2024-04-23T13:35:06.289Z

Vereinsnachrichten
Bereits 28 Tore hat Philip Sterr in dieser Saison geschossen, mindestens 30 sollen es werden. a-foto: dr
Bereits 28 Tore hat Philip Sterr in dieser Saison geschossen, mindestens 30 sollen es werden. a-foto: dr

Trotz diverser Angebote: Sterr will nicht in die Landesliga

Gräfelfinger Torjäger durch Vaterfreuden beflügelt

Vom tragischen Aus des FC Bayern München im Viertelfinale der Champions League hat der winzige Fußballfan nichts mitbekommen. „Da hat er tief und fest geschlafen“, erzählt Philip Sterr von seinem vier Monate alten Sprössling Toni, dessen Kinderzimmer schon jetzt überquillt vor lauter Accessoires des Deutschen Rekordmeisters. Jeden Abend bringt der Stürmer des TSV Gräfelfing seinen Sohnemann gegen 19.30 Uhr ins Bett, wo er dann bis früh um sechs schlummert. Und so bekam er nichts mit vom Drama im Estadio Santiago Bernabéu von Madrid.

Die Zeiten, die der kleine Erdenbürger vorgibt, haben den Rhythmus seines Papas zum Positiven verändert. Zog Sterr senior früher gerne mal abends um die Häuser, verbringt er seine Wochenenden neuerdings zu Hause auf der Couch. Und spätestens gegen 22 Uhr schaut das Sandmännchen auch bei ihm vorbei. „Man hat so eine Verantwortung für einen kleinen Menschen“, sagt der 28-Jährige über seine neue Rolle als Vater, die ihn spürbar ausfüllt und in gewisser Weise prägt und reifer macht, auch wenn er an sich selbst noch „keine Veränderung“ bemerkt haben will.

Bisher konnte Sterr in seiner Freizeit machen, was er wollte. Nun richtet sich alles nach seinem Filius, weshalb er auch schon mal eine halbe Stunde zu spät ins Training kommt. Seine Teamkollegen nehmen ihm das nicht übel, im Gegenteil: Als einziger Papa in der Mannschaft steht er mehr denn je im Fokus des Interesses. „Alle fragen mich, wie es ihm geht“, hat der Stürmer seinen Mitstreitern jedes Mal etwas Neues von seinem Sohn zu erzählen. Denen stehen Vaterfreuden ja erst noch bevor, weshalb Sterr gerne mal wie ein Alter aus dem Nähkästchen plaudert. „Am Anfang ist man nervös, ob man alles richtig macht“, wundert er sich, „aber sobald man Vater ist, macht man alles richtig.“

Kurioserweise macht Sterr zurzeit auch auf dem Spielfeld alles richtig. Mit 28 Treffern führt er die Torschützenliste der Kreisliga München 2 mit weitem Vorsprung an. Auch in den beiden anderen Münchner Kreisligen findet sich momentan kein Goalgetter, der ihm das Wasser reichen könnte. Seine Ausbeute aus den vergangenen zwei Jahren, in denen er 21 beziehungsweise 22 Mal erfolgreich war, hat er längst übertroffen. „Ich würde es gerne schaffen, 30 Tore zu schießen“, lautet sein Ziel für die verbleibenden fünf Spieltage.

Dass es inzwischen so viele Kisten geworden sind, hat einiges mit dem kleinen Toni zu tun. „Es ist jetzt ein anderes Leben und es ist ein schönes Leben“, stellt er fest, dass sein Sohn seine Welt verändert hat. Mit dieser Einstellung bewegt er sich auch über den grünen Rasen. Es macht ihm einfach Spaß, einen alten Weggefährten wie Markus Kaintzyk an seiner Seite zu wissen, mit dem er schon seit seinem sechsten Lebensjahr zusammenspielt. „Es ist ein blindes Verständnis“, beschreibt er das gegenseitige Verhältnis, das ihm zu einigen Toren verholfen hat. Ebenso wichtig wie der Spielmacher ist für ihn Carlo Schick. Gräfelfings Hochdruckreiniger vor der Abwehr erobert zahlreiche Bälle, die er dem schnellen Stürmer maßgerecht zum Kontern serviert. „Ich profitiere wahnsinnig davon“, bedankt er sich bei seinem zuverlässigen Zulieferer.

Die gegnerischen Teams haben gegen diese Varianten noch kein probates Rezept entwickelt. Einige versuchen es mit dem früher bewährten Mittel, Sterr zu provozieren. Nur ist aus dem ehemaligen Heißsporn inzwischen ein quasi stoischer Zeitgenosse geworden, der sich so schnell nicht mehr aus der Ruhe bringen lässt. „Seitdem ich Vater geworden bin, habe ich eine gewisse Gelassenheit entwickelt“, erklärt er seine neue mentale Stärke.

Es ist nicht so, dass seine Gegner ihn nur reizen. Zum ersten Mal in seiner Laufbahn erntet er auch die Wertschätzung der Konkurrenz. Vereine wie der SV Istiklal oder FC Croatia, die nicht immer über den besten Leumund verfügten, drückten ihm nach dem Ende der Partie offen ihren Respekt aus. „Die Spieler haben mir zu meiner Leistung gratuliert und mich in den Arm genommen“, berichtet er ganz beeindruckt, „das hätte ich von beiden Mannschaften nicht erwartet. Und das, obwohl er beiden Teams insgesamt drei Treffer einschenkte.

Keine Überraschung waren hingegen die Anrufe, die er in diesem Frühjahr bekam. Die Landesligisten Gilching, Olching und Oberweikertshofen buhlten wie schon so oft allesamt um seine Dienste, aber wieder erfolglos. „Ich kann diesen Aufwand nicht betreiben“, stellt der Familienvater klar. Ein Engagement in der Landesliga ist für ihn in seiner aktuellen Situation nicht gerade attraktiv.

Viel lieber wäre es ihm, wenn er mit den „Wölfen“ den direkten Aufstieg in die Bezirksliga packt. Noch hat der Tabellenzweite alle Möglichkeiten, um die Saison als Meister abzuschließen. Vor allem hat er Sterr in seinen Reihen, der seine Vaterinstinkte inzwischen auf seine Teamgefährten überträgt. „Ich weiß, dass sich meine Mannschaft sehr auf mich verlässt“, sagt er. Den Babysitter spielt er momentan nicht nur daheim für den kleinen Toni, sondern auch für sein Team.

Aufrufe: 026.4.2017, 09:12 Uhr
Christian Heinrich - Münchner MerkurAutor