2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview der Woche

"Bei uns fehlt die Konstanz"

Tobias Rieger über die bisherige Saison der TSG Hechtsheim +++ "Es geht darum, sich jeder Herausforderung zu stellen"

Viele hatten die TSG Hechtsheim als Aufstiegskandidaten in der Fußball-Landesliga auf dem Zettel, doch überwintert hat das mit einigen prominenten Namen gespickte Team im Tabellenmittelfeld. Über die Gründe und die Perspektiven des Klubs gibt Trainer Tobias Rieger im Interview der Woche Auskunft.

Tobias, wie sieht Dein Hinrunden-Fazit aus sportlicher Sicht aus?

Eigentlich ist es nicht schlecht, aber bei uns fehlt die Konstanz. Daher sind wir auch in der Tabelle im Mittelfeld. Es könnte besser sein, wenn wir nicht ganz so viele Verletzte hätten. Einige Spieler müssten noch mehr an ihre Leistungsgrenze herankommen. Dadurch, dass einige Spieler den Konkurrenzkampf gescheut und uns verlassen haben, rufen die, die geblieben sind, vielleicht nicht mehr ihre Qualität ab.

Wenn man sich vor der Saison Euren Kader angeschaut hat, konnte man auf die Idee kommen, dass Ihr zu den Aufstiegskandidaten zählt...

Aber da gehört noch mehr dazu als die Namen. Eine Mannschaft muss auch eingespielt sein, ein Rad muss in das andere greifen. Vom Technischen her haben wir gute Leute, keine Frage, aber bei manchen fehlt die Einstellung, wirklich alles rauszuholen, was sie leisten können. Wir hatten viele Problemchen. Akinci, Dragun, Strohmeier, Idzan, Borowski, Dzaka, Ouachchen – das sind alles neue Spieler in unserer Stammelf, das muss sich erst finden.

...die sich alle aus Mombach kennen.

Das schon, aber ein anderes Spielsystem, eine andere Liga, da ist es schwer, eine neu zusammengewürfelte Mannschaft ans Leistungslimit zu bringen. Wir haben nicht gesagt, dass wir aufsteigen müssen. Es geht darum, die Mannschaft in der Landesliga zu etablieren. Wichtig wäre, endlich mit einem neuen Platz mehr Jugendliche zu locken, um etwas aufzubauen. Für einen Landesligisten ist es schlecht, dass wir aus unserer eigenen Zweiten überhaupt keine Spieler hochziehen können. Aber ich verstehe das, als junger Bub würde ich auf dem Hechtsheimer Platz auch nicht spielen wollen. Unser Ziel muss sein, die Mannschaft zu verjüngen, mit Spielern, die noch was zeigen wollen. Dann kann man vielleicht irgendwann Richtung Verbandsliga gucken, aber das ist noch ein weiter Weg.

Ihr hattet jede Menge Abgänge im Laufe der Runde. Was war los?

Am Anfang wollten sich die Spieler nicht dem Konkurrenzkampf stellen. Kasper und Schwab haben in der Innenverteidigung keine Chance gesehen und sind gegangen, Karakaya hat auf der Sechs keine Chance gesehen und ist gegangen. Bei Danielewski kam die schwere Verletzung, Kostadinov wollte nicht mehr so viel trainieren. Für mich ist Fußball immer ein Konkurrenzkampf, es geht darum, sich jeder Herausforderung zu stellen. Douglas Costa hat auch nicht gesagt, er geht nicht zu Bayern, weil da Robben und Ribery sind. Ohne Konkurrenz entwickle ich mich nicht. Es ist immer gut, wenn da Leute sind, die dich kitzeln. Die Spieler, die uns verlassen haben, sind alles gute Fußballer, aber man muss auch trainieren und sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Egal wie die Spieler heißen, wer fit ist, spielt. Michael Mader ist schon seit Jahren da und hat sich immer durchgesetzt, weil er Ehrgeiz hat und sich durchsetzen will. Er kam aus der Bezirksklasse und ist seit fünf Jahren Stammspieler bei mir. Das sind Charaktere, die ich brauche. Es ist nicht interessant, was ein Spieler früher erreicht hat, sondern was er aktuell zeigt.

Rufen Eure klangvollen Namen zu wenig von dem ab, was sie früher gezeigt haben?

Im Ganzen hätte ich einen Tick mehr erwartet. Aber ich kenne es selbst, wenn du auf deiner Position keinen hast, der dich bedrängt, schaltest du automatisch zwei, drei Gänge zurück, das ist ganz normal. Hinzu kommt, dass wir viele Verletzte haben. Es gab Landesligaspiele, da hatte ich nur zwei, drei Mann auf der Bank.

Viele Verletzte, schlechte Trainingsbeteiligung, das zieht sich seit dem Aufstieg bei Euch wie ein roter Faden durch. Woran liegt das?

Vielleicht an unserem Platz. In den letzten beiden Jahren haben wir in der Tat häufiger mit Verletzungen zu kämpfen.Vielleicht liegt es auch am Altersdurchschnitt, der ist bei uns etwas höher. Aber Spieler wie Frey, Bergmann, Erdogan oder Mader sind bei jedem Training dabei und machen auch privat etwas, deshalb sind sie fit. Kevin Frey spielt seit drei Jahren bei mir, er war noch nie verletzt. Man muss halt auch etwas für seinen Körper tun, je älter man wird.

Spötter sagen, wenn ein Spieler keine Lust mehr darauf hat, viel zu trainieren, kommt er zu Euch. Falsch?

Das stimmt zum Teil schon. Wenn ein Spieler aus höheren Ligen in tiefere Klassen kommt, macht er das eben häufig, weil er weniger trainieren will. Aber gerade wenn du runter kommst, musst du mehr machen, weil die anderen sich gegen dich mehr anstrengen. Es kommt immer auf den Charakter an, ob ein Spieler sich noch beweisen will. Aus meiner Sicht legt der eine oder andere Spieler da das falsche Denken an den Tag.

Welche Spieler meinst Du?

Das betrifft grundsätzlich Fußballer. Viele gehen ja auch ein, zwei Klassen runter, weil sie anfangen zu studieren, oder eine Familie gründen. Ljubo Dragun ist das zweite Mal Vater geworden, er hat zu mir gesagt, er kann nur noch zweimal die Woche ins Training kommen. Das weiß ich von vornherein, das ist für mich in Ordnung. Und die beiden Male, wo er da ist, gibt er auch Gas. Es gibt solche und solche, das betrifft nicht nur meine Mannschaft. Wenn alle fit wären und alle an einem Strang ziehen, wäre auf jeden Fall Platz eins bis fünf möglich. Aber das ist eben nicht so, hinzu kommt dann und wann ein bisschen Larifari. Man hat es mit unserer Rumpftruppe beim Schiri-Turnier gesehen, oder auch in den Ligaspielen gegen die Top-Gegner, was die Mannschaft leisten kann. Dann verlieren wir wieder gegen viel schwächere Gegner, was nur an uns selbst liegt. Darüber kann ich mich dann richtig aufregen.

Dein Vertrag läuft am Saisonende aus. Wie sieht es mit Deiner eigenen Zukunft aus, macht sich vielleicht Amtsmüdigkeit breit?

Nein, Amtsmüdigkeit nicht. Ich bin seit sieben Jahren in Hechtsheim, habe die Mannschaft von der Bezirksklasse in die Landesliga geführt. Es macht mir immer noch Spaß, und ich verstehe mich mit dem Vorstand gut. Man muss gucken, was im Sommer ist. Ich hoffe, dass der neue Platz kommt. Thomas Strohmeier beispielsweise hat bei uns immer Probleme mit der Leiste. Er wollte eigentlich nicht zu uns kommen, aber ich kenne ihn, seit er ein kleiner Junge war, er wollte gern unter mir trainieren. Viele andere Spieler kommen wegen des Platzes aber nicht. Hinzu kommt, dass in Hechtsheim fast keiner gemerkt hat, dass wir dreimal Meister geworden sind. Wir haben leider kein Vereinsheim am Platz, der Platz ist weit weg vom Ort. Aber dass wir so wenige Zuschauer haben, ist nicht das größte Problem. Das ist, dass wir den beschissensten Platz haben.

Was würdest Du der TSG für Entwicklung prognostizieren?

Mit einem neuen Platz denke ich, dass wir auch wieder mehr Jugendspieler von der TSG begeistern können. Wenn ich einen Spieler anspreche, kommt immer die Frage, wann der neue Platz kommt. Das liegt eben nicht in unserer Hand. Das ist das Hauptproblem, dass da nichts vorangeht. Dem entsprechend kannst du auch keine Jugendspieler in die Aktiven holen und musst immer externe Spieler holen, da bleibt dir gar nichts anderes übrig. Wenn der neue Platz da ist, kannst du die Jugend und die zweite Mannschaft wieder aufbauen und dann auch versuchen, mit der Ersten eine Klasse höher zu rücken. Aber ich denke, aktuell sind wir in der Landesliga in einer guten Lage.

Hat sich außer dem Zugang der beiden früheren Gonsenheimer Abwehrspieler Luca Teichreb und Joseph Meier bei Euch personell noch etwas getan, könnte sich noch was tun?

Nein. Meier wollte ja schon seit Sommer zu uns, aber Ingelheim hat ihn nicht freigegeben. Und Luca Teichreb war lange am Schambein verletzt, er wird wohl noch ein halbes Jahr brauchen, um wieder ein Pflichtspiel über 90 Minuten zu bestreiten. Er kann auch jetzt nur leicht trainieren.

Insgesamt zehn Spieler sind seit der Sommerpause gegangen und nur zwei neue gekommen – habt Ihr versucht, mehr zu machen?

Wenn wir auf Rang zwei oder drei stehen würden, hätte ich gesagt, dass wir noch was machen. Aber bei unserem Tabellenstand ergibt es keinen Sinn, im Winter die teuren Ablösesummen zu bezahlen. Wenn sich ein Spieler uns anschließen möchte, sehr gern, aber ich bin strikt dagegen, die überhöhten Summen zu zahlen. Mit der Mannschaft, die wir haben, können wir im Mittelfeld landen. Wir haben ja keinen Druck, dass wir unbedingt aufsteigen müssen.

Aufrufe: 029.1.2016, 10:35 Uhr
Torben SchröderAutor