2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview
„Freude pur. Unvorstellbare Emotionen“: Daniel Bierofka (l.) als Feierbiest - neben Philipp Steinhart (Nr. 36). F: MIS / Bernd Feil
„Freude pur. Unvorstellbare Emotionen“: Daniel Bierofka (l.) als Feierbiest - neben Philipp Steinhart (Nr. 36). F: MIS / Bernd Feil

Bierofka im Interview über das Gefühl beim Abpfiff, die 3. Liga und seine Zukunft

Mittelmaß? „Nicht mein Ziel!“

Daniel Bierofka ist jetzt der „Kaiser von Giesing“. Im Interview hat er über seine Gefühlswelt gesprochen und verraten wie es im nächsten Jahr weitergehen soll.

München – Seine Stimme: heiser. Die Gemütslage: glückselig – wie bei allen im Aufstiegsteam des TSV 1860. Bis 4 Uhr in der Nacht zum Montag habe er mitgefeiert, berichtet Daniel Bierofka, „die raue Stimme kommt aber mehr vom Spiel“, glaubt er. Wie sehr er gelitten hat beim 2:2 gegen Saarbrücken, was er jetzt vorhat mit den Löwen, all das verrät der Erfolgstrainer in unserem Interview.

Daniel Bierofka, Glückwunsch noch mal zum Aufstieg – und zum Ehrentitel. Sie sind ja jetzt der „Kaiser von Giesing“. Hat Karsten Wettberg so verkündet, einer Ihrer Vorgänger als Aufstiegscoach, der „König von Giesing“.

Wenn er das so sieht (lacht) . . . Ich sehe es so, dass er Kultstatus genießt und es schön ist, dass ich jetzt vielleicht auf einer ähnlichen Stufe stehe. Aber: Solche Sachen sind mir nicht wichtig.

Für die Fans sind Sie längst ein Vereinsheiliger. „Ohne Biero wär’n wir gar nicht hier“, schallte es in der Endlosschleife durchs Grünwalder Stadion.

Es ist schön und gut, dass sie’s schreien, aber man darf auch nicht die ganzen Leute drumherum vergessen – vom Busfahrer bis zur Waschfrau. So ein Erfolg ist nur zusammen möglich – das ist mir ganz wichtig zu betonen.

Wie viel Druck ist am Sonntag nach dem Abpfiff von Ihnen abgefallen?

Ich hab ja schon viel erlebt hier – auch die Abstiegsspiele damals. Aber Relegation ist noch mal extremer. Du darfst dir keinen schlechten Tag erlauben und kaum Fehler – sonst ist schon alles vorbei. Deswegen war die Anspannung schon extrem groß.

Ihr emotionalster Tag als Löwe?

Der Nichtabstieg war auch emotional, aber eher so nach dem Motto: Jetzt haben wir’s geschafft und sind erleichtert. Am Sonntag im Grünwalder – das war Freude pur. Unvorstellbare Emotionen. So viele Leute auf dem Rasen! Und hinterher am Bus. Da hat man mal wieder gesehen, wie viele Menschen an 1860 hängen. Absolut der Wahnsinn!

Sie haben sich ja ein bisschen verplappert – mit der Andeutung, dass Sie wenig Hoffnung hatten, nachdem Sie Saarbrücken beim 7:1 in Steinbach beobachtet hatten . . .

(lächelt) Das stimmt. Ich bin mit meinem Vater hochgefahren – und wir haben beide ziemlich blöd aus der Wäsche geschaut. Was die da auf den Platz gezaubert haben, das war schon vom Allerfeinsten! Danach musste ich mich erst mal sortieren und überlegen: Okay, wie kann man das hinkriegen? Gibt es irgendwo eine klitzekleine Schwäche? Irgendeine Position, wo die vielleicht ein Problem haben? Das hat eine Zeit gedauert. Danach fanden wir, dass die hinten eventuell nicht ganz so stabil sind – und das haben wir Gott sei Dank ausgenutzt.

Hat also das bessere Kollektiv gesiegt?

Für mich ist Saarbrücken eine sehr gute Drittligamannschaft – allein von den Spielern her. Aber wir hatten auch das Spielglück, das du in einer Relegation brauchst. Frühes 1:0 im Hinspiel, Platzverweis für Kevin Behrens, unser Siegtreffer in der 84. Minute. Im Rückspiel liegen wir sogar 0:2 hinten – und dann kommt Benni (Kindsvater) und holt einen Elfer raus. Wir hatten in beiden Spielen die Momente auf unserer Seite – aber wir haben sie auch erzwungen. Wir haben uns einfach gesagt: Okay, lass Saarbrückens ein bisschen mehr individuelle Klasse haben – aber das gleichen wir übers Team aus. Und durch unseren Willen.

Haben Sie überhaupt schon realisiert, was Sie für eine Großtat vollbracht haben? Im Sommer 2017 einen Trümmerhaufen übernommen, in Rekordzeit dann den Löwen Erfolg, Freude und vor allem den Stolz zurückgebracht.

Ich glaube, das kommt noch. Es ist alles noch zu frisch. Am Sonntag war ich einfach nur glücklich, dass dieses Spiel vorbei ist. Die letzten fünf Minuten haben sich angefühlt wie eine halbe Stunde.

„Sollte es nicht funktionieren, dann...“

Im Überschwang sagten Sie am Sonntag, dass Sie der größte Vollidiot wären, wenn Sie diese Mannschaft jetzt verlassen würden. Dürfen die Spieler Sie da beim Wort nehmen?

Ja, klar. Es gibt ja schon einen Plan, wie wir das machen, wenn ich ab 18. Juni beim Fußballlehrer bin. Der Günther (Sportchef Gorenzel/Red.) wird das mit meinem Trainerteam übernehmen, während ich in Hennef bin. Ab Donnerstag mache ich dann ganz normal weiter. Ich bin überzeugt, dass es funktionieren kann, aber es bleibt dabei: Der Verein steht immer über einzelnen Personen. Sollte es nicht funktionieren und ich den Draht zur Mannschaft verlieren, dann muss man halt schauen, ob man eine andere Lösung findet.

Welche nämlich?

Das muss man dann schauen. Ich bin aber überzeugt, dass wir das hinkriegen.

Vize Hans Sitzberger stellt sich auf einen Platz zwischen 10 und 12 ein – wenn der Kader nicht verstärkt wird. Und Sie?

Der Kern der Mannschaft ist sehr gut. Und der bleibt ja. Auch Sascha Mölders, mit dem wir so gut wie durch sind (in Sachen Vertragsverlängerung/Red.). Trotzdem müssen wir uns zu 100 Prozent verstärken. Ich will nicht irgendwo zwischen Platz 10 und 12 rumkrebsen. Dafür haben wir uns nicht ein Jahr lang den Hintern aufgerissen.

Sondern wofür?

Ich will eine Mannschaft haben, mit der ich absolut konkurrenzfähig bin, mit der ich eine gute Rolle in der 3. Liga spielen kann. Den Ehrgeiz habe ich. Eines steht aber fest: Die Spieler, die den Aufstieg geschafft haben, die werde ich belohnen. Es wird nicht so sein, dass wir die komplette Mannschaft austauschen.

Sie selbst drängen seit Wochen auf eine Budgeterhöhung, um die Qualität des Kaders zu erhöhen. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sich da was tut?

Man hört immer wieder, dass im Hintergrund Gespräche laufen. Ich bin ja nicht direkt involviert, aber ich habe schon die Hoffnung, dass bald was Konkretes bei rauskommt. Etwas, mit dem wir dann auch arbeiten können.

Eigentlich hatten Sie angekündigt, mal auf den Tisch zu hauen, wenn alles gelaufen ist. Mit anderen Worten: Sie wollten die beiden Gesellschafter zu einem produktiven Miteinander aufrufen. Hier hätten Sie die Gelegenheit . . .

Ich denke, das ist längst passiert. Deswegen kann ich mir das sparen. Entscheidend für mich ist, dass sich beide Seiten zusammenraufen. Sie müssen ja nicht zusammen Kaffee trinken oder beste Freunde werden, aber sie sollten an einem Strang ziehen – genauso wie wir das als Mannschaft gemacht haben.

„Sie müssen ja nicht zusammen Kaffee trinken . . .“

Ihr Team als Vorbild für die Bosse?

Zusammenhalt sollte bei 1860 immer das Ziel sein. Dass man für ein gemeinsames Ziel lebt und arbeitet. Was dann möglich ist, hat man diese Saison gesehen, denn wir waren wirklich eine Mannschaft – von A bis Z. Ich bin aber überzeugt, dass da in den nächsten ein, zwei Wochen was passieren wird.

Die 3. Liga ist stark und attraktiv besetzt wie nie. Freuen Sie sich drauf?

Und wie! Die Vorfreude ist riesengroß. Das werden tolle Spiele – auf dem Betzenberg, in Braunschweig, in Cottbus. Zweitligaflair spüren – 3. Liga im Grünwalder Stadion erleben. Das ist schon noch mal eine ganz andere Dimension. Nichts gegen die Regionalliga Bayern. In der hab ich jetzt vier Jahre gearbeitet, kenne mittlerweile jeden Trainer, jeden Spieler, jeden Platz. Es hat Spaß gemacht, gerade auch auswärts. Aber jetzt ist es auch für mich an der Zeit, mal was Neues zu sehen.

Die Mannschaft ist am Montag zum Feiern nach Mallorca geflogen. Sie nicht. Spannen Sie lieber zu Hause aus? Oder geht die Arbeit direkt weiter?

Ich mach jetzt ein paar Tage Pause – und dann geht’s auch schon weiter.

Interview: Uli Kellner

Aufrufe: 029.5.2018, 19:30 Uhr
Münchner Merkur / tz / Uli KellnerAutor