2024-06-17T07:46:28.129Z

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– Foto: Imago Images

Lübecks nächster Gegner kommt mit viel Tradition

Einer der großen Namen Fußball-Deutschlands gastiert am Mittwoch (19 Uhr) auf der Lohmühle.

Der TSV 1860 München erfüllt positiv wie negativ alle Kriterien eines großen Traditionsvereins. Die gesamte Historie war geprägt von Hochs und Tiefs, jede Regung wird aufmerksam registriert von einer großen Fangemeinde (die innerhalb der Stadt noch immer größer sein soll als die des FC Bayern) und auch in den Medien wird jeder Schritt und Tritt der „Löwen“ mit viel Widerhall verfolgt.

Fußballerisch sind die „Sechzger“ dabei nicht so alt wie der Vereinsname klingen mag. Die Gründung der Fußballabteilung im Turnverein von 1860 erfolgte am 25. April 1899; erst 1902 traten die Fußballer auch erstmals zu einem Spiel an. Vor dem Ersten Weltkrieg spielte der TV 1860 eher eine Nebenrolle, stieg 1913 sogar einmal aus der höchsten bayrischen Klasse ab. Von bleibender Bedeutung ist das Stadion, dessen Bau 1911 an der Grünwalder Straße begonnen wurde und das – obwohl seit Jahrzehnten städtisch und Heimat mehrerer Vereine – noch immer als das „Sechzger-Stadion“ bekannt ist.

Aufgrund des Streits zwischen Turnern und Sportlern kam es 1924 zur Aufspaltung des Vereins. Als SV 1860 München schwangen sich die Fußballer fortan zu ersten Höhenflügen auf. 1927 waren die „Löwen“ erstmals vor den Lokalrivalen Bayern und Wacker die Nummer eins in der Stadt und erreichten das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft (1:4 gegen den 1. FC Nürnberg). Mit Josef Wendl und Ludwig „Pipin“ Lachner stellte 1860 auch erstmals deutsche Nationalspieler. 1931 ging es – obwohl die Bayern in der regulären Saison vorne waren – bis ins Endspiel um die Viktoria, doch Finalgegner Hertha BSC gewann durch ein Tor zum 3:2 in der 89. Minute den Meistertitel. Zwei Jahre später noch einmal im Halbfinale, blieben Erfolge anschließend wieder auf die regionale Ebene begrenzt. Als Meister Bayerns 1941 und vor allem als Sieger im Tschammer-Pokal (heute DFB-Pokal) ein Jahr später (2:0-Finalsieg gegen Schalke 04) brachten die Kriegsjahre die „Blauen“ wieder auf die reichsweite Bühne. Top-Stars jener Zeit wie Nationalstürmer Ernst Willimowski oder der spätere Italien-Profi Ludwig Janda spielten in diesen Jahren bei den „Löwen“.

In den Nachkriegsjahren hatte der seit 1934 „wiedervereinigte“ TSV 1860 keine führende Rolle im süddeutschen Fußball inne. Zwar waren die Münchner Gründungsmitglied der bereits 1945 ins Leben gerufenen Oberliga. Doch nur 1948 reichte es einmal als Tabellenzweiter für die Qualifikation zur Endrunde um die Deutsche Meisterschaft (Vorrunden-Aus gegen den 1. FC Kaiserslautern). Dagegen verbrachte der Verein sogar drei Jahre in der Zweitklassigkeit. Der Aufschwung nach dem Wiederaufstieg in die Oberliga 1957 kam genau rechtzeitig vor der Gründung der Bundesliga 1963. Zwar hätten die „Löwen“ in der Zwölf-Jahres-Wertung, die über die Bundesliga-Qualifikation entschied, keinen Platz in der neuen Eliteklasse erhalten. Doch als Meister der letzten Oberliga-Saison 1962/63 war das Team automatisch Bundesligist.

Für die Erfolgsära maßgeblich verantwortlich war Max Merkel. Der Schleifer aus Wien hatte im Sommer 1961 das Traineramt übernommen und läutete die erfolgreichste Periode der Vereinsgeschichte ein. Unter Merkel wurde 1860 Oberliga-Meister und schaffte die Bundesliga-Qualifikation 1963, holte 1964 den DFB-Pokal, erreichte das Europapokal-Endspiel 1965 (0:2 gegen West Ham United) und gewann als Krönung 1966 die Deutsche Meisterschaft. Im Achtelfinale des Landesmeister-Europacups gab es auch noch ein 1:0 gegen Real Madrid, allerdings schied die Mannschaft durch ein 1:3 im Rückspiel aus und kam in der Bundesliga über Mittelmaß nicht hinaus, sodass Merkel im Dezember 1966 entlassen wurde.

Die Periode der großen Erfolge war auch geprägt von großen Spielerpersönlichkeiten. Noch heute ist auch für jüngere Fußballfans Petar „Radi“ Radenkovic ein Begriff, der nicht nur Extraklasse im Tor darstellte, sondern auch mit extravaganter Spielweise und Dribblings bis in die gegnerische Hälfte auffiel und als Schlagersänger („Bin i Radi, bin i König“) erfolgreich war. Auch die Nationalspieler Peter Grosser (Kapitän der Meisterelf), Rudi Brunnenmeier (1965 Bundesliga-Torschützenkönig), Alfred Heiß, Hans Küppers, Bernd Patzke und Hans Rebele sowie Persönlichkeiten wie Timo Konietzka oder „Atom-Otto“ Luttrop haben feste Plätze in der Vereinshistorie.

Der Höhenflug war aber schon bald vorbei. 1970 stiegen die „Löwen“ erstmals aus der Bundesliga ab, stiegen 1977 und 1979 noch einmal für insgesamt drei Jahre auf, um dann nach einem Lizenzentzug 1982 bis in die drittklassige Bayernliga durchgereicht zu werden. Neun Jahre lang kickte der einstige Europapokalfinalist gegen Helmbrechts, Ampfing oder Plattling und war bei zwei Teilnahmen an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga 1984 und 1986 ziemlich chancenlos.

Anfang der 1990er-Jahre begann eine neue Erfolgsära. 1991 gelang unter Trainer Karsten Wettberg die Rückkehr in die 2. Bundesliga, 1992 übernahm Großgastronom Karl-Heinz Wildmoser das Präsidentenamt und holte nach dem Zweitliga-Abstieg Werner Lorant als Trainer. Unter dessen Regie schaffte der TSV 1860 nicht nur die sofortige Rückkehr in die 2. Bundesliga, sondern auch als erste Mannschaft überhaupt den direkten Durchmarsch in die Bundesliga. Dort trug der Verein die meisten Spiele nun im großen Olympiastadion aus, wo er regelmäßig über 30.000 Zuschauer anzog. Meist hielten sich die „Löwen“ ohne große Abstiegssorgen im Mittelfeld der Liga – in der Saison 1999/2000 gelangen schließlich – u.a. mit Weltmeister Thomas Häßler im Mittelfeld, dem holländischen Europameister Gerald Vanenburg und Bundesliga-Torschützenkönig Martin Max – nicht nur zwei Derbysiege gegen die Bayern, sondern auch die Qualifikation für die Champions League, wo allerdings die Gruppenphase verpasst wurde.

Ab 2001 gelang unter den Lorant-Nachfolgern Peter Pacult und Falko Götz keine Rückkehr in höhere Sphären mehr – 2004 stieg 1860 ab und wurde fortan zum Zweitliga-Dauerbrenner, der sich Jahr für Jahr weiter von der Eliteklasse entfernte. Um die von 1860 mitfinanzierte Allianz-Arena und um die Familie Wildmoser gab es juristische und finanzielle Streitigkeiten, zeitweise stand 1860 nah an der Insolvenz, sportlich verschliss der Verein zahlreiche Trainer und Investments in teilweise internationale Spieler, die sich meist als Enttäuschungen entpuppten. Einzig der eigene Nachwuchs, aus dem weiterhin spätere Nationalspieler wie Sven und Lars Bender, Kevin Volland oder Julian Weigl hervorgingen, behielt in der Szene einen guten Ruf. Nachdem 2015 in der Nachspielzeit der Relegation gegen Kiel der Abstieg in die 3. Liga vermieden worden war, erwischte es „Sechzig“ im Jahr 2017 in der Relegation gegen Regensburg.

Längst war zu dieser Zeit eine interne wie öffentliche Debatte um das reichhaltige, aber erfolglose Investment des jordanischen Unternehmers Hasan Ismaik (seit 2011) entbrannt. Die internen Streitigkeiten führten letztlich im Sommer 2017 auch dazu, dass die Bedingungen für eine Drittliga-Lizenz nicht erfüllt wurden. Der Verein war erstmals viertklassig, schaffte aber unter Daniel Bierofka als Trainer den sofortigen Aufstieg in die 3. Liga.

Aufrufe: 015.3.2021, 15:56 Uhr
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