2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
Ein echter Typ: Gino Parson.	Foto: Weis
Ein echter Typ: Gino Parson. Foto: Weis

Söhne als »brutale Kritiker, die mich auch antreiben«

RL SÜDWEST: +++ Gino Parson spielt mit 41 Jahren in Regionalliga für Stadtallendorf und trifft / Interview mit einem besonderen Kicker +++

Gießen (thos). Nur kurz muss Gino Parson überlegen, um präzise auf die Frage zu antworten, was am 31. August 2016 gewesen ist. An die Vorbereitung und den Spielverlauf kann er sich genau erinnern. An das 1:1 mit Teutonia Watzenborn-Steinberg beim VfB Stuttgart II, sein Debüt als Trainer in der Regionalliga Südwest. Damals 37 Jahre alt, hätte wohl niemand damit gerechnet, dass nach der Premiere an der Seitenlinie noch die als Spieler in Liga Vier folgen würde. Der Vollblutfußballer, in Mittelhessen über zwei Jahrzehnte von seinen Stationen beim VfB (und FC) Gießen, FSV Fernwald, VfB Marburg und SC Waldgirmes bekannt, schaffte aber genau das am vergangenen Sonntag. Mit 41 Jahren stand Parson nicht nur in der Startelf von Eintracht Stadtallendorf beim TSV Schott Mainz. Nein, der Offensivmann bereitete bei der 2:4-Niederlage den Treffer zum 1:0 vor und markierte das 2:0, indem er den richtigen Instinkt bewies und dem Schuss von Damijan Heuser mit der Fußspitze über den Mainzer Keeper hinweg die entscheidende Richtungsänderung gab.

Andere namhafte Spieler lassen ihre Laufbahn langsam ausklingen und gehen von der Liga her nach unten. Sie sind seit 2016 mit der Reserve der Teutonia und der 2. Mannschaft des FC Gießen als Spielertrainer sowie schließlich mit Stadtallendorf immer höher gestiegen. Wie kann so ein Weg funktionieren und wie schaffen Sie es, auf Viertliga-Niveau mitzuhalten?

Diese Jahre waren schon verrückt. Ich bin sehr ehrgeizig und sehr diszipliniert, auch in puncto Ernährung. Wenn mir jemand eine kleine Tür offenlässt und meint, das könnte was werden, ziehe ich mich daran hoch. Ich kann da mitspielen und empfinde das nicht als Belastung. An den eigentlich freien Tagen gehe ich noch mit Personaltrainer Thil Iyasere mit einem speziellen Programm zusätzlich eineinalb Stunden ins Fitnessstudio. Nach dem Spiel am Sonntag war ich sehr schlapp, nach dem Fitnesstraining am Montag ging es mir super. Fußballerisch kommt mir meine Technik und die Spielintelligenz zu gute, der Schnellste war ich nie. Bei dem Pass, wie ich ihn zum 1:0 am Sonntag gespielt habe, muss man die Situation vorhersehen. Ohne arrogant zu klingen: Das hat man oder eben nicht. Wenn die jungen Spieler aber an mir vorbeiziehen, ist das normal, damit kann ich umgehen. Außerdem kann ich sagen, dass mich meine beiden Söhne, die brutale Kritiker von mir sind (lacht), auch antreiben.

Als Sie Mitte 2019 in Gießen aufgehört haben, waren Sie ohne Verein.

Meine Absicht war: Jetzt machst du nur noch Trainer oder gar nichts mehr. Dann rief mich Ende Juni Fejz Hodaj an, Stadtallendorfs Sportlicher Leiter. Ich war überhaupt nicht fit, hatte nicht trainiert. Im ersten Training habe ich mir sofort einen leichten Muskelfaserriss geholt. „Oje“, dachte ich mir, habe aber dann weiter mittrainiert, zumal die Atmosphäre bei der Eintracht super ist. Da fühlst du dich sofort wohl. Der Verein meinte, die Mannschaft könnte von meiner Erfahrung profitieren, es hat super gepasst.

Warum hat man Sie nicht schon in jungen Jahren oberhalb der Hessenliga gesehen?

Als ich Anfang 20 war, soll Wehen-Wiesbaden mich mal beobachtet haben. Ob das so stimmt, weiß ich nicht. Als ich gerade 30 war, hatte ich ein Probetraining beim 1. FC Saarbrücken, das wäre damals aber auch Oberliga gewesen. Man muss aber auch sagen, dass die Regionalliga in den 2000er Jahren die 3. Liga war, die hessische Oberliga Liga Vier. Der Abstand ist nicht so groß gewesen.

Was ist noch drin für den Spieler Gino Parson in der Regionalliga?

Klar ist, ich mache das als Spieler nicht stand-by-mäßig – entweder voll oder gar nicht. Ich habe bislang keine Einheit gefehlt. Ich freue mich, wenn der Trainer sagt, dass ich spiele. Wenn nicht, bin ich wie früher sauer, kann das aber relativieren und weiß dann, die anderen sind besser. Die Regionalliga ist schon toll: Schöne Plätze und Stadien, alles ein bisschen professioneller.

Aufrufe: 012.9.2020, 08:00 Uhr
Gießener AnzeigerAutor