2024-04-25T14:35:39.956Z

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Ein Prost auf die Löwen: Ex-Coach Werner Lorant. sampics / Stefan Matzke / Stefan Matzke / sampics
Ein Prost auf die Löwen: Ex-Coach Werner Lorant. sampics / Stefan Matzke / Stefan Matzke / sampics

Trainer-Original Werner Lorant: „Der Größte war ich und kein anderer“

Interview zum Löwen-Jubiläum

Sechzig wird 160! tz hat deshalb Kulttrainer Werner Lorant zu Hause in Waging am See getroffen. Zwist und Leid zum Trotz – wir heben Glas und Tastatur auf die nächsten 160 Jahre!
  • Werner Lorant trainierte den TSV 1860 München von 1992 bis 2001
  • Im Interview spricht der Kult-Trainer über den schlimmsten Fehler der Löwen
  • Auch zu Stürmer Sascha Mölders hat er eine klare Meinung
  • Mehr News rund um den TSV 1860 München gibt es in unserer News-App.

Hallo Herr Lorant, Corona-Starre statt Ferientrubel. Wie lebt es sich auf einem menschenleeren Campingplatz?

Werner Lorant (71): Bei mir ist alles wunderbar. Ist doch schön, auch mal Ruhe zu haben. Ich muss ja dreimal am Tag mit dem Hund raus, das kann ich jetzt, ohne dass ich ständig zum Bier eingeladen werde.

Sie haben also Verständnis für Einschränkungen und Maskenpflicht?

Vieles halte ich für übertrieben, aber wir sind doch selber schuld. Wo kommt denn das Virus her? Aus China, wo ich mal zwei Jahre gearbeitet habe. Was die alles essen: Schlangen, Ratten, sogar Hund. Der gilt da als Delikatesse. Also, da hört’s bei mir auf (knurrt und streichelt Mischling Jackson unter dem Tisch).

Dann lassen Sie uns lieber über Löwen reden – über Ihre Löwen, die 160 Jahre alt werden. Was löst das in Ihnen aus?

Nicht mehr viel. Ich hatte meine Zeit. Jetzt ist eine andere Zeit. Die ist nicht mehr so gut wie früher, aber das löst nicht viel aus bei mir. Ich bin jetzt auch schon zu lange weg. Wo ich nach 1860 überall war. In der Türkei, China, Korea… Ich freue mich aber, dass sie (die Löwen) wenigstens noch da sind.

Kult-Coach Lorant: „Der Präsident ist ein bisschen verrückt geworden“

Von 160 Jahren TSV haben Sie immerhin zehn Jahre geprägt.

Nicht ich allein. Auch mein Präsident (Karl-Heinz Wildmoser), der leider schon gestorben ist. Wir sind zusammen bis ganz oben gekommen, haben UEFA-Pokal gespielt, Quali zur Champions League, beide Derbys gewonnen… Das war natürlich eine wunderschöne Zeit. Bis auf das letzte Jahr – da ist der Präsident dann leider ein bisschen verrückt geworden.

Inwiefern verrückt?

Er hat sich eingebildet, dass wir besser werden müssen als Bayern München. Dabei war mir klar: Das passiert nur einmal in zehn Jahren, dass du die zweimal in einer Saison schlägst.

Sind Wildmoser die beiden Derby-Siege zu Kopf gestiegen?

Ja, ganz klar. Danach konnte er überall in der Stadt rumrennen und sich feiern lassen (lacht).

Das könnte erklären, warum er Sie nach einer 1:5-Niederlage gegen Bayern vor die Tür gesetzt hat.

Nach so einem Superjahr ist es doch normal, dass du mal 1:5 verlierst. Wir konnten leider nicht so einkaufen wie die Vereine heute. Und man darf nicht vergessen: Die Bayern waren auch ein bisschen nervös. Die ganze Stadt lag uns zu Füßen – da war Meister Hoeneß richtig sauer und hat aufgepasst, dass wir nicht an denen vorbeiziehen.

Waren Sie damals sauer auf Wildmoser?

Nein, überhaupt nicht. Ich hab ich auch später öfter in seinem Gasthaus gesucht. Das liegt in der Natur des Fußballs, dass man auch mal auseinander geht.

Wie war Ihre erste Reaktion?

Lorant: Da gab’s keine. Ich war beim Training und sollte danach in sein Büro kommen. Sag ich: „Quatsch nicht lang rum, was haste denn?“ Darauf er: „Ich muss dich leider entlassen.“ Ich hatte ja gewusst, was kommt. „Wunderbar“, hab ich zu ihm gesagt: „Ich hab noch ein Jahr Vertrag. Ich setz mich jetzt zu Hause in den Garten, mach mir ein Weißbier auf, dann kannst du mir jeden Monat mein Gehalt überweisen.“

Knapp zwei Jahrzehnte später spielt 1860 in der 3. Liga. Wie sehen Sie Ihren Ex-Verein?

Lorant: Ich hoffe, sie bleiben drin.

1860 ist doch Sechster, zwei Punkte von einem Aufstiegsplatz entfernt. Die letzte Niederlage gab es im Oktober!

Ach, ich verfolg das nicht mehr so genau. Doch nicht die 3. Liga! Das brauche ich mir wirklich nicht anzutun.

„Die Arena war das Schlimmste für den Verein“

Immerhin spielt 1860 wieder im Grünwalder Stadion. Eine richtige Entscheidung?

Vollkommen richtig. Das ist die Heimat von Sechzig – und das bleibt auch so. Die Arena war das Schlimmste für den Verein. Kein Fan wollte da rein. Die Löwen gehören nach Giesing – auch wenn hinter den Häusern die Bayern sind. Man hätte die Stadt unter Druck setzen müssen, dass sie das Grünwalder Stadion ein bisschen schön macht. Allein die Stimmung – die kriegst du nirgendwo anders. Ich war auch gegen das Olympiastadion. Das hat mich immer aufgeregt, da hinten spielen zu müssen.

Es gibt Menschen, die sagen, dass 1860 ein eigenes Stadion braucht, um eine Zukunft zu haben.

Willst du noch ein Stadion bauen in München? Du hast ja schon drei! Nein, das ist vorbei.

Als Folge der Stadion-Fehleinschätzung brauchte Sechzig 2011 einen Investor. Neun Jahre später ist der Verein immer noch nicht warm geworden mit Hasan Ismaik. Hätten Sie einen Lösungsvorschlag?

Nein, da gibt’s keinen. Ich kenn’ ja diese Mentalität, hab genug mit den Menschen dort zu tun gehabt. Kannst du vergessen, dass die sich zurückziehen. Geld haben die genug, die Ölquelle läuft ja jeden Tag. Und: Die sind auch nicht einfach im Umgang. Da hab ich genug Kampfgespräche geführt im Iran oder der Türkei.

Könnten Sie in so einer Konstellation Trainer sein?

Das würde mich gar nicht interessieren. Als Trainer zählt für mich nur: Was hab ich für eine Mannschaft? Kann ich mit der Erfolg haben oder nicht? Wie die da oben das regeln, das ist nicht meine Sache. Druck würde ich natürlich trotzdem machen, musst du doch.

Also gäbe es bei Ihnen keine Einmischung ins Sportliche.

Niemals. Vor zwei Jahren war ich in Hallein (Dritt- bzw. Viertligist im Salzburger Land, d. Red.), da wollte der Investor auch reden. Sag ich: Was wollen Sie? Reden? Vom Fußball? Sag ich: Da haben Sie keine Ahnung, das mach’ ich selber.

Könnten Sie denn mit der heutigen Spielergeneration, die viel Energie in soziale Netzwerke, Frisuren und Tätowierungen steckt?

Frisur, wenn ich das schon höre. Ich hab ja nichts gegen Haare, aber in Hallein hab ich das auch erlebt, dass ein Spieler gesagt hat: Trainer, morgen kann ich nicht kommen. Frag ich: Wieso, musst du arbeiten? Sagt er: Nee, Friseur. Pass auf, hab ich dann zu dem gesagt: Geh ruhig zum Friseur, aber dann brauchst du diese Woche gar nicht mehr wiederzukommen. Spielst eh nicht am Samstag.

Lorant über Social Media: „Da krieg’ ich doch einen Vogel“

Wie stehen Sie zu Twitter, Instagram und Facebook?

Das ist das Schlimmste, was es überhaupt gibt. So ein Mist, da krieg’ ich doch einen Vogel. Zum Glück bin ich da nie.

Trainer könnten Sie aber schon noch sein?

Könnte ich schon, möchte ich aber nicht mehr. Die in Hallein rufen mich immer mal wieder an. Ich sag aber jedes Mal: Lasst mich doch zufrieden mit Euerm Rumpelfußball, geht lieber Skifahren.

Werner Lorant: „Ist doch schön, auch mal Ruhe zu haben“.

Wer waren die größten Trainer in der Löwen-Geschichte?

Der Größte war ich und kein anderer.

Was ist mit einem gewissen Max Merkel?

Nix, da braucht kein anderer zu kommen.

Und wer war der größte Spieler, den Sie bei 1860 trainiert haben?

Da gab’s mehrere. Peter Pacult war richtig gut. Führungsspieler, Persönlichkeit – und in seinem Alter auch noch ein Vorbild. Wenn sie durch den Wald laufen mussten, hat er nicht gemeckert, sondern war immer mit den jungen Kerlen vorne. Er ist auch nicht einmal zu spät gekommen. Ein absoluter Profi!

Halten Sie es für möglich, dass 1860 noch mal an die Erfolge Ihrer Ära anknüpft?

Also, ich werde das nicht mehr erleben.

Sie wollen doch 100 werden. Trotzdem nicht?

Wie denn?

Hätten Sie keine Idee?

Ich hätte genug Ideen, aber wenn sie nicht fragen, sind sie selber schuld. Die wissen doch alles besser. Deswegen geh’ ich auch gar nicht mehr hin.

„Mölders kannst du beim Laufen die Schuhe besohlen“

Von der aktuellen Löwen-Mannschaft wäre wahrscheinlich Stürmer Sascha Mölders Ihr Lieblingsspieler, oder?

Ach was! Dem kannst du ja beim Laufen die Schuhe besohlen. Der kann ja noch nicht mal einen ausspielen. Auf Konter spielen, geht auch nicht mit dem: Wenn die einen schon im Strafraum sind, ist er noch an der Mittellinie. Weg mit dem!

Gibt es etwas, das Sie 1860 mit auf den Weg gehen wollen zum Jubiläum?

Ich hoffe, dass sie noch mal aufsteigen. Und noch mal vielleicht. Ist doch normal, dass ich denen das wünsche. Von mir aus können sie auch nach ganz oben kommen!

Sechzigs Trainer Michael Köllner verrät uns, wie er in der Corona-Pause die Spieler des TSV 1860 motiviert und was er macht, wenn er nicht an Fußball denkt.

Interview: Retter Lorant nach dem Klassenerhalt mit Waging

Aufrufe: 016.5.2020, 10:17 Uhr
tz / Uli KellnerAutor