2024-04-25T14:35:39.956Z

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TSV Bay­er Dor­ma­gen wird 100 Jah­re alt

Ein kur­zer Streif­zug durch die er­folg­rei­che His­to­rie des knapp 4000 Mit­glie­der star­ken Turn- und Sport­ver­eins von 1920 bis jetzt.

Ein Eu­ro­pa­po­kal-Fi­na­le live im öf­fent­lich-recht­li­chen Fern­se­hen mit den Hand­bal­lern vom Hö­hen­berg – dar­an hät­te ganz si­cher auch Dr. Ge­org Koitzsch sei­ne Freu­de ge­habt, als er am 16. De­zem­ber 1920, al­so auf den Tag ge­nau vor 100 Jah­ren, den SV Dor­ma­gen, aus dem En­de 1970 nach der Fu­si­on mit dem TuS Dor­ma­gen von 1927 der TSV Bay­er Dor­ma­gen ent­stand, grün­de­te.

Da­bei hat­ten der Vor­sit­zen­de der ers­ten Stun­de, als Che­mi­ker im Schwe­fel­säu­re­be­trieb der da­ma­li­gen Far­ben­fa­bri­ken Bay­er in Dor­ma­gen an­ge­stellt, trotz des in der Sat­zung be­schrie­be­nen Ver­eins­zwecks, „Aus­übung des ge­re­gel­ten Fuß­ball­be­triebs und sons­ti­ger Lei­bes­übun­gen“, und sei­ne Mit­strei­ter da­mals wohl aus­schließ­lich den Auf­bau ei­nes schlag­kräf­ti­gen Fuß­ball­klubs vor Au­gen. Doch da­zu spä­ter mehr.

Das größ­te hand­bal­le­ri­sche Er­eig­nis, das der Rhein-Kreis je er­lebt hat Zu­nächst geht es näm­lich mal zu­rück ins Jahr 1993: Weil den Ver­ant­wort­li­chen der In­ter­na­tio­nal Hand­ball-Fe­de­ra­ti­on (IHF) die lie­be­voll „Schwei­ne­hal­le“ ge­nann­te Drei­fach­hal­le an der Kon­rad-Ade­nau­er-Stra­ße, in der der TSV bis zur Er­öff­nung des Bay­er-Sport­cen­ters im März 2002 all sei­ne Bun­des­li­ga­par­ti­en be­stritt, dem An­lass nicht wür­dig ge­nug er­schien, trug der TSV Bay­er Dor­ma­gen das Fi­nal­hin­spiel um den IHF-Eu­ro­pa­po­kal ge­gen Te­ka Santan­der in der Wil­helm-Do­pat­ka-Hal­le in Le­ver­ku­sen aus. Ein Trau­ma, trotz des 24:20-Sie­ges über die hoch­fa­vo­ri­sier­ten Spa­ni­er. „Hät­ten wir in un­se­rer Hal­le ge­spielt, hät­ten wir das Hin­spiel hö­her ge­won­nen – und wä­ren Eu­ro­pa­po­kal­sie­ger ge­wor­den,“ sagt Alt-Bür­ger­meis­ter Heinz Hil­gers noch heu­te. In sei­ner Funk­ti­on als obers­ter Bür­ger Dor­ma­gens und Edel­fan zu­gleich führ­te er ei­ne Wo­che spä­ter auch die Ex­pe­di­ti­on per Char­ter­flug ins da­mals brü­tend­hei­ße Kan­tab­ri­en an – und er­leb­te, wie sich Santan­der vor 3000 Zu­schau­ern mit dem 26:20-Er­folg den Ti­tel hol­te. In Er­in­ne­rung ge­blie­ben ist aber vor al­lem das ers­te Du­ell: Auf der ei­nen Sei­te die Star­trup­pe aus Spa­ni­en, an­ge­führt vom zwei­fa­chen Welt­hand­bal­ler des Jah­res (1994 und 1996) Talant Du­js­he­baev und Olym­pia­sie­ger Mi­ch­ail Ja­ki­mo­witsch, auf der an­de­ren das Team mit den Dor­ma­ge­ner Ei­gen­ge­wäch­sen Die­ter Sprin­gel, Klaus Dyl­long und Nor­bert No­wak, für die das in­ter­na­tio­na­le Par­kett ab­so­lu­tes Neu­land be­deu­te­te. Si­cher, so ganz na­men­los war die Trup­pe des Trai­ner­ge­spanns Ha­de Schmitz und Mi­cha­el Bieg­ler dank der in­ter­na­tio­nal er­fah­re­nen An­dre­as Thiel im Tor, Chris­ti­an Fit­zek am Kreis und Mi­cha­el Klemm auf der Re­gie­po­si­ti­on auch nicht, trotz­dem galt der Heim­sieg des TSV da­mals als Sen­sa­ti­on – und der 22. Mai 1993 wird wohl auf ewig als be­deu­tends­tes Da­tum in der hei­mi­schen Hand­ball-His­to­rie ste­hen.

Me­dail­len­schmie­de und Meis­ter­ma­cher der Dor­ma­ge­ner Leicht­ath­le­ten Kaum ein Sport­ver­ein im Rhein-Kreis hat Ti­tel und Me­dail­len – mit der sil­ber­nen von Stab­hoch­sprin­ger Björn Ot­to bei den Olym­pi­schen Spie­len 2012 als Hö­he­punkt – ge­sam­melt wie die Leicht­ath­le­tik-Ab­tei­lung des TSV Bay­er Dor­ma­gen. Die wur­de am 1. Ju­ni 1960 aus dem TuS Bay­er Dor­ma­gen her­aus durch den 2004 ver­stor­be­nen Wil­li Es­ser ge­grün­det. Der, da­mals noch kei­ne 20 Jah­re alt, wur­de zu ei­ner der her­aus­ra­gen­den (Sport-)Per­sön­lich­kei­ten im Rhein-Kreis, war von 1984 bis 1990 Vor­sit­zen­der des Kreis­sport­bun­des Neuss (KSB) und rief 1989 den Kor­schen­broi­cher Ci­ty-Lauf ins Le­ben, der zu den größ­ten Stadt­läu­fen Deutsch­lands ge­hört.

1965 trat Her­bert Mis­sal­la auf den Plan. Der Mit­tel­streck­ler, 1958 Sechs­ter der Eu­ro­pa­meis­ter­schaf­ten, mach­te schnell Kar­rie­re als Haupt­ge­schäfts­füh­rer des TSV (von 1965 bis 1995) und wur­de „ne­ben­bei“ ei­ner der an­ge­se­hens­ten Leicht­ath­le­tik-Trai­ner Deutsch­lands. In den sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jah­ren führ­te er die Dor­ma­ge­ner Sprin­te­rin­nen um El­ke Barth, Bir­git Sei­ring, Ute Wei­chen­thal und Su­san­ne Kin­der in die na­tio­na­le Spit­ze (und war Ju­nio­rin­nen-Bun­des­trai­ner des DLV). Spä­ter ent­deck­te er sein Herz für die Lang­streck­ler und mach­te den TSV Bay­er um Mar­tin Grü­ning, Bernd Ran­gen und Bernd Kof­fer­schlä­ger zu ei­ner Hoch­burg in die­ser Dis­zi­plin. Auch nach sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand blieb der TSV dank Ath­le­ten wie Bir­git Käh­ler (Olym­pia-Teil­neh­me­rin im Hoch­sprung), An­dre­as Lin­den (WM-Teil­neh­mer im Speer­wurf), Da­nie­la Rath (EM-Drit­te im Hoch­sprung), Thors­ten Nau­mann (Stu­den­ten-Vi­ze­welt­meis­ter über 5000 Me­ter) und Lars Bör­ge­ling (Ju­gend-Vi­ze­welt­meis­ter im Stab­hoch­sprung) ei­ne Top-Adres­se der deut­schen Leicht­ath­le­tik. Die in El­ke Barth (Mon­tre­al 1976), Sa­bi­ne Everts (Seo­ul 1988), Bir­git Käh­ler (Bar­ce­lo­na 1992) und Björn Ot­to (Lon­don 2012) vier Olym­pia-Star­ter her­vor­brach­te.

Als TSV-Schwim­mer Welt­klas­se wa­ren Das her­aus­ra­gen­de Stück Ab­tei­lungs­ge­schich­te – 1966 mit Gün­ter Beil­stein als ers­tem Vor­sit­zen­den von elf Schwimm­sport­en­thu­si­as­ten ge­grün­det – wur­de in der Zeit von 1984 bis 1988 ge­schrie­ben: 1984 ge­wann Brust-Spe­zia­list Rolf Be­ab über 100 Me­ter den Eu­ro­pa-Cup in Ber­gen, zwei Jah­re spä­ter ver­fehl­te er auf die­ser Stre­cke in 1:00,3 Mi­nu­ten nur hauch­dünn die Mi­nu­ten-Schall­mau­er – schwamm aber Welt­best­zeit. Bei der EM 1985 in So­fia hol­te Be­ab in der La­gen-Staf­fel Gold und Sil­ber im Ein­zel. Beim Eu­ro­pa­cup lie­fer­ten die Dor­ma­ge­ner Be­ab, Buch­holz, Goe­bel so­wie Ute Has­se, Bir­git Schulz und Ralf Die­gel fast ein Drit­tel der Punk­te für das sieg­rei­che deut­sche Team. Mit fünf Teil­neh­mern (Ste­phan Güs­gen als Sechs­ter wur­de trotz Qua­li­fi­ka­ti­on aus­ge­la­den) war der TSV bei den Welt­meis­ter­schaf­ten 1986 der am stärks­ten ver­tre­te­ne Ver­ein. Die Krö­nung in die­ser Zeit war die Olym­pia-Teil­nah­me von Güs­gen (vor­her Eu­ro­pa­re­kord über 50 Me­ter Schmet­ter­ling) 1988 in Seo­ul, wo er 14. wur­de.

Von der Hob­by­grup­pe zu Fecht-Welt­meis­tern Der TSV Bay­er hat seit 2005 sechs Ein­zel-Welt­meis­ter und sie­ben Mann­schafts-Welt­meis­ter her­vor­ge­bracht und ist da­mit ziem­lich si­cher der er­folg­reichs­te Sä­bel­fecht­ver­ein Deutsch­lands, wenn nicht der Welt. Die Mann­schafts­eu­ro­pa­meis­ter Max Har­tung, Ma­ty­as Sz­abo und Be­ne­dikt Wag­ner sind längst für die Olym­pi­schen Spie­le 2021 in To­kio qual­fi­ziert. Da­bei wa­ren die An­fän­ge mehr als be­schei­den: Die ers­ten Trai­nings­ein­hei­ten fan­den, drei Wo­chen nach Grün­dung der Fech­t­ab­tei­lung am 8. Ok­to­ber 1954 im Ho­tel Schnor­ren­berg un­ter Vor­sitz von Dr. Hans Hai­merl, im Fei­er­abend­haus der Bay­er AG statt. Und noch zwei Jah­re spä­ter wa­ren es nicht mehr als zehn Ak­ti­ve, die dem Um­gang mit der Waf­fe frön­ten. Es gab so­gar Be­stre­bun­gen, die Ab­tei­lung wie­der auf­zu­lö­sen. Erst ab 1959 ging es un­ter den Fit­ti­chen von Fecht­meis­ter Fried­rich W. Eg­gert berg­auf. Zum ers­ten Top­mann avan­cier­te Paul Wisch­eidt, dem mit 24 Jah­ren als ers­tem Dor­ma­ge­ner Sport­ler über­haupt die Qua­li­fi­ka­ti­on für die Olym­pi­schen Spie­le ge­lang. In Me­xi­ko be­leg­te er Rang neun im Ein­zel und Platz vier mit der Mann­schaft und be­grün­de­te so ei­ne Tra­di­ti­on, die bis heu­te zehn Olym­pia-Teil­neh­mer (plus zwei Pa­ralym­pcis) her­vor­ge­bracht hat. Seit 1975 ist der TSV Gast­ge­ber des Nach­wuchs­tur­niers um den „Preis der Che­mie­stadt Dor­ma­gen“, in­zwi­schen das größ­te Welt­cup-Tur­nier für Ju­nio­ren der Welt.


Als die F uß­bal­ler bei den Gro­ßen an­klopf­ten Und da­mit zum Ab­schluss die­ses klei­nen Streif­zugs noch mal zu­rück zu den Ki­ckern.1992 wech­sel­te in Mar­kus An­fang „ne Köl­sche Jung“ zum TSV Bay­er Dor­ma­gen. Ver­ant­wort­lich da­für wa­ren der da­ma­li­ge Ge­schäfts­füh­rer Gre­gor Schwer­mer und Ha­rald Pau­ly, für ewig und drei Ta­ge Ob­mann am Hö­hen­berg. „Das Bin­de­glied zwi­schen Mann­schaft und Vor­stand“, sag­te er selbst. Rai­ner Lis­son, Vor­stand Sport und Kom­mu­ni­ka­ti­on beim TSV: „Der Ha­rald ist hier bei uns ei­ne ab­so­lu­te Le­gen­de.“ Ein le­ben­des Fuß­ball­le­xi­kon. Er und Schwer­mer wa­ren bei Rei­ner Cal­mund in Le­ver­ku­sen vor­stel­lig ge­wor­den – und ent­deck­ten An­fang. „Der wohn­te in Chor­wei­ler, da sind wir dann hin­ge­fah­ren und ha­ben ge­sagt: ‚Du kannst doch von hier aus in 15 Mi­nu­ten bei uns am Platz sein‘“, er­in­ner­te sich Pau­li spä­ter.

Von da an kick­te An­fang un­ter Ex-Bay­er-Pro­fi Klaus Bruck­mann in Dor­ma­gen. „Er war von Be­ginn an ein Füh­rungs­spie­ler im Mit­tel­feld. Auch wenn er ja nicht der Größ­te, son­dern eher et­was klein ge­ra­ten war. Als er hier­hin kam, ging es mit uns sport­lich steil berg­auf“, sag­te Pau­li. 1993 ver­pass­te der TSV un­ter Bruck­mann als Vi­ze­meis­ter hin­ter Rot-Weiß Ober­hau­sen nur hauch­dünn den Sprung in die Ober­li­ga. Nach zwei Jah­ren in Dor­ma­gen wech­selt An­fang, der nach Trai­ner­sta­tio­nen beim SC Ka­pel­len, Hol­stein Kiel und 1. FC Köln mitt­ler­wei­le beim Zweit­li­gis­ten Darm­stadt 98 un­ter Ver­trag steht, zu­rück zu den Ama­teu­ren nach Le­ver­ku­sen und von dort nach Düs­sel­dorf, wo er 1995 sei­nen ers­ten Pro­fi­ver­trag un­ter­schrieb. Am Hö­hen­berg ist der Ex-Schal­ker bis heu­te als „kor­rek­ter und grad­li­ni­ger Jun­ge“ in Er­in­ne­rung ge­blie­ben.

Mehr­spar­ten­ver­ein mit fast 4000 Mit­glie­dern

Ver­ein Hat als Mehr­spar­ten­ver­ein mit knapp 4000 Mit­glie­dern ei­ne brei­ten- und leis­tungs­sport­li­che Aus­rich­tung. Das ei­ge­ne Teil­in­ter­nat trägt zur schu­li­schen Un­ter­stüt­zung der Nach­wuchs­sport­ler bei. Dar­über hin­aus ist der Ver­ein ein en­ger Part­ner des Sport­in­ter­nats Knecht­ste­den.

Bay­er 1952 er­hiel­ten der SV (1920) und der TuS Dor­ma­gen (1927) von den Far­ben­fa­bri­ken Bay­er die Er­laub­nis, den Na­men BAY­ER im Na­men zu füh­ren.

Aufrufe: 016.12.2020, 10:00 Uhr
RP / Dirk SitterleAutor