „Das war am Anfang eine willkommene Abwechslung. Aber jetzt sind wir froh, dass wir wieder raus können. Die Jungs und Mädchen wollen einfach auf den Rasen“, erklärt die A-Lizenz-Inhaberin, die auch in den Ferien zum Üben bittet. Zur Zeit noch per Stationstraining (sechs Spieler pro Gruppe), in naher Zukunft sei aber auch das Model, das das Land Hessen erlaubt, nämlich zehn Spieler pro Team, möglich. „Wir warten da noch ab. Der DFB hat eine Vorbildfunktion“, sagt Janin Philipp.

Die Arbeit bei einem Verband kennt sie nur zu gut. Zwei Jahre trainierte sie die U 13-Hessenauswahlmannschaft des weiblichen Jahrgangs. Nun sollte sie eigentlich die U 12 übernehmen. Doch durch ihre Tätigkeit beim TSV Klein-Linden ist alles anders gekommen. Denn die Regeln des Frauen- und Mädchenausschuss sehen – anders als bei den Jungs – vor, dass eine Übungsleiterin, die eine Frauenteam coacht, zusätzlich keine Verbandstrainerin beim weiblichen Geschlecht sein darf. Für Janin Philipp unverständlich: „Für mich ist das sinnfrei. Zumal es diese Vorgabe nur bei den Mädchen gibt. Die Mädchen sind dabei aber die Verlierer“, betont die 29-Jährige, für die ein Rücktritt in Klein-Linden nicht in Frage kommt. „Das steht nicht zur Debatte. Ich knicke nicht ein. Das würde bedeuten, dass ich diese Regel noch unterstütze, zumal ich unbedingt als Vereinstrainerin arbeiten möchte.“

Unterstützung gibt es auch nicht mehr für ihren alten Verein, den FSV Hessen Wetzlar. Als die Domstädterinnen noch 2. Liga gespielt hatten, sei sie ein paarmal im Stadion gewesen. Doch ihr Zeitplan lässt weitere Besuche ohnehin nicht mehr zu.

Mit ehemaligen Spielerinnen, mit denen sie im Nachwuchs des FSV einst deutschlandweit für Furore gesorgt hatte, stehe sie dagegen noch in Kontakt. „Ihr Weg interessiert mich. Ich schaue immer, wie die Mädels am Wochenende gespielt haben oder was sie gerade machen.“

Es sind Sätze, bei denen Janin Philipps Augen wieder anfangen zu leuchten. Kein Wunder. Die 29-Jährige redet über Fußball. Um große Erfolge. Sie ist in ihrem Element.



Zur Person

Janin Philipp kommt ursprünglich aus Marburg, lebt aber zusammen mit ihrem Lebensgefährten Stefan Hocker in Dutenhofen- Sie arbeitet im Personalbereich. Von 2012 bis 2017 war sie für Eintracht Wetzlar beziehungsweise für den FSV Hessen Wetzlar als Trainerin aktiv. Anschließend coachte sie bei der SG Waldsolms. Seit 2017 spielt sie für den TSV Klein-Linden Fußball. Seit Sommer ist sie zudem Spielertrainerin der Gießener Vorstädterinnen. „Ich glaube aber, dass es für das Team besser ist, wenn ich nur coache“, sagt sie mit einem Lachen. In ihrer Freizeit geht Janin Philipp gerne Joggen oder spielt Tennis. „Sport im Allgemeinen, aber am liebsten mit Ball“, sagt die 29-Jährige, wenn sie nach ihren Hobbys gefragt wird. (tis)

Aufrufe: 017.7.2020, 08:00 Uhr
Tim Straßheim (Gießener Anzeiger)Autor