2024-04-23T06:39:20.694Z

Allgemeines
Wandschmuck? Pflanzgefäß? Lankes weiß noch nicht, was er mit seiner weiß-blauen Seifenkiste anstellt. 
Wandschmuck? Pflanzgefäß? Lankes weiß noch nicht, was er mit seiner weiß-blauen Seifenkiste anstellt.  – Foto: Rainer Kmeth

“Löwenstüberl“ in der Corona-Krise: Wirt Lankes versucht‘s mit Kreativität

Besuch in der Kult-Gaststätte

„Löwenstüberl“-Wirt Benedikt Lankes will in der Corona-Krise nicht jammern. Trotzdem hat die Pandemie auch die Kult-Gaststätte hart getroffen.

VON ULI KELLNER

München – Mitten im Gastraum steht eine weiß-blaue Seifenkiste und versperrt den Weg. Geschenk eines Fans, sagt „Löwenstüberl“-Wirt Benedikt Lankes, 38, und lacht: „Im Moment dient sie mir als Abstandshalter. Ich muss schauen, was ich damit anstelle.“ Ist ja eh nicht viel los gerade in seiner Gaststätte, selbst beim Auftakt in die Sommervorbereitung konnte man die Gäste an zwei Händen abzählen. „Ich weiß, was hier normal beim Trainingsstart los ist“, sagt Lankes.

Der junge Wirt sitzt alleine in seinem Stüberl vor dem Laptop, als er von der Besucherflaute erzählt. 1,50 Meter Abstand? Momentan braucht es weder einen Meterstab noch ein improvisiertes Seifenkisten-Längenmaß, um die Hygienevorschriften einzuhalten. Lankes hätte guten Grund, das alles im Jammerton vorzutragen, doch er hält sich an das neue, inoffizielle Vereinsmotto, das tags drauf auch Coach Michael Köllner zum Besten gibt, als er den Vize des Schaustellerbundes zitiert: „Von dem hab ich gelernt: Man soll sich nicht mit Problemen beschäftigen, sondern mit Lösungen.“ Lankes gibt zu: „Die erste Zeit war brutal schwer, aber ich schau’ mir die Zahlen nicht an. Ich steh’ nicht besser da, wenn ich jetzt anfang’ zu weinen. Lieber blicke ich positiv nach vorne. Das wird schon!“

Und dafür, dass es wird, gibt der Jungunternehmer alles. Hat er von Anfang an so gemacht. Es ist jetzt ein Jahr her, dass er den von Vorgängerin Christl hinterlassenen „Verhau“ entrümpelt und in eine etwas zeitgemäßere Gaststube umgewandelt hat: „Letzten August haben wir gerade geweißelt“, erinnert er sich. Schon vor der Neueröffnung im Oktober hatte er viel Zeit und Herzblut in sein Projekt gesteckt. Ähnlich viel, wie er seit Corona darauf verwendet, alternative Wege zu finden, um den Laden zumindest gelegentlich zum Laufen zu bringen. Sonntags gibt es jetzt einen Frühschoppen, der gut angenommen wird. Auch die Übertragung der Geisterspiele sei bestens angekommen, erzählt er.

Lankes sagt: „Die ganze Corona-Krise macht einen wahnsinnig kreativ. Muss ja. Normal sagst du: Och, Weg A funktioniert ja. Da verdienst du dein Geld, und alles läuft so dahin. Jetzt, in der Krise, schaust du auch mal in die hinterste Ecke.“

So entwickelt er neue Ideen. Sein aktuelles Projekt heißt „Kultursommer“. Der Hobbymusiker hat ein paar Bands eingeladen, um von Zeit zu Zeit für Stimmung im Stüberl zu sorgen: „Von Austro-Pop über Blasmusik bis zu Coverbands und Liedermachern.“ An diesem Freitag (ab 20 Uhr) trifft Roland Hefter auf, den Lankes „über fünf Ecken“ kennt. Der SPD-Barde hat passenderweise gerade ein Lied geschrieben, in dem er auf die Situation der Wirte aufmerksam macht. Gestern gab es noch 20 Resttickets, 150 Leute sind zugelassen. „Mein Herzblut ist weiterhin da“, sagt Lankes. Ehrensache für ihn, dass der Erlös des Hefter-Auftritts auch nicht in die eigene Kasse fließt, sondern dem NLZ gestiftet wird.

Lankes ist beseelt vom Gedanken, auch sein zweites Lokal (neben „Thomi’s Kuchl“, Perlach) mit Leben zu füllen: „Man muss auch mal eine andere Seite vom Stüberl zeigen. Nicht nur: am Spieltag voll, alle mit Plastikbechern und juhu.“ Rüberkommen soll stattdessen: „Das Stüberl ist mehr als Sechzig und Fußball. Ich weiß, es trägt einen Stempel. Dabei ist das so ein schöner Fleck hier.“

Deswegen ist Lankes auch (noch) nicht bereit, seinen Grundoptimismus zu opfern. „Ich hoffe und bin mir auch sicher, dass wir ab Frühjahr wieder Regelbetrieb haben.“ An Aufgeben hat er nie gedacht. „Auf keinen Fall“, sagt er. „Dann müsste das schon zwei, drei Jahre so gehen. Ich glaube, es gibt immer Krisen, und wenn man die geschafft hat, ist man gewappnet für andere Geschichten.“

Bis die kommen, macht er trotzdem erst mal 14 Tage zu: Kräfte sammeln in den Bergen. Wenn er wieder aufsperrt, da kann man sicher sein, wird auch die weißblaue Seifenkiste eine Verwendung gefunden haben.

Aufrufe: 07.8.2020, 09:26 Uhr
Münchner Merkur / tz / Uli KellnerAutor