Der Blick auf die Aufgebote der Kreisligamannschaften beschert zu Saisonbeginn immer einige Überraschungen und Besonderheiten: Seien es spektakuläre Neuzugänge mit Erfahrung in der Landesliga oder noch höher, seien es komplett umgekrempelte Kader mit 20 Ab- und ebenso vielen Neuzugängen oder seien es ein halbes Dutzend Tennis-Profis vom Nachbarclub, die plötzlich allesamt Fußball spielen, wie vor einigen Jahren bei den Sportfreunden in Degerloch passiert. In diesem Jahr ist es der TSV Birkach in der Staffel 6 der Kreisliga B, der gleich mit zwei ungewöhnlichen Faktoren aufwarten kann.
Zum einen wartet das Aufgebot einen Altersunterschied von 36 Jahren zwischen dem ältesten Akteur Michael Hoffleit (54) und dem Youngster Fabian Eggers (18) auf, bei dem der Neuzugang im Tor mit etwas Fantasie fast schon der Großvater seines jungen Teamkollegen aus dem Mittelfeld sein könnte. Zum zweiten fällt auf, dass der Club aus dem Ramsbachtal gleich sieben Flüchtlinge integriert hat, wobei Abdullah Kereem Sudani, eines der größten Talente aus diesem Kreis, wegen eines Kreuzbandrisses noch mehrere Monate ausfallen wird. Sieben junge Männer aus dem Irak und dem Iran sind es, die in der neuen Runde für den TSV die Kickstiefel schnüren werden. „Das sind ganz tolle Jungs, die mit viel Spaß und Ehrgeiz dabei sind und die sich auch untereinander gut verstehen, was man bei ihren Ursprungsländern nicht auf Anhieb glauben könnte“, sagt Michael Bäuerle, der Teammanager und Ersatztorwart, der sich gemeinsam mit der in der Flüchtlingsbetreuung engagierten Birgit Dietrich um die Neulinge kümmert.
Gekommen sind im vergangenen Jahr aus der Birkacher Unterkunft zunächst drei Iraker und Syrer, mittlerweile hat sich die Gruppe stark verändert und vergrößert, nachdem die jungen Männer nach Feuerbach und in den Stuttgarter Westen umgesiedelt wurden und immer mehr Interessenten die Anfahrt ins Training mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf sich nehmen. „Kicken können die alle, einer hat nach eigenem Bekunden sogar im Iran in der zweithöchsten Klasse gespielt, aber das lässt sich schwer verifizieren“, sagt Michael Bäuerle. Viel wichtiger als der sportliche Aspekt ist den Birkachern, die einen Platz im Mittelfeld ihrer Gruppe anpeilen, ohnehin der menschliche: „Wir versuchen den Jungs auch im alltäglichen Leben so gut es geht zu helfen und haben auch schon zwei Grillabende im Mannschaftskreis gemacht, bei denen wir viel Spaß hatte. Auch ohne Alkohol und Schweinefleisch“, sagt Michael, der Bruder des Vereinsvorsitzenden Helmut Bäuerle.
Ein großes Sorgenkind hat der TSV freilich momentan unter seinen Flüchtlingen: Mohamad Ellamy (19) aus dem Irak, der in der Rückrunde der vergangenen Saison elf Tore erzielte, wurde nicht etwa von höherklassigen Clubs abgeworben oder aus dem Land abgeschoben. „Er war leider seit Juni nicht mehr im Training, weil er private Probleme hat und ihm momentan andere Dinge wichtiger sind als der Fußball“, sagt Bäuerle.