2024-04-25T14:35:39.956Z

Aufreger der Woche
Foto: Rinke
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Viel Kritik an der Liveticker-Pflicht

Vereine, Fans und Fußballer reagieren eher verhalten auf die FLB-Pläne ab kommender Saison alle Spiele ab der Landesliga aufwärts live übertragen zu lassen.

Der Fußball-Landesverband Brandenburg (FLB) will ab der kommenden Saison alle Klubs ab der Landesliga in die Pflicht nehmen, via dfb-Net live zu tickern. Das sorgt bei vielen Vereinen für Ärger und Kritik. Die sehen die zumeist ehrenamtlichen Helfer schon an der Belastungsgrenze und befürchten weniger Zuschauer.

Die Idee ist gut, wenn auch nicht neu: Amateurfußball live im Internet. Der Fußballverband Brandenburg hat beschlossen, die Vereine in die Pflicht zu nehmen und so das DFB-eigene Portal fussball.de zu stärken. Dort soll ab der kommenden Saison von der Regionalliga bis in die Landesliga hinunter jedes Spiel live getickert werden.

Auch für die Vereine sind die Liveticker ein gutes Angebot. Aber die geplante Umsetzung trifft auf wenig Zustimmung. Patrick Schlüter, Trainer des Brandenburgliga-Spitzenreiters Grün-Weiß Brieselang: "Grundsätzlich finde ich einen Liveticker richtig gut. Solange das alles auf einer freiwilligen Basis läuft. Das daraus eine Pflicht gemacht wird und womöglich noch bestraft wird, kann ich nicht ganz verstehen."

Ähnlich sieht es auch Teambetreuerin Karina Legde vom Brandenburgligisten Schwarz-Rot Neustadt: "Der Liveticker sollte weiterhin freiwillig und jedem Verein selbst überlassen sein. Trainer und Verantwortliche haben oft nicht den Nerv und die Zeit sich darum zu kümmern, können dafür aber auch nicht noch extra jemanden „abstellen“, der immer da ist." Die Neustädterin sieht durch die Pflicht weitere Kosten auf die Vereine zukommen: "Erst musste sich jeder mit einem PC/Laptop + Drucker auf dem Sportgelände ausstatten, um den Online-Spielbericht anzufertigen und diesen damit auch für Gastvereine und Schiedsrichter zugänglichen machen. Nun auch noch ein Tablet oder Ähnliches, um direkt vom Spielfeldrand tickern zu können", so Legde. Als weitere Folge befürchtet sie den Rückgang der Besucherzahlen bei den Partien. "Warum soll ein Zuschauer dann noch auf einen Fußballplatz gehen, dort Eintritt bezahlen, wenn er das Spiel durch den Liveticker doch kostenlos miterlebt und nebenbei noch auf der Couch liegen und Bundesliga gucken kann? Es wird wohl ziemlich leer auf unseren Sportplätzen werden, denn der Liveticker ist doch nur für die Zuschauer."

Die Befüllung des Livetickers während des Spiels sieht auch Mario Donath, Abteilungsleiter Fußball des Landesligisten Kolkwitzer SV, als Problem. Er würde die personelle Kraft lieber in andere ehrenamtliche Arbeit im Verein stecken: "Das Live-tickern ist doch eher lästig, weil dafür nun noch zusätzlich Sportler gewonnen werden müssen, die das während des Spieles machen müssen. Wenn ich als Verantwortlicher vor der Alternative stehen würde, einen Sportler als Schiedsrichter bzw. Nachwuchstrainer oder aber als Tickerer gewinnen zu müssen, träfe meine Wahl auf das Schiedsrichter/Traineramt. Das wäre viel wichtiger."

In der letzten Abteilungsleitervollsammlung im Fußballkreis Niederlausitz wurde das Thema laut Donath umfangreich erörtert. Von den Verantwortlichen wurde demnach als eine mögliche Lösung vorgeschlagen, künftig Jugendliche den Liveticker schreiben zu lassen. Donath: "Das funktioniert nur, soweit wie ich auch Jugendliche im Verein habe. Weiterhin kommen zu Auswärtsspielen schon gar keine Jugendlichen mit. Wenn wir z.B. ein Auswärtsspiel in Petershagen haben und 1,5h Fahrt im Kleinbus übers Land schippern ist a) kein Platz mehr im Kleinbus und b) tut sich das in den unteren Klassen kein Jugendlicher an und c) spielen die Jugendlichen eventuell zeitgleich in entgegengesetzter Richtung. Für Vereine ohne eigenen Nachwuchs gäbe es dann noch weniger Optionen." Sein Fazit zur Einführung der Pflicht sieht deswegen ähnlich wie das von Patrick Schlüter und Karina Legde aus: "Es ist schon wichtig seinen Verein so gut es geht zu präsentieren. Jeder Verein sollte es für sich ausmachen, ob er das tickern für richtig empfindet oder nicht. Aber eine Reglementierung bzw. Verpflichtung dafür darf es nicht geben", so Donath.

Bislang soll die Pflicht ab der kommenden Spielzeit von der Ober- über die Brandenburg- bis hinunter in die Landesliga gelten. Geht es nach Benjamin Kaiser, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Fußballkreises Südbrandenburg, wird es auch in Zukunft nur bei den höheren Ligen bleiben. "Im FK SBB reden wir nicht über eine Einführung. Das würde auch nicht meine Zustimmung finden. Wir haben mit Spielbericht online, Passkontrolle online, DFBnet-Postfach den Vereinen in der Vergangenheit eine Menge abverlangt! Wird es für die Kreise verpflichtend, wird man sich dagegen kaum wehren können! Leider ist das so", sagt Kaiser.

Wie bei den Vereinen sind auch die Reaktionen zum Thema Liveticker-Pflicht im Netz auffallend negativ. „Was für ein Schwachsinn!“ „Totaler Mist.“ „Die Trainer haben schon genug zu tun.“ So äußern sich viele User bei Facebook. Klar ist, dass der Deutsche Fußball Bund damit seine Position innerhalb der Amateurfußball-Webseiten stärken will. FuPa.net und andere Seiten haben fussball.de in einigen Gebieten Deutschlands längst den Rang abgelaufen. Spielberichte, Fotos, Reportagen, Interviews, Liveticker und Video-Übertragungen gibt es auch woanders.

„Was zu einer schönen freiwilligen Sache bei Sportbuzzer und Fupa ins Leben gerufen wurde, wird nun zur Pflichtsache. Traurig, traurig“, schreibt ein User aus Oberhavel. Ein anderer vermutet: „So wollen sie einfach die Konkurrenz ausschalten“.

Fakt ist: Erst vor einigen Monaten wurde fussball.de neu aufgesetzt, neue Funktionen wurden hinzugefügt. 6,5 Millionen Euro teuer war der Relaunch. Spielberichte soll man nun auch beim DFB hochladen können. Fotos sowieso.

Geht das Konzept auf, wird die Seite wieder erste Anlaufstelle – nicht nur, wenn es um Ergebnisse im Amateurbereich geht. Denn schon jetzt landen die Spielresultate unmittelbar nach der Freigabe durch Teams und Schiedsrichter automatisch im Netz. Und wenn das Ergebnis nicht rechtzeitig kommt, droht sofort eine Strafe.

Nur Liveticker sind schneller. Und lukrativer: Denn wie auch bei den anderen Webseiten verdient der DFB mit der eingeblendeten Werbung auf fussball.de Geld. Und die Anzeigen lassen sich teurer verkaufen, wenn sie öfter eingeblendet wird. Zum Beispiel, wenn die Zugriffszahlen wegen der vielen Liveticker deutlich steigen.

Ob das wirklich so ist, wird sich zeigen. Im Netz ist man jedenfalls skeptisch: „Nur mit Zwang und Strafenandrohung wird man auch nicht viel erreichen bzw. ihre Seite nicht gerade beliebter machen“

Eine konkrete Strafanordnung gegen Ticker-säumige Klubs gibt es in Brandenburg zwar laut FLB-Spielbetrieb-Koordinator Martin Hagemeister nicht. Aber ein Blick nach Süden zeigt: Schon jetzt sanktioniert der Bayrische Fußballverband nicht getickerte Spiele mit einer Gebühr. 30 Euro pro Spiel.

„Was kommt als nächstes?“, fragt man sich auch bei Facebook. „Dass man mit Kamera die Tore und die Highlights Filmen muss und sofort online stellen soll? Wenn der FLB Live-Ticker haben will, soll er doch Personal einstellen, das jedes Wochenende auf den Plätzen unterwegs ist.“

Aufrufe: 013.2.2016, 09:00 Uhr
Sven Bock und Marc SchützAutor